Was ist das, was Sie als Landwanderer erleben? Was wir auf den ersten Blick nicht deuten können und was sich bei näherem Hinsehen als Zeugnis der jüngsten Geschichte herausstellt, damit rechne ich immer, wenn ich in meiner Bibliothek sitze und über meine Streuobstwiese und die Felder dahinter schaue. Martin Pollack, kontaminierte Landschaften. determinierte Landschaften. Herzlich willkommen, sehr geehrte Damen und Herren, zum Beginn der Herbstsaison des Oberösterreichischen Literaturhauses zum literarischen Veranstaltungsprogramm hier im Stifterhaus zu einem Abend für Martin Pollack zur Vorstellung des Essay- und Erzählbandes, den Martin Pollack zusammengestellt und Gerhard Seilinger herausgegeben hat. Er ist posthum im jährlichen Jahr im Residenzverlag erschienen. Zeiten der Scham versammelt gewissermaßen die Lebensthemen Martin Pollacks, die Land- und Landschaft und auch uns Menschen eingeschriebene Geschichte, die Zeugen- und Täterschaft an der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts, eine Geschichte von Krieg und Vernichtung, die sich gewissermaßen in Variation wiederholt, die bis heute andauert, eingebettet in den Makro- und Mikrokosmos der Natur. Pollacks Beobachtungen sind voll Zuneigung und gleichzeitig voll nüchterner und trauriger Wachsamkeit. Wir hatten gehofft, die Buchpräsentation von Zeiten der Scham zusammen mit Martin Pollack feiern zu können. Noch im November vergangenen Jahres, kurze Zeit vor seinem Tod, haben wir uns darüber im Wiener Café Bräunerhof verständigt. Es ist uns eine besondere Ehre und eine noch größere Freude, dass Ingrid Schemel, Martin Pollacks Frau, zu diesem Abend nach Linz gekommen ist. Wir begrüßen Sie ganz, ganz herzlich hier im Stifterhaus. Gehar Zeilinger hat nicht nur an diesem Buch mitgewirkt, als ausgezeichneter Literaturwissenschaftler und Kenner von Martin Pollacks Arbeit, als Kenner auch seines literarischen Vorlasses, als Freund. Wir freuen uns sehr, ihn heute Abend einmal mehr im Stifterhaus begrüßen zu können. Ganz herzlich willkommen, lieber Gerhard, und vielen Dank fürs Dasein. Mit Gerhard Seilinger ins Gespräch treten wird heute Abend Michael Worecki, Autor und Journalist aus der Slowakei, aus Bratislava. Er hat Martin Pollack beim Entstehen des Films Ein Blick in den Abgrund, aus dem wir heute einen Ausschnitt sehen werden, begleitet und Pollacks Werk in Slowakisch übersetzt. Übrigens kommt er auch im Buch vor. Auch Michael Worecki war mit eigenen Büchern, drei sind bereits auf Deutsch erschienen, schon zu Gast hier im Haus. Wir danken ihm ganz herzlich für sein Kommen, wie schön, dass Sie hier sind. Martin Pollack und das Adalbert Stifter-Institut des Landes Oberösterreich stehen in langer und in enger Verbindung zueinander, wenn wir das so sagen dürfen. Nicht nur wurden Martin Pollacks eigene Bücher, so etwa 2005, Der Tote im Bunker, hier vorgestellt, oder auch Bücher anderer Autorinnen und Autoren mit einer Einführung von Martin Pollack, auch ein Rampeporträt gestaltet von Gerhard Seilinger wurde 2017 hier erarbeitet und so weiter und so fort. Martin Pollack, vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Kulturpreis des Landes Oberösterreich, aber eben auch nur unter anderem, so wurden ihm gleich mehrere Staatspreise und 2011 auch der Leipziger Buchpreis zur europäischen Verständigung verliehen. Martin Pollack also hat entschieden, seinen literarischen Vorlass dem Oberösterreichischen Literaturarchiv hier am Haus anzuvertrauen. Noch zu seinen Lebzeiten konnte er erworben und der größere Teil nach Linz transferiert werden, zumindest dachten wir damals, dass es der größere Teil nach Linz transferiert werden. Zumindest dachten wir damals, dass es der größere Teil gewesen sei. Eine zweite, sehr umfangreiche Lieferung aus dem Burgenland ist im heurigen Frühjahr eingetroffen. Die Materialien dokumentieren einen sehr komplexen Werkentstehungsprozess, dem intensive Recherchen über viele Grenzen, auch sprachliche Grenzen hinweg, vorangehen. Ein sorgsam zusammengetragenes Archiv zur Zeitgeschichte Europas mit Schwerpunkt auf Mittel- bzw. Osteuropa. Der Ausgangspunkt liegt hier in Linz, 1944 in der damals nach Bad Hall verlegten Kinderklinik geboren, wo übrigens auch fast zur gleichen Zeit Robert Schindl zur Welt gekommen ist, verbrachte Pollack mit den älteren Geschwistern die ersten Jahre im steirischen Enztal in Mitterberg nahe des Grimming. Danach wuchs er im Haus seines Ziehvaters, des Malers Hans Hans Pollack auf bzw. kehrte aus dem Internat im Felbertal hierher zurück. Der leibliche Vater Pollacks, Dr. Gerhard Bast, hat als Gestapo-Mitarbeiter und Führer von Sonderkommandos ab 1941 in Linz Dienst getan, in Linz Dienst getan, ehe er in verschiedenen Einsatzgebieten an der Vernichtung von Juden und polnischen Zwangsarbeitern beteiligt war. Die Beziehung zur Amstettener Familie seines biologischen Vaters hat Pollack gehalten und sich gleichzeitig in radikaler Form mit Herkunft auseinandergesetzt, sich den nicht lösbaren Widersprüchen zwischen persönlicher Bindung und dem Wissen um Täterschaft der Suche nach Beweisen dafür gestellt. Zeiten der Scham auch das. Martin Pollack hat sich immer wieder auf die Suche gemacht nach den Spuren, nach eben Zeugen und Zeugnissen im Sinne einer Praxis forensischer Archäologie, angewandt auf die Kunst des Berichtens, des Schreibens gegen das Vergessen, als Auftrag zu einer zutiefst humanen Haltung des Erinnerns, als bleibendes Vermächtnis. Ihnen allen eine mutige Begegnung mit Martin Pollacks Mut in Zeiten der Scham. Vielen Dank, liebe Petra, für diese wunderbare fundierte Einleitung. Es gilt jetzt, dieses Buch vorzustellen und ich knüpfe an beim Titel der heutigen Veranstaltung Bleibendes Vermächtnis. Als Vermächtnis hat auch der Residenzverlag dieses Buch bezeichnet und ich glaube, das kann man wirklich auch mit Fug und Recht sagen. Letzte Bücher sind wohl immer ein Vermächtnis, das hat auch Martin Pollack gewusst und er wird auch gewusst haben, dass er dieses Buch wahrscheinlich nicht mehr realisieren wird können. Deswegen hat er auch mich gebeten, schon vor einem Jahr mich darum anzunehmen und das habe ich natürlich sehr gern getan. Das war auch eine große Ehre für mich. Dieses Buch versammelt Texte aus den letzten 10, 15 Jahren. Texte, die verstreut publiziert waren und die es wert waren, endlich auch gesammelt zu präsentieren und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es sind auch unveröffentlichte Texte dabei. Martin Pollack selbst hat auch noch vorgehabt, einiges Neues beizusteuern. Zumindest einen Text hat er noch schreiben können, ungefähr drei Monate vor seinem Tod. Und mit diesem Text schließt sich auch so etwas wie ein Lebenskreis, weil dieser Text ist gewidmet einer geliebten Person, seinem Großvater, das heißt eigentlich dem Sterben seines Großvaters, mit dem ihn wirklich glückliche Kindheitserinnerungen verbunden haben. Und zugleich war dieser Großvater aber auch ein sehr unangenehmer Zeitgenosse, ein verbissener, unerbittlicher Nazi. Und da ist Martin Pollack noch einmal in die Abgründe seiner Familiengeschichte eingetaucht. Und zum anderen ist dieses Buch auch insofern ein Vermächtnis, als es hier eigentlich alle großen Themen versammelt, die sein Werk ausmachen. Das ist natürlich Osteuropa, das ist Polen, die Ukraine, Belarus, jene Länder, über die er wirklich mit großer Sachkenntnis, aber auch mit sehr großer Leidenschaft immer geschrieben hat. Das ist natürlich das historische Galicien, dem er ja sein erstes Buch gewidmet hatte, 1984. Aber es ist auch die heutige Ukraine, die gegenwärtige Katastrophe, diese Furcht an der Ukraine, gegen den er sich von Anfang an im Gegensatz zu vielen anderen Linken eindeutig positioniert hat. Es sind Essays zur Gedenkkultur im Rückblick auf die Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Und wie gesagt, es ist die eigene Familiengeschichte, aus der er ein Leben lang geschöpft hat und anhand der er auch immer Zeitgeschichte dargestellt hat und das hat seine Bücher, indem er das eine mit dem anderen verbunden hat, ja so spannend gemacht. Wir erleben Martin Pollack in diesem Buch, aber auch selbst ganz persönlich in Erinnerungen an seine Kindheit, an seine Schulzeit, seine Studienzeit in Polen. Wir treffen ihn hier auch als Wahlburgenland gelebt, auf einem alten Bauernhof, wo fast alle seine Bücher entstanden sind, wo er die Ruhe zum Schreiben fand und wo er auch ein sehr großer, leidenschaftlicher Gärtner war. Und er hat immer von sich auch gesagt, dass er eigentlich ein Landmensch sei. Und natürlich hören wir seine Stimme als die eines Homopolitikus, als den wir ihn alle gekannt haben und der es immer auch verstanden hat, uns zu mahnen. 2018 in Darmstadt, wo er eigentlich aufmerksam machen wollte, wie gefährdet diese gegenwärtige Europäische Union ist. Und wenn man diesen Text liest, glaubt man eigentlich, der wäre kürzlich entstanden, so brandaktuell, so erschreckend aktuell ist dieser Text, aber auch die anderen Texte in diesem Buch. anderen Texte in diesem Buch. Ja, ich werde zwei Texte lesen, bedanke mich und Kompliment an Stefan Kögelberger, der diese Texte ausgewählt hat. Ich glaube, es sind ungefähr so an die 30 Texte in diesem Buch und ich muss ehrlich sagen, ich hätte mir wahnsinnig schwer getan, jetzt innerhalb von 30 Minuten da jetzt was zu lesen, was wirklich so einen repräsentativen Querschnitt bildet. Der erste Text, das ist ein typischer Martin-Polyak-Text, muss ich sagen, und das erkennt man schon am Titel, über Grenzen und Ängste, ein Plädoyer für offene Arme. Das ist ein unveröffentlichter Text aus dem Jahr 2012, den ich auch nicht gekannt habe, den habe ich erst heuer in seinem Nachlass entdeckt. Da war plötzlich ein Konvolut von Burgenland-Texten da mit dem Arbeitstitel Mein Burgenland und er hat offenbar damals den Plan gehabt, ein Buch über das Burgenland zu schreiben. Warum das nichts geworden, dann nichts geworden ist, warum er das wieder verworfen hat, weiß ich nicht. Und Sie werden aber auch gleich merken, dass es in diesem Text nicht nur um das Burgenland geht, sondern das ist schon etwas allgemein österreichisches. Über Grenzen und Ängste, ein Plädoyer für offene Arme. Ich lebe in einer Grenzregion im Südburgenland. Von meinem am Rand der kleinen Ortschaft Boxdorf gelegenen Haus erreiche ich mit dem Auto in weniger als einer Stunde die Grenze nach Ungarn oder Slowenien, das kann ich mir aussuchen. Wenn ich einen Mäusebussard über meine Streuobstwiesen kreisen sehe, denke ich manchmal, der ist vielleicht aus Ungarn gekommen, ein gefiederter Grenzgänger oder besser Flieger. Allein der Gedanke daran macht mich froh. Die Grenznähe empfinde ich als Vorteil, beinahe als Luxus, obwohl ich weiß, dass manche, vielleicht sogar viele, diese Nähe eher als Bedrohung empfinden. Vor kurzem fuhr ich wieder an der ungarischen Grenze entlang. Die Dörfer lagen friedlich in der Aprilsonne, Inzenhof, Großmürbisch, Deutsch-Bieling, Moschendorf, Gas, Eberau, Deutsch-Schützen. Einige Orte haben Reste ihres panonischen Charakters bewahrt. Weißgekalkte, ebenerdige Häuser, die schmale Stirnfront zur Straße gewandt, hier und da noch ein Anger. Doch überall haben die Jahre des Wohlstands und einer missverstandenen Modernisierung sichtbare Spuren hinterlassen. In Großmürbisch war eine hagere alte Frau, gekleidet in Schwarz, damit beschäftigt, in ihrem Küchengarten Salatpflanzen zu setzen. Nach Ungarn sind es von hier nur ein paar Kilometer. Als ich sie nach Kontakten zu ungarischen Nachbarn fragte, wischte sie die erdigen Hände an der Schürze ab, dann schüttelte sie den Kopf. Ungarische Nachbarn? Mit denen hat sie nichts zu schaffen. ungarische Nachbarn, mit denen hat sie nichts zu schaffen. Früher hatte sie drüben Verwandtschaft, die hat sie nur selten gesehen wegen der Grenze. Jetzt gibt es keine Grenze mehr, sagen die Leute, aber für sie macht das keinen Unterschied. Sie fährt nie hinüber. Von drüben kommt nichts Gutes, nur schlechte Menschen, so schreibt die Zeitung. Angst und Bang wird ihr oft, wenn sie liest, was so alles passiert. Ähnliches bekam ich in anderen Ortschaften zu hören, in Deutsch-Spieling, in Eberau, in Deutsch-Schützen und nicht nur von alten Leuten. und nicht nur von alten Leuten. Da wird viel von Europa und Nachbarschaft geredet, aber um unsere Ängste kümmert sich keiner, sagte eine junge Frau in Moschendorf, die einen Kinderwagen vor sich her schob. Manchmal wünsche sie sich die Grenzkontrollen wieder zurück. Sind das ihre eigenen Gedanken oder redet sie bloß nach, was manche Zeitungen schreiben und Politiker einer einschlägigen Partei wie ein Mantra wiederholen? Natürlich ist diese von Bangigkeit und Vorurteilen getränkte Stimmung nicht nur im Südburgenland anzutreffen, sondern überall in Österreich. Ablehnung und Misstrauen gegenüber allem, was von drüben kommt. Und drüben bedeutet in diesem Zusammenhang im weitest vorstellbaren Sinn aus dem Osten. Schon als vor über 20 Jahren die Grenzen aufgingen, war viel von Gefahren die Rede, die eine Öffnung nach Osten mit sich bringe. In manchen Zeitungen wurden riesige Wellen von Arbeitssuchenden aus den wirtschaftlich desolaten postkommunistischen Ländern angekündigt, aus Polen, aus der zerfallenden Sowjetunion, vom Balkan herauf, die den saturierten Westen Österreich voran zu überrollen drohten. Ströme unerwünschter Ausländer, die unser Land überschwemmen und plündern, organisierte kriminelle Banden aus dem Osten, denen die Exekutive hilflos gegenübersteht. Wien, eine Stadt wird ausgeplündert, titelte vor einiger Zeit eine überregionale Tageszeitung, blündert, titelte vor einiger Zeit eine überregionale Tageszeitung, die bekannt ist für ihre seriöse und ruhige, um nicht zu sagen langweilige Berichterstattung. Schreckensbilder von wilden Scharen, die über die weit offen stehenden Grenzen zu uns strömen und uns die Arbeitsplätze streitig machen, wurden an die Wand gemalt. Jetzt ist es die Finanzkrise, die auch die Länder in der ärmeren Hälfte Europas getroffen hat und damit neue Ängste weckt. Der soziale Frieden in manchen Ländern Osteuropas scheint gefährdet. Schon wird von drohenden Unruhen berichtet. Dazu kommen faule Ostkredite, die unser Land in den Abgrund reißen könnten, wie kürzlich ein prominenter amerikanischer Wirtschaftsforscher warnte. Diese von Katastrophisten beschworenen Ängste und Befürchtungen von Überfremdung und Unsicherheit sind so alt wie das christliche Europa. sind so alt wie das christliche Europa. Schon immer hat man in unseren Breiten voll Bangen nach Osten gespäht und gelauscht, ob die Erde unter den zahllosen Hufen der Hunden, der Vandalen, der Türken, der Tataren oder auch der roten Kosaken zittert und dröhnt. Allesamt raubgierige Horden, die auf flinken Pferden wie eine verheerende Flut über die Grenze brechen und sengend und brennend Angst und Schrecken verbreitend durch die Lande ziehen. Diese Urangst scheint vielen Menschen, wenn auch unbewusst, noch heute in den Knochen zu sitzen. Wie sonst soll man sich erklären, dass es in unseren Gebieten, die früher zur ungarischen Reichshälfte der Doppelmonarchie gehörten, so schwierig ist, die Grenzen zu überwinden? Nicht die realen Grenzen, die spielen keine Rolle mehr, nein, die Grenzen in den Köpfen. Während der gefürchtete eiserne Vorhang mit seinen Stacheldrahtverhauen und anderen Hindernissen längst auf dem Misthaufen der Geschichte gelandet ist, scheinen die Grenzen in den Köpfen nach wie vor zu existieren. Zwischen dem Südburgenland, wo ich lebe, und den angrenzenden ungarischen und slowenischen Regionen gibt es jedenfalls keinen regen Austausch. Die Gebiete wachsen nicht zusammen, obwohl sie historisch miteinander verbunden sind. Aber die historischen Fäden, die uns mit drüben verbanden, wurden vor langer Zeit abgeschnitten. Neue werden nur zögerlich geknöpft. Wenn nicht in diesen Tagen alte Straßen, die bis 1989 gesperrt waren, wieder geöffnet werden sollen, regen sich auf österreichischer Seite regelmäßig Widerstände und Proteste. Von so viel Öffnung wollen viele Grenzbewohner lieber nichts wissen. Längst sind es nicht mehr ausschließlich rechte Politiker und die Blätter des Boulevards, die sich aus dieser Horrorkiste bedienen. Einst verpönte rechte Parolen werden inzwischen von Politikern fast aller Lager scheinbar bedenkenlos verwendet und sind Teil des Mainstream-Diskurses. Diese Entwicklung ist kein österreichisches Phänomen, sie ist auch anderswo zu beobachten, in Deutschland ebenso wie in Italien oder Frankreich, in Holland wie in Dänemark. Aber was die Sorgen und Ängste angeht, sind wir wohl ein besonders furchtsamer Menschenschlag. Diese diffusen Ängste sind der Boden, auf dem die Skepsis gegenüber Europa wuchert. Dabei kann niemand bestreiten, dass Österreich vom vereinten Europa viel profitiert hat, nicht zuletzt wirtschaftlich. Als ich so die Grenze entlangfuhr, dachte ich an die Ereignisse im Jahr 1989 zurück. An das Treffen der Außenminister Ungarns und Österreichs, die gemeinsam mit großen Scheren den Stacheldraht durchschnitten. Dass der befestigte Zaun entlang der Grenze damals eigentlich nicht mehr existierte, änderte nichts am so symbolträchtigen wie medienwirksamen Charakter der Aktion. Ich erinnere mich an eigene Erlebnisse in Warschau, Bratislava und Prag. In Prag hatte ich im April 1989 an einer Hauswand eine mit schwarzer Farbe hingemalte Aufschrift gesehen, die ich in mein Notizbuch schrieb. Ich sage es jetzt nur auf Deutsch zur Sicherheit. Unsere Träume sind eure Albträume. Natürlich war das an die kommunistischen Politiker gerichtet, die nun vom Sturm der Zeit hinweggefegt wurden. Aber schon damals kam mir in den Sinn, dass dieser Satz auch das Verhältnis der Bewohner der ehemaligen kommunistischen Länder zu uns, den Bewohnern der wohlhabenden Hälfte Europas, charakterisierte. Die Träume der meisten Bürgerinnen und Bürger dieser Länder, endlich frei und ungehindert in den sogenannten Westen reisen zu können, bereiteten vielen Menschen hierzulande Albträume. An unseren Grenzen treffen verschiedene Kulturen und Sprachen aufeinander, die einander überlappen und wechselseitig beeinflussen. Das hat in der Geschichte spannende Ergebnisse hervorgebracht, von denen wir heute noch profitieren. In dieser Hinsicht sind Grenzlandschaften in der Regel reicher, jedenfalls vielfältiger als andere, die im Inneren eines Landes liegen. Das trifft auch aufs Grenzneiburgenland zu. Wäre es nicht an der Zeit, die Grenze, den gemeinsamen Grenzraum endlich anders zu begreifen, als Ort der Begegnung, des gegenseitigen Kennenlernens, des gegenseitigen Verstehens? Diese Chance sollten wir nützen und uns bemühen, möglichst viel daraus zu machen. Da haben wir einen Pfund, mit dem es zu wuchern gilt. Wichtig dabei ist es, dem anderen, der unser Nachbar ist, möglichst offen zu begegnen, mit freundlicher Begierde und offenen Armen, ohne Misstrauen und arg. Und unbedingt auf Augenhöhe. Das macht es auch leichter, die alten, tief in unserem Inneren sitzenden Ängste zu überwinden. Wie ich diesen Text zum ersten Mal gelesen habe, war das für mich ein Déjà-vu-Erlebnis, weil ich war im Frühjahr 2004, als gerade die EU-Osterweiterung vollzogen wurde, bei Martin Pollack im Burgenland. Das war am 1. Mai 2004. Und wir sind an diesem 1. Mai durch Südburgenland gefahren, sind die Orte so an der Grenze abgefahren, weil wir dachten, da muss ja etwas los sein. Da würde jetzt die neue Nachbarschaft gefeiert, dass es keine trennende Grenze mehr gibt und so weiter. Da war nichts. Wir sind durch Ortschaften gefahren, die waren regelrecht menschenleert. Also die Leute müssen zu Hause in ihren Häusern gesessen sein, da wurde nicht gefeiert. Das war irgendwie deprimierend, muss ich sagen. Und ich glaube, ich fürchte, an diesem Zustand hat sich bis heute noch nicht viel geändert. So, der zweite Text, da erleben wir Martin Pollack von einer ganz persönlichen Seite, Linz, Erinnerungen an den Bauernberg in Linz, Erinnerungen an seine Volksschulzeit, an seinen täglichen Schulweg beziehungsweise an die künstlichen Verzögerungen dieses Schulweges. Und diesen Text hat er 2019 geschrieben. Wenn ich an meine Heimatstadt Linz denke, was in letzter Zeit immer öfter der Fall ist, an meine Heimatstadt Linz denke, was in letzter Zeit immer öfter der Fall ist, kommen mir regelmäßig meine Volksschulzeit und mein Lehrer in den Sinn, der mich von der zweiten bis zur vierten Klasse unterrichtete. Er hieß Wilhelm Huber und war ein ruhiger, sanftmütiger Mensch, der nie die Stimme erhob, nicht einmal, wenn er mich beim Raufen erwischte, was nicht selten vorkam, denn ich war ein Raufer, ein regelrechter Raufbold, das sagte der Lehrer Huber zu meiner Mutter, die dann nur unbekümmert nickte. Sie hatte sich so etwas Ähnliches erwartet. Doch Pater Huber, er war ein Geistlicher, die Volksschule wurde von Patres geführt, Huber, er war ein Geistlicher, die Volksschule wurde von Patres geführt, tadelte mich mit so viel Güte in der Stimme, dass ich für eine Weile in mich ging und Wohlverhalten an den Tag legte, was jedoch nie lange anhielt. Meiner Erinnerung nach war Pater Huber rothaarig, sehr jung und sehr schüchtern, jedenfalls, wenn er mit meiner Mutter sprach, was mich jedes Mal in Erstaunen versetzte. Es gab noch einen Zweiten in meiner Klasse, der ähnlich geartet, um nicht zu sagen, missraten war wie ich. Er hieß, wenn ich mich recht erinnere, Manfred Leutgeb. Seine Eltern besaßen eine Fleischhauerei nicht weit von der Schule entfernt, ebenfalls in der Stifterstraße gelegen. Leutgeb und ich waren dicke Freunde, wie es sich für zwei Raufbolde gehört. Manchmal brachte er mir eine Wurst- oder Leberkäsesemmel mit in die Schule, damals eine kostbare Rarität, was ich schon die Generation meines Sohnes nicht mehr vorstellen kann. Ich hatte noch eine zweite, unselige Angewohnheit, die meinen Lehrer und auch meine Mutter zur Verzweiflung brachte. Ich war ein ungemein verträumtes, vertrödeltes Kind, das sich unter anderem darin äußerte, dass ich von der Schule nach Hause, ein Fußweg von 15 bis 20 Minuten, eine Stunde und länger brauchte. Ich begleitete Schulkollegen nach Hause, die ganz woanders wohnten, streifte dann lang durch den großen Park, der mein Zuhause von der Schule trennte, machte auch dort wieder Umwege, die einige Zeit beanspruchten, steuerte, wenn ich mich unbeobachtet wähnte, die Statue der Aphrodite an, die in dem Park stand, eine schöne, nackte junge Frau in Bronze, die ich dann von allen Seiten betrachtete. Die Aphrodite war ein Geschenk Hitlers an seine Patenstadt Linz, was ich freilich erst Jahre später erfuhr. Aufgrund der zahlreichen Ab- und Umwege traf ich häufig erst lang nach dem Mittagessen zu Hause ein, das trug mir naturgemäß heftige Schelte ein. Manchmal wurde sogar jemand ausgeschickt, um nach mir zu suchen. Manchmal wurde sogar jemand ausgeschickt, um nach mir zu suchen. Auch auf dem Weg zur Schule war die Versuchung groß, nicht den direkten Weg zu wählen, sondern einen viel längeren, der zahlreiche Unterbrechungen nötig machte, um dieses oder jenes genauer zu inspizieren. Eine Weinbergschnecke, die über dem Gehsteck kroch, ein Vogelei, das ich in einem Gebüsch entdeckte und natürlich mitnehmen musste. Manchmal trödelte ich auch einfach so vor mich hin, ohne bestimmtes Ziel. Auch meine Angewohnheit, alles, was auf der Straße lag, aufzuheben und in die Taschen zu stecken, rostige Nägel, andere undefinierbare Eisenstücke, Schneckengehäuse oder tote Käfer, beanspruchte natürlich Zeit. Die Folge war, dass ich auch in die Schule regelmäßig zu spät kam, viel zu spät. Mein Lehrer, dieser herzensgute, sanfte, junge Mann, rügte mich nur in Ausnahmefällen. Doch wenn ich wieder dreimal hintereinander zu spät in die Schule gekommen war, und das jeweils eine halbe Stunde und mehr, dann riss sogar diesem Engel in Menschengestalt der Faden und er schimpfte mit mir. Aber nicht wütend und laut, sondern gedämpft, beinahe mild. Sogar ich merkte, dass ihm das selber mindestens so unangenehm war wie mir, weshalb ich in solchen Momenten innerlich Besserung gelobte ihm gegenüber sowieso, doch die hielt nie lange an. Ich war ein ziemlich verstocktes Kind und hatte ein dickes Fell. Meist versuchte ich, das zu spät kommen, irgendwie zu erklären und tischte in meiner Not nicht sonderlich glaubwürdige Geschichten auf. Meiner Fantasie waren keine Grenzen gesetzt. Und ich schreckte auch nicht davor, zurück dem armen Lehrer Huber faustdicke Lügen aufzutischen, die sich auf der Stelle selber entlarvten. So durchsichtig und plump waren sie gestrickt. Einmal hatte unser Haus zu brennen begonnen, als ich gerade losziehen wollte. Dann hatte ein anderer Unglücksfall mein rechtzeitiges Weggehen verhindert. Auf jeden Fall war ich schuldlos. Ich konnte nichts dafür. Da mein Bruder dieselbe Volksschule besuchte, war es ein leichtes, meine Lügen aufzudecken, was meine Lage natürlich nicht besser machte. Ich erinnere mich, dass ich dem Lehrer Huber einmal erzählte, auf dem Weg zur Schule habe mir ein kapitaler Rehbock aufgelauert, der mich wutschnaubend quer durch die Anlagen jagte. Ich sah ihm nur mit Mühe und Not enttronnen, was einen gehörigen Zeitverlust mit sich brachte. Er hörte sich die Rehbock-Geschichte ungerührt an, dann sagte er kurz und kühl, er habe noch nie gehört, dass es am Bauernberg Rehe gebe, geschweige denn Rehböcke. Darauf strafte er mich mit einem vernichtenden Blick und wandte mir den Rücken zu. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken, den immer freundlichen Mann so schamlos anzulügen. Ein Raufer und Stravanzer und dazu noch ein Lügner. Lehrer Huber setzte sich manchmal mit meiner Mutter zusammen, um einen Weg zu finden, wie man mich von meiner Stravanzerei abbringen könnte. Manchmal berieten sie in meiner Anwesenheit, was nicht sehr angenehm war. Ich erinnere mich, wie Lehrer Huber einmal mit einem milden Blick in meine Richtung sagte, ich sei gewiss kein böses Kind, aber ich hätte nun einmal sehr viel Fantasie und dazu sei ich ein rechter Zigeuner und diesem Herumzigeunern müsse irgendwie Einhalt geboten werden, so könne es jedenfalls nicht weitergehen. Meine Mutter schaute sorgenvoll drein und ich stand stumm wie ein Stock vor den beiden. Am liebsten wäre ich auf der Stelle gestorben. Das Wort Zigeuner hatte damals übrigens noch nicht den üblen Beiklang wie heute, sonst hätte der sanfte und grundgütige Pater Huber es nie in den Mund genommen. Am Ende fanden sie schließlich eine Lösung. Ich bekam ein kleines Heftchen, in dem zu Hause eingetragen wurde, wann ich wegging. Dann musste ich dem Lehrer Huber vorlegen, der meine Ankunftszeit notierte und nach der Schule wieder einschrieb, wann er mich nach Hause entlassen hatte. So war zumindest meinen plumpen Lügen ein Riegel vorgeschoben. Ob ich durch diese Kontrollmaßnahme meine notorische Stravanzerei wirklich einstellte, weiß ich nicht mehr. Ich nehme es jedenfalls an. Es gab da noch etwas anderes, von dem weder meine Mutter noch Pater Huber eine Ahnung hatten. Ich habe es selber lange verdrängt oder vielleicht auch schlicht vergessen, oder vielleicht auch schlicht vergessen, bis ich mich vor kurzem wieder daran erinnerte. Es hatte, so glaube ich, mich zu erinnern, mit meinem Freund Leutgöb zu tun. Manchmal beschlossen wir in der großen Pause, die wir herumtollend im Schulhof verbrachten, für die Zeit nach dem Unterricht einen Kriegszug gegen Mädchen. Warum gegen Mädchen? Das weiß ich nicht mehr. Die Mädchen hatten uns nie etwas angetan. Wir waren eine reine Bubenschule und hatten wenig Kontakt zu Mädchen, außer vielleicht zu Hause. Gehen wir Menschen jagen? Gehen wir Mädchen jagen? Lautete die grimmige Devise, mit der wir uns auf die Jagd machten. Doch ich kann mich nicht erinnern, dass wir den Vorsatz je in die Tat umgesetzt hätten. Es blieb stets bei der Drohung. Woran es lag, dass wir nie wirklich Mädchen jagten, vermag ich heute nicht mehr zu sagen. Ich weiß auch nicht, was wir mit den gejagten Mädchen angestellt hätten, aber diese Frage stellte sich ohnehin nicht. Möglich, dass sich in dem Moment, da wir aus dem Schultor stürmten, nie ein geeignetes Opfer in Gestalt eines ungefähr gleichaltrigen Mädchens in der Stifterstraße blicken ließ. Doch selbst wenn wir hin und wieder ein Mädchen erspähten, ließen wir es ungeschoren passieren, was uns nicht daran hinderte, ein paar Tage später wieder denselben leeren Kriegsruf auszustoßen. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir je Mädchen drangsaliert hätten. Möglicherweise lag das nicht zuletzt daran, dass wir nicht sicher sein konnten, wie so eine Jagd ausgehen würde. Würden sich die Mädchen so einfach jagen lassen oder würden sie den Spieß umdrehen und die Jäger ihrerseits aufmischen, dass ihnen Hören und Sehen verging? Ich hatte einmal eine leidvolle Erfahrung in dieser Richtung gemacht, die ich wohlweislich für mich behielt. Nicht einmal meinem Freund Leutköb habe ich davon erzählt. Es geschah in dem Park, den ich auf dem Weg zur Schule und zurück durchquerte. Eines Tages begegnete ich dort zwei Mädchen, eines ungefähr in meinem Alter, das andere ein wenig jünger. Das ältere Mädchen hatte zwei lange blonde Zöpfe. Ich weiß nicht mehr, was in mich gefahren war, jedenfalls packte ich ihm vorbeigehend das Mädchen an einem der Zöpfe und zog heftig daran. Mehr hatte ich nicht gebraucht. Das Opfer wandte sich blitzschnell um und verpasste mir eine mächtige Ohrfeige, der auf der Stelle eine zweite folgte, eine links und eine rechts. Meine Wangen brannten und die Augen tränten. Aber schlimmer noch, was für eine Schande, von einem Mädchen geohrfeigt zu werden. Ich musste mich zusammenreißen, um vor den beiden Mädchen nicht in Tränen auszubrechen. Aber ein deutscher Junge weint nicht, hatte mir meine Großmutter immer eingebläut. Also überlegte ich kurz, ob ich mich auf eine Rauferei einlassen sollte, um die Schmach zu rächen. Doch ihr eisiger Blick und die zornig gezischten Worte, das Ja nicht noch einmal zu versuchen, hielten mich ab. Ich wählte die Flucht. Noch bevor ich entfleuchen konnte, versetzte mir das kleinere Mädchen einen Spitz in den Hintern. Als ich beschämt und restlos gedemütigt davonrannte, schickten die beiden mir ein fröhliches Lachen hinterher, das mehr schmerzte als die Ohrfeigen und der Spitz. Zurück zu meinem geliebten Lehrer Huber, den ich mit wachsender zeitlicher Entfernung in einem immer rosigeren Licht sehe. Er war tatsächlich eine Seele von einem Menschen und ich werfe mir heute vor, dass ich ihn später nie mehr besucht habe. Heute frage ich mich manchmal, was er wohl von mir und meiner Familie gedacht haben mag. In meinen Augen waren wir eine ganz gewöhnliche Familie, ohne jegliche Besonderheiten. Aber schon mein Eintritt in die Volksschule war ein wenig ungewöhnlich. Ich ging mit meiner Mutter zum Direktor, um eingeschrieben zu werden. Auch der Direktor, ich glaube, er hieß Hildebrandt, war ein Pater, doch um einiges älter als Wilhelm Huber. Er zog ein Formular heraus und begann, es auszufüllen. Name, Vorname, Geburtsdatum, Adresse, Name der Eltern. Dann kam er zur Religion. Er wartete nicht auf die Antwort meiner Mutter, sondern wollte schon gleichsam automatisch römisch-katholisch eintragen. Immerhin war die Schule dem bischöflichen Lehrerseminar angegliedert. Nein, sagte meine Mutter ehrlich, jedoch nicht besonders klug, wir sind gottgläubig. Der Direktor schaute sie an und sagte, es tut mir leid, gnädige Frau, aber bei uns geht das nicht. Wir nehmen nur katholische Kinder. Natürlich wusste er sehr gut, was gottgläubig in diesem Zusammenhang, in dieser Zeit, das war 1950, bedeutete. Gottgläubig waren die Nazis, die überzeugten Nazis. Die meisten anderen, die Mitläufer und Wendehälse, hatten sich längst den neuen Verhältnissen angepasst, wir nicht. Ich glaube, dass das keine Frage der Überzeugung war, sondern eher ein Ausdruck der Weigerung, gewisse politische Entwicklungen zur Kenntnis zu nehmen. Meine Mutter war nicht sonderlich politisch, aber sie war verhaftet im alten System, das sie vermutlich nie wirklich in Frage gestellt hat. Ich weiß noch, wie sie einmal bei uns im Garten, wir waren allein, plötzlich aus heiterem Himmel zu singen begann, als wäre das das Normalste auf der Welt. Hey, Barbariba, die Nazis kommen wieder. Da war ich 13 oder 14 Jahre alt. Ich wusste also bereits, was das zu bedeuten hatte. Von dieser Seite meiner Familie hatte Lehrer Huber keine Ahnung. Oder vielleicht doch? Hat er von meiner Gottgläubigkeit erfahren? Wusste er, dass mein leiblicher Vater Gestapo-Chef von Linz gewesen war, der vielleicht Glaubensbrüder von Pater Huber hatte einsperren oder ins KZ schicken lassen? Ich kenne Dokumente von meinem Vater unterschrieben, wo es um die Konfiskation von Ordenseigentum in Oberösterreich geht. Mein leiblicher Vater war längst tot, aber das Milieu war noch intakt. Das bewiesen Freunde und Bekannte, die uns auf dem Bauernberg in Linz besuchten. Da war ein großgewachsener, schlanker Mann, offenbar ein guter Freund der Eltern, der manchmal aus Deutschland kam und ein paar Tage bei uns wohnte. Sein Name war anfangs ein Geheimnis. Ich weiß noch, dass wir ihn in der ersten Zeit überhaupt nicht beim Namen nennen sollten. Er hieß für uns nur Hiha. Mir war es egal, wie er hieß. Er war ungeheuer eitel und von sich eingenommen. Das ließ ihn mir nicht sympathisch erscheinen. In späteren Jahren bekam er plötzlich einen Namen und hieß Peter Langer. Er arbeitete bei einem bekannten deutschen Schulbuchverlag und brachte uns Kindern manchmal Bücher mit. Erst viel später erfuhr ich, dass er in Wahrheit Viktor Nageler hieß und mit meinem leiblichen Vater in der Slowakei zusammengearbeitet hatte, wo er gegen Kriegsende als Berater der faschistischen Linker Garde und als ihr Verbindungsmann zur SS tätig gewesen war. SS-Obersturmbannführer Viktor Nagela. Als ich in der Slowakei über meinen Vater recherchierte, erfuhr ich, dass Nagela nach wie vor auf einer Fahndungsliste stand. Ihm drohte die Todesstrafe. Da war er längst tot. Ich informierte die slowakischen Historiker, die sichtbar erleichtert waren, den Fall ad acta legen zu können. waren, den Fall ad acta legen zu können. Ein guter Freund unserer Familie. Bei seinen Reisen nach Österreich, auch in den kleinen Heimatort in Unterkernten, brauchte er keine Angst vor den Behörden zu haben. Bei Naziverbrechern schauten sie gerne weg. Nageler starb in Deutschland unter falschem Namen. Ich gehe davon aus, dass man in dem Schulbuchverlag, der im Unterschlupf bot, ziemlich genau wusste, wer hinter dem biederen Namen Peter Langer steckte. Diese obskure Seite unserer Familie blieb meinem Lehrer Wilhelm Huber vermutlich fremd. Er hat sich das wohl nicht einmal vorstellen können. Von der düsteren Vergangenheit, die damals gerade einmal fünf bis zehn Jahre zurücklag und überall deutlich sichtbare Spuren hinterlassen hatte, wurde in jenen Jahren wenig geredet und viel geschwiegen. Wir Kinder bekamen überhaupt nichts mit. Ich erfuhr nicht einmal, dass mein leiblicher Vater, der SS-Sturmbahnführer Gerhard Bast, 1947 auf der Flucht ermordet worden war? Oder war der Lehrer Huber mir gegenüber deshalb so nachsichtig und sanft, weil er etwas von meiner Familiengeschichte wusste? Ich kann es nicht sagen, weil ich in späteren Jahren nie den Kontakt zu ihm gesucht hatte, obwohl er für mich immer irgendwie gegenwärtig war. obwohl er für mich immer irgendwie gegenwärtig war. Wilhelm Huber, ein sanfter, guter Mensch, der ein wenig aus der Zeit gefallen wirkte. Dankeschön. Thank you. Die wir eines Tages gefunden haben, sind so weit herausgeschaut aus der Erde, nur diese Spitze. Dann hab ich angezogen und hab die Gabel geputzt so. Und die war ganz sauber, ohne jeden Rost, ohne irgendetwas. Und dann hab ich die betrachtet und seh dann einen Stempel Waffen-SS. Für mich war das insofern ein bisschen bedrückend, weil immerhin mein Vater bei der SS war. Und ich finde dann, ausgeendet in meinem Gemüsegarten, eine Gabel von der SS. Kein Mensch weiß, warum der Bauer, dem das Haus gehört hat, von dem ich das gekauft habe, warum er diese SS-Gabel aufgehoben hat. Das war wahnsinnig gefährlich. Wir sind eine Tätergeneration. Wir sind die Nachfahren von Tätern. Dem müssen wir in die Augen blicken. Und das müssen wir erzählen. Darüber müssen wir schreiben. S blicken. Und das müssen wir erzählen, darüber müssen wir schreiben. Sonst wird das nie vergehen. Meine Großeltern, väterlicherseits, waren beides Nationalsozialisten, so wie mein Vater und überhaupt meine gesamte Familie väterlicherseits. Und die haben mich zu einem guten Teil großgezogen. Es war ihr Wunsch, dass ich genauso werde wie mein Vater. Seine sache Sonne, wie sie sich an den Tag verliebt hat. Dass ich tapfer war, dass ich schneidig war, dass ich nicht geweint habe, dass ich keinen Schmerz gespürt habe. Wenn die Mane steinen mag. Wenn sie mal nicht einen hat. Also ich war sozusagen ein illegitimes Kind. Wie ich zur Welt kam, 1944, im Mai 1944, war ich noch mit dem Pollack verheiratet. So kommt es auch, dass in allen meinen Papieren immer der Pollack steht und nicht der Bast. Ich habe mich dann langsam von ihnen distanziert, von dieser Ideologie. Das war schon in der Schulzeit. Da war ich glaube ich 14. Ich bin in eine sehr demokratische Schule gegangen. Meine Mutter hat mir damals zum ersten Mal gesagt, dass er bei der SS war, Offizier der SS und Gestapo. Er war relativ hochgestellt in der Hierarchie, wurde auch ausgezeichnet vom slowakischen Staat, vom Tisza. Das war für mich auch eine schreckliche Erkenntnis, weil er war 21 Jahre vor mir auch im Warsch. Also ich bin dort hingegangen, um polnische Literatur zu studieren. Und er ist hingegangen, um Polen zu ermorden und Juden zu ermorden. Kulm zu ermorden und Jung zu ermorden. Dann wurde seine Gruppe, dieser Sonderkommando 7a der Einsatzgruppe, wurde abgeordnet in die Slowakei zur Niederschlagung des slowakischen Aufstandes. Dass ich sozusagen mit einem Geist kämpfen musste, einem Phänomen, das ich aber nicht wirklich näher gekannt habe. Aber ich habe mir ziemlich lange Zeit gelassen. Das Buch über meinen Vater ist erschienen, da war ich 60. Das ist extrem schwierig, wenn man dem Menschen nicht gegenübersteht. Ich konnte mich nicht damit konfrontieren. Ich konnte nicht sagen, ja aber warum hast du diese Grenze überschritten? Mal som to šťastie stať sa slovenským hlasom Martina Polacha. Preložil som tri jeho knižky. Začal písať ešte v osemdesiatych rokoch reportáže pre magazín Špígl. On je jeden z najväčších stvoriteľov mostov medzi západom a východom. Tie fragmenty tej minulosti presakujú do súčasnosti. A to sa on svojim písaním pokúša uchopiť. Mňa to veľmi inšpirovalo a aj keď som tie knižky prekladal, tak som mal vyslovne túžbu vyraziť na Donovali, na Bully, do Rúžomberka. Skontrolovať si to, overiť si to, ale aj si to predsítiť podobne, ako to vnímal on, keď to písal v Nemčine. Ďakujem ťa. Čau, čau. Ďakujem, že si si našiel čas. Pozri, tu máš tú knihu. Ďakujem pekne. Slovanské vydanie Smrť bunkry. Ja som čítal to pôvodné anglické, lebo tá kniha ma zaujímala jednak ako historika a tak isto aj cez príbeh mojej vzdialenej rodiny. Základný výsledok Základný výsledok Základný výsledok Základný výsledok Základný výsledok Základný výsledok Základný výsledok Základný výsledok Základný výsledok Základný výsledok Základný výsledok V letu 1944 mali ľudia na Slovensku už vojny plné zuby. Ja som čítal dokumenty z jednoduchých regionov, kde sa hovorilo o tom, že ľudia si želajú, aby vojna už čo najskôr skončila, nech už skončí akokoľvek a hlavne nech sa vyhne ich okresu, ich obci. nech sa vyhne ich okresu, ich obci. Do toho vypuklo Slovenské národné postanie 29. augusta 1944 ako reakcia na nemeckú okupáciu. Hlavným politickým cieľom SMP bolo obnovenie Československa, zvrhnutie moci hlinkovej slovenskej hodovej strany a nastolenie pomerov tzv. regulované demokracie. Martin Pollack aj v tejto budove rešeršoval pre svoju knihu, a to preto, že jeho biologický otec Gerhard Bast bol jeden z tých Nemcov, ktorí prišli ako brutálna nemecká odpoveď vypoknutie Slovenského národného povstania. Výstup Nech sa páči, tak toto je náš najväčší repozitár. Idemme. Toto je na kúričku. Tu by to mohol byť. Nech sa páči, páni, tak si študujte, ja vás umiechám. Ďakujeme. Príslušníci nacistickej bezpečnostnej policie pod klicímenom Sonderkommando do 29. októbra 1944 do februára 1945 zavraždili aj zako 190 účastníkov SNP a osob rasové prenasledovaných. Konečné vyriešenie židovskej otázky na Slovensku. Menovite týto príslušníci, Sonderkommanda a ďalší, doktor Gerhard Bas, ako prvý je to napísaný, Polakov otec, SS-Sturmbannführer, narodený 12.1.111, šéf Sonderkommanda v Ružomberku, reklírum zátajná policia, štáts-policejštel Linz Donal. Ako je vôbec možné, že máme tieto presné menné zoznamy tých ľudí, že všetci, to sú vlastne všetko Niemci od Basta po Winklera? Je zaujímavé, že tieto menné zoznamy sa nám paradoxi na rozdiel od príslušníkov domácich pohotovostných oddielov Lincovej gardy zachovali v mnohých prípadoch, a to je prípad s Onderkommanda 7a. A vieme napríklad, že či vôbec niekto z týchto páchateľov bol niekedy potrestaný po vojne? Existovali iniciatívy z nemeckej spolkovej republike, ich postaviť pred súd a potrestať, ale kolegovia, ktorí robili tieto výskumy, tak zistili, že potrestený napokoj nebol nikto. Takže ušli z pravdlivosti za všetky zločiny, ktoré spáchali na území Slovenska. To bol pre mňa prvý moment, ktorý som videl všetky obchybenia môjho pána. Und das war für mich der erste Moment, wo ich wirklich Opfer meines Vaters sozusagen gesehen habe. Alles andere war irgendwo in der Recherche, okay, da wurden Menschen ermordet, die hatten aber selten Namen, die wurden dann irgendwo verscharrt, vielleicht exhumiert, aber da gab es keine Bilder. Und für mich sind Bilder extrem wichtig. Und ich erinnere mich sehr gut an diesen Moment, ich bin da durch dieses Museum des Aufstands gegangen und da stand ich plötzlich vor diesem Foto. Musik Musik Musik Musik Musik Musik Musik Musik Musik Musik Musik Musik Musik Musik Ja, das ist jetzt ein jäher Schnitt von dem, was wir gesehen haben, womit sich Martin Pollack konfrontiert hat. Zu den Fragen, die wir jetzt abschließend vielleicht noch besprechen wollen, mit zwei Menschen, die Martin Pollack sehr gut und auf unterschiedliche Weise gekannt haben. Die Frage sozusagen, wer war Martin Pollack, wer war dieser Mann, dem es gelungen ist, sich auf diese Art und Weise mit seiner Herkunftsgeschichte zu beschäftigen, diese Herkunftsgeschichte zu beschäftigen, diese Herkunftsgeschichte überhaupt erst herzustellen und dabei eben auch den Mut nicht und den Glauben nicht zu verlieren, dass es Sinn hat, sich dieser Frage zu stellen, dass es Sinn hat, gegen das Vergessen anzuschreiben. Ich möchte jetzt vielleicht doch einleitend Martin Pollack so ein bisschen aus meiner eigenen Erinnerung schildern. Er war für mich in den Zusammenhängen, in denen wir miteinander zu tun hatten, ein besonders reflektierter Gesprächspartner, der sich sehr genau überlegt hat, was er sagt und wie er es sagt, der in seiner Unbestechlichkeit und auch in gewisser Weise Radikalität gleichzeitig ungewöhnlich höflich war. Also das, was wir heute über den Pater Wilhelm Huber gehört haben, das wäre vielleicht etwas, der Willem Huber gehört haben, das wäre vielleicht etwas, was ich auch über ihn sagen könnte, dass er sehr geduldig und sehr sanftmütig war. Er hat auf eine sehr unprätentiöse Art Details erzählen können, auch aus der eigenen Biografie, immer in einer sehr angemessenen Form und auch wenn das jetzt nach diesem letzten Bild, mit dem wir den Cut beim Film gesehen haben, vielleicht auch wieder ein jeher Bruch ist, Martin Pollack hatte auch etwas sehr ermutigendes in seiner Heiterkeit. Er hat, wie gesagt, den Erinnerungen, die ich mit mir trage, nie etwas beschönigt, aber er hat Dinge so erzählen können, dass man sie gut aushalten konnte und dass man oft auch lachen konnte. Das heute schon kurz erwähnte Gespräch im Café Bräunerhof im vergangenen November, da war Martin Pollack sichtlich schon geschwächt und er hat uns mit Anekdoten auch zum Buch, zum Lachen gebracht und gelegentlich hat er gesagt, ihr habt es leicht lachen. und gelegentlich hat er gesagt, ihr habt es leicht lachen. Also diese Balance, den Dingen ins Auge zu sehen und gleichzeitig nicht zu verzagen, das ist sozusagen das, was ich von Martin Pollack sehr stark erinnere und was ich sehr schön finde. Nun ist das aber sozusagen nur eine Miniatur und hier sitzen zwei Herren, die Martin Pollack auf eine ganz andere und sehr lange und sehr tiefe Art begegnet sind. Wer war Martin Pollack? Wer war Martin Pollack für Sie, Michael Worecki, und wer war er für dich, Gerd? Alvorezki und wer war er für dich, Gerhard? Darf ich bitte? Guten Abend, danke für die liebevolle Einladung hier. Ich hatte wirklich Glück, dass ich als Übersetzer auch den Autor miterleben durfte und dass ich auch meine Übersetzungen mit ihm diskutieren durfte. Und er war immer ein sehr offener Selberübersetzer. Er war ja auch als Übersetzer aus dem Polnischen, auch aus anderen osteuropäischen Sprachen, auch unglaublich wirklich wirksam und hat unzählige Bücher übertragen und viele Autoren wie Richard Kapuscinski und zahlreiche anderen dem deutschsprachigen Publikum überhaupt das erste Mal vorgestellt. Und ich habe drei Bücher von ihm übersetzt. Ich hoffe, nur erst mal drei. Vielleicht schaffe ich da noch mehr in der Zukunft. Und er kam dann halt schon mit dem ersten Buch, Kaiser von Amerika, kam er dann auch in die Slowakei. Und wir haben mehrere Veranstaltungen, auch sogar kleine Lesereisen gemeinsam durchgeführt. Und das waren für mich sehr überraschende, unglaublich authentische Begegnungen mit ihm. Weil ich habe sofort gemerkt, dass er mit seinen Themen, mit seiner Art und Weise, wie er mit dem Publikum spricht, inzwischen damals waren das nur zwei, aber mit einem wirklichen Gespür für Reportageliteratur. Es war ein Verlag spezialisiert auf diese Art von Texten, die auch Martin verfasst hat und sehr geschätzt hat. Und da kam sofort so eine sehr gute Stimmung zusammen. Das war eine beidseitige Begeisterung und er war auch ein Brückenbauer. Also man muss auch sagen, in seiner Generation war er vielleicht mit Karl Markus Gauss, mit Christoph Ransmeier einer der ganz wenigen aus Österreich oder aus Deutschland, die sich so intensiv mit Osteuropa auseinandergesetzt haben, die so auch tatsächlich so viele Autorinnen kannten und die dann auch eher mit seinen Moderationen, mit seinen eigenen Formaten in Wien, in Berlin, bei Frankfurter, bei Leipziger Buchmesse hat er immer wieder auf unterschiedlichste Art und Weise diese Literatur aus dem Osten im Westen präsentiert. Und für mich war dann halt sozusagen in die andere Richtung die Gelegenheit da, seine Arbeit dem slowakischen Publikum vorzustellen. Und weil seine Inhalte auch im Kaiser von Amerika, das Buch beginnt ja in Brutovce, auch im Kaiser von Amerika, das Buch beginnt ja in Brutovce, das ist ein kleiner Ort, eine Gemeinde in der Ost-Slowakei, eine winzige Gemeinde bis heute, die habe ich dann auch besucht im Rahmen einer Sommerreise und selbstverständlich Tote im Bunker, es spielt ja in der Slowakei teilweise, weil sein Vater Gerhard Bast war ja dann halt als SS-Mann in Niederre Tatra, in Liptau. Und wir waren mit dem Film dann auch wieder auf Spurensuche mit dem Buch. Und das war auch für das slowakische Publikum, für die Leserschaft eine echte Überraschung, dass sich ein Österreicher so intensiv mit unserem Land beschäftigt und gerade auch diese sehr schwierigen Themen anspricht. Und dann gab es sogar eine Besprechung, die das, glaube ich, so sehr gut beschrieben hat. Er leistet die Arbeit, die wir eigentlich selber leisten sollen. Weil bei uns ist diese Auseinandersetzung, weil wir hatten ja unseren eigenen slowakischen Faschismus. Slowakischer Faschismus war, unser Nationalsozialismus war katholisch. Man sprach auch von einem Klerofaschismus, weil unser faschistischer Präsident Josef Tissot, von dem war auch die Rede in der Kunst und Ausschnitt aus der Doku, er war ja katholischer Priester. ein Ausschnitt aus der Doku, er war ja katholischer Priester. Das heißt, die slowakische faschistische Partei war zur Hälfte, die Mitglieder waren katholische Priester. Das heißt, da gab es noch eine andere Stufe dieser Geschichte. Und man muss auch sagen, die ist deutlich weniger aufgearbeitet, als man das aus Österreich oder aus Westdeutschland kennt. Und da kam Martin Pollack und hat das auf seiner persönlichen Erfahrung, auf seiner persönlichen Ebene halt mit der Familiengeschichte sehr deutlich gemacht, was das so ist und wie kann man sich persönlich dem gegenstellen. Und da gab es viele Interviews mit ihm in der Presse, er war mehrmals im Fernsehen, auch im Radio. Und wir waren dann halt länger als zehn Jahre immer wieder unterwegs in der Slowakei und haben wirklich viel erlebt zusammen. Und dann auch dieser Besuch im Südbürgerland, also es war eine sehr tiefe Freundschaft entstanden, ich glaube, ich darf das so sagen und ich freue mich, dass wir auch noch diesen Film dann gedreht haben über ihn, weil das war auch eine Hommage an sein Werk, an sein Buch und für mich dann halt als Ersatzperson bei der Dokumentation eine Gelegenheit, diese Ortschaften des Buches tatsächlich zu besuchen und selber diese Art von Recherchereise dann noch zu unternehmen? Ja, für mich war Martin Pollack ein wahnsinnig offenherziger, großzügiger, spannender Mann. Es war jedes Gespräch mit ihm ein Genuss. Ob man ihm jetzt zugehört hat bei einer Lesung, ich habe ihn viel bei Lesungen und Auftritten begleitet, oder ob man sich einfach nur privat mit ihm unterhalten hat. auch wenn das nur ein Telefongespräch war, man hat immer wieder etwas Neues erfahren, immer wieder eine neue Dimension dahinter. Und allein, was er über Osteuropa erzählt hat, das war für mich eine irrsinnige Horizonterweiterung, muss ich sagen. Ich habe ihn kennengelernt, heute sage ich leider viel zu spät, das war 2001, als er gerade recherchiert hat über sein Vaterbuch. Und ich kann mich wirklich noch sehr gut erinnern, das war so im Sommer 2001, Juli oder August. Da hat er einfach eines Tages das Telefon geläutet und er war dran. Und er war ja da so in der Öffentlichkeit noch nicht so bekannt. Es hat von ihm bis dahin zwei Bücher gegeben aus den 80er Jahren, eben das Galizien und dann so jüdische Familiengeschichten, die beide vergriffen waren. Aber mir hat der Name natürlich was gesagt. Das ist der, der hat irgendwie mit Galizien zu tun, der ist der Spezialist dafür. Irgendwo ist er mir ja vorgekommen. Und ich hatte, glaube ich, ein, zwei Jahre vorher ein Buch besprochen, das er übersetzt hatte von einem polnischen Autor, Henrik Greenberg, Drogobitsch, Drogobitsch, das mich wahnsinnig fasziniert hatte und am meisten hat mich fasziniert sein Nachwort, obwohl das nur wenige Seiten waren. hat mich fasziniert sein Nachwort, obwohl das nur wenige Seiten waren. Und da hat sich natürlich sofort was eingeprägt bei mir. Und in dem Augenblick, wie er angerufen hat und sich vorgestellt hat, Martin Pollack, und er hätte ja auch am Städtener Wurzeln, und das war dann kurios. Ich habe zu dem Zeitpunkt gerade intensiv über die am Städte Vertriebenen, am Städtener Juden gerade recherchiert. Und es hat eine Familie Pollack Anfang des 20. Jahrhunderts in Amstetten gegeben. Und wie er sagt, er hat am Städtener Wurzeln. Und ich in der Meinung, okay, wenn sich der so mit Galicien beschäftigt, und ich sage zu ihm eigentlich freudig, und er sagt, jetzt habe ich endlich wieder eine Spur. Und ich sage, ah, sind Sie da ein Nachkomme dieser jüdischen Familie Pollack in Amstetten? Und seine Reaktion, er hat gelacht. Ich glaube, er hat eine halbe Minute nur gelacht und nicht geweißen, was ist jetzt los. Dann hat er gesagt, nein, es ist eigentlich, ich komme von der anderen Seite. Und wenn ich nach meinem leiblichen Vater heißen müsste, dann würde ich Bast heißen. Da habe dann ich heftig lachen müssen, weil der Name Bast ist in Amstetten so das Synonym für Nazi. Und ich habe ihm dann etliches aus dem Amstettener Stadtarchiv und auch aus dem Niederösterreichischen Landesarchiv herausfinden können, was für sein Buch wahnsinnig wichtig war. Wir haben uns dann eigentlich erst noch im nächsten oder sogar erst im übernächsten Jahr getroffen. Es war dann so ein telefonischer und ein Briefkontakt. Und das erste Treffen war dann damals, das war, glaube ich, im Niederösterreichischen Landesarchiv. das war glaube ich im Niederösterreichischen Landesarchiv und wie gesagt, es war wirklich angenehm mit ihm zu reden, weil er einfach, er konnte mit allen Menschen wirklich gut umgehen und da hat sich natürlich dann sehr schnell eine Freundschaft entwickelt, wobei ich natürlich den Vorteil hatte, weil ich aus Amstetten komme und er hat zu Amstetten wirklich eine sentimentale Beziehung gehabt. Das war 2019, da haben wir gemeinsam ein Buch gemacht, Amstetten in alten Ansichten, und ich kann mich noch erinnern, bei der Buchpräsentation in Amstetten, ich habe dann immer schon so kritisch angemerkt, ja auf den alten Ansichten, da sieht man halt noch, wie schön einmal die Stadt war und heute ist es eher, naja, da hat er mich dann sogar einmal gemaßregelt, hat gesagt, nein, die Warmstetten lasst er nichts kommen. Das heißt, wir haben ein Glück, dass es dort kein Literaturarchiv gibt. Nein, das gibt es nicht, es gibt ein Stadtarchiv und das ist leider auch in einem bedauerlichen Zustand, aber das ist wieder eine andere Geschichte. Ja, also, ich hatte natürlich dann das Privileg, ich durfte oft bei ihm in Boxdorf zu Gast sein, ich hatte auch das Privileg, seine Texte zu lesen, noch bevor sie in Druck gegangen sind und er war immer interessiert, ja, was sage ich dazu oder stimmt da irgendwas nicht und in den letzten Jahren war das dann auch wirklich kontinuierlich, alles, was er geschrieben hat, bevor es in Druck gegangen ist, wollte er, dass ich lese und auch lektorierend eingreifen dürfe. Und da hat ihm eigentlich immer so alles gepasst. Und darum wir dann im Vorjahr, das war, glaube ich, einen Tag nach seinem Geburtstag, mich plötzlich überrascht hat mit der Mitteilung, es wird jetzt dieses Buch erscheinen, nur er kann dieses Buch nicht mehr machen, ob ich das heißt, ich suche Texte aus und wir sprechen uns ab und dann wird es einige Änderungen geben und dann wird er sagen, ja, das machen wir so oder so. Das ist leider dann nicht mehr möglich gewesen. Ich habe ihm zweimal, also ich war dann im Herbst einige Tage hier im Stifterhaus, habe den Vorlass noch einmal durchgeschaut, also all die Veröffentlichungsbelege und einmal so grob eine Auflistung gemacht, was an Texten eigentlich in Frage kommt. Das habe ich dann reduziert und ich habe ihm dann zweimal so einen Entwurf vorgelegt und er hat eigentlich gesagt, ja, das passt. Also er hat nie gesagt, unbedingt der oder der Text muss drinnen sein oder das darf nicht vorkommen. Ich war mir natürlich dann nicht sicher, ist das auch richtig so? Und erst nach seinem Tod, also seine Frau hat mir dann einige Unterlagen gegeben, da waren Listen, da habe ich gesehen, er hat ein paar Mal angefangen, Listen zusammenzustellen von Texten, die er sich in dem Buch vorstellen kann oder die er wollte. Und da habe ich dann gesehen, das sind eigentlich die Texte, die jetzt im Buch drinnen sind und da war ich wirklich sehr, sehr beruhigt, muss ich ehrlich sagen. Kommen wir zum Literarischen. An Martin Pollack, Die Sprache spielt biografisch für ihn ganz, ganz große Rolle, nämlich auch der Sprachwechsel, also von der eigenen deutschen Sprache hinüber in slavische Sprachen, zuallererst in die polnische Sprache. Das ist ja fast wie ein Wiedergutmachungsversuch dessen, was im Film auch angesprochen ist, dass der Vater gekommen ist, um polnische Menschen zu ermorden und er 21 Jahre später kommt, um polnisch zu studieren. Mit dem Begriff kontaminierte Landschaften hat Martin Pollack auch etwas in eine Form gegossen, das sich mittlerweile zu einem Terminus technicus verselbstständigt hat im allgemeinen Sprachgebrauch. Gerade auch in Oberösterreich ist dieser Begriff ja peinigend zutreffend. Wenn wir Martin Pollack jetzt, Sie haben den Begriff der Reportageliteratur verwendet, wenn wir versuchen sozusagen die literarische Qualität seiner Arbeit irgendwie zu umschreiben, was bleibt denn da wirklich über die Zeitgebundenheit, über die Auseinandersetzung mit den Gräueln der NS-Zeit oder auch den zeitgenössischen Kriegssituationen. Was bleibt da an allgemeinem Vermächtnis? Was macht diese Literatur zu einer, die die Zeiten überdauern wird, jenseits der historischen Gebundenheit, in der sie jetzt vielleicht noch steht? Naja, das Thema, wie wir sehen, beschäftigt uns weiter. Ich muss ehrlich sagen, ich habe früh begonnen, mich intensiv mit Holocaust und jüdischer Geschichte auseinanderzusetzen und habe eigentlich dann, so Ende der 90er Jahre, war ich der Überzeugung, irgendwann wird das jetzt erledigt sein, das wird niemanden mehr interessieren. Und ich wundere mich jetzt eigentlich in den letzten Jahren immer wieder von Jahr zu Jahr, wenn ich mir die Verlagsprogramme ansehe, da erscheinen nach wie vor Bücher, die offenbar auch gelesen werden. Und mittlerweile denke ich mir, das Thema wird nicht verschwinden, auch wenn das viele Rechte-Kreise gerne so hätten. Und natürlich angesichts der politischen Lage auch in Österreich. Also wir haben gestern den Herrn Kiegel gehört hat, der, ich meine, vor ein paar Wochen war wieder ein Gerichtsurteil, wo Journalisten verurteilt oder ein Verein verurteilt wurde, die ihn mit Hitler verglichen haben. Die sind, glaube ich, in der letzten Instanz auch verurteilt worden. Und was war gestern? Man kann hören, wie der gute Herr Kickl Begriffe der Nazis, Begriffe, die das Herr Hitler verwendet mit dem Volkskörper, oder auch Volkskanzler. Ich glaube, da droht uns eine ziemlich große Gefahr. Natürlich werden sich jetzt nicht nur die FPÖ bei uns oder auch rechte Parteien in der Slowakei, nicht auf den Nationalsozialismus berufen, so dumm sind sie nicht, aber ich habe wirklich die Angst, dass vieles relativiert werden wird, was für uns, nicht nur für uns Historiker, eigentlich offensichtlich, ja, selbstverständlich ist. Das ist meine große Sorge, dass das irgendwann keine große Rolle mehr spielt. Und wir haben im Schulunterricht leider Gottes keine politische Bildung. Wir wissen, dass der Geschichtsunterricht bei den meisten Jugendlichen nicht gut ankommt, weil das langweilig ist. Und du traust den Texten Martin Pollacks zu, dass sie da dagegen halten? Wenn diese Texte von jungen Leuten gelesen werden, natürlich, ganz klar. Und die Unabhängigkeit sozusagen aus den Zusammenhängen zeigt sich ja vielleicht auch, wenn es funktioniert, auch in Übersetzung. Ist das? Auf jeden Fall, also vor allem, ich glaube, wenn man über sein Vermächtnis spricht jetzt, über seine Art und Weise, weil er sprach immer von diesen literarischen Reportagen, also er hat schon einen großen Wert auf seinen Stil gelegt und da war er auch, er hatte eine eigene Stimme gefunden. Und die Art, wie er gearbeitet hat, das war auch sehr originell, wenn man das Buch, also ich habe auch das Buch nach Galicien übersetzt, sozusagen sein erstes Durchbruch. Das Buch war eigentlich schon ein Longseller. Wer das noch nicht kennt, auf jeden Fall lohnt sich zu entdecken. Es war für die damalige Zeit, er durfte ja nicht mehr nach Polen als Reporter reisen. Er hatte Berufsverbot, dort bekommen war auf so einer schwarzen Liste, weil wegen seiner Reportage über Streik der Solidarität in Gdansk, Danzig, und hat sich dann entschieden, was mache ich jetzt? Und geht in die österreichische Nationalbibliothek und macht sich sozusagen auf eine fantastische literarische Reise durch Galicien und Bukowina und entdeckt diese ehemaligen Grönländer neu für Österreich, weil das war in den 80er Jahren so halb vergessene Vergangenheit des Habsburger Reichs. Und er beginnt eine literarische Zugreise, die tatsächlich absolut realistisch die Ortschaften darstellt, mit der Hilfe von Auszügen aus Lokalzeitungen, die es noch gab damals in Archiven und mit Bildern, mit alten Postkarten, wo es entsteht, eine neue, vergessene Welt vor unseren Augen. Und da stimmt dann auch tatsächlich alles geografisch und die Zeiten der Abreisen von Zügen und die Beschreibungen von Bahnhöfen. Selbstverständlich heute bekommt dieses Buch eine noch weitere Aktualität mit dem russischen Angriffsgegen, auch diese Landschaften. Und noch dazu entdeckt er für uns viele auch deutschsprachige Autoren aus dieser Gegend, beginnen mit Bruno Schulz und vielen damals noch wirklich ganz vergessenen Namen, Sperber und viele anderen. Die übersetzt er auch teilweise, wenn es keine Übersetzungen gibt oder sucht nach diesen Übersetzungen noch aus der Zeit um 1900. um 1900 und dann entstand auch diese große Ausstellung im Wien-Museum, weil man hat verstanden, er war nicht nur Autor, sondern auch ein großer Sammler. Er auf seinen Recherchereisen, wenn er noch durfte, hatte eine Unmenge, da sieht man ihn auch im Film, wie er durch diese Bilder blättert, weil er hatte ja, seine Schreibart war auch engst verbunden mit den Bildern, Schwarz-Weiß-Bilder, alte Postkarten, Familienalben. Er war sehr froh, dass die slowakische Ausgabe, die auch man im Film sehen kann, da gab es diese Schwarz-Weiß-Bilder der Familie, die gibt es im Original nicht. Der österreichische Schollner Verlag wollte diese Bilder nicht publizieren im Buch. Das heißt, er hat dann die slowakische Fassung noch ergänzt um diese Bilder. Und ähnlich war das beim Galicien-Buch. Er war sehr an diesen Übersetzungen interessiert. Und er hat dann halt die slowakische Ausgabe von diesem Buch nach Galicien ist sehr schön wirklich ausgestattet und mit zahlreichen Bildern. Und da war er überglücklich, dass der Verlag so an seinem Werk tiefst interessiert hat, auch dem Film, auch dem Verlag, immer aus seinem Archiv diese Bestände zur Verfügung gestellt. Und das ist dann für einen Übersetzer ein Glücksfall. ein Glücksfall. In dem Sinne, ich bewundere und viele bewundern seine Art und Weise, wie er auch geschrieben hat und was er aus diesen Unmengen an Material, wie konnte er das literarisch verarbeiten, wie er diese Stimme für jedes Buch eine eigene Stimme gefunden hat. Würden Sie dem zustimmen, dass in dieser Literatur, in den Werken von Martin Pollack, dass das gewissermaßen ein Archiv verschwundener Welten ist? Auf jeden Fall und auch Menschenschicksale. Und in jedem Buch, also diese drei Bücher sind ja auch sehr unterschiedlich. Also diese drei Bücher sind ja auch sehr unterschiedlich. Und in Kaiser von Amerika, ich habe schon erwähnt, diese kleine Ortschaft Brutovce, da lernen diese Menschen, diese Popovic-Geenhaften Fluchtwegen aus Galicien, aus der Ostsovakei, aus Südpolen Richtung erstmal Bremen und dann nach Amerika. Es geht da um Schmuggler und viele Schicksale lernen wir kennen. Und das sind alles wahre Geschichten. Ich kann nur erst eine Anekdote erzählen. Als ich dann Bruthoffze besucht habe mit meiner Familie im Sommer, vor ein paar Jahren, wir wollten sehen, wie diese Ortschaft heute so ausschaut, wie die er da beschreibt, vor 120 Jahren. Und wir kommen da rein und das war so im Sonntagvormittag, Hochsommer, alles sehr still, sehr ruhig. Und wir dachten, ja, wäre ja spannend zu wissen, ob da jemand noch aus dieser Popovic-Familie immer noch lebt oder so. Und da steht so ein Mann bei so einem Zaun, ich frage so, guten Tag, wir suchen einfach Popovic-Familie. Ich heiße Popovic. Und so eine Frau so, ich heiße auch Popovic, oder? Und wir schauen so, und drei Menschen um uns herum heißen dann Popovic. Und dann sagen die uns, hier heißt jeder Zweite Popovic. Und dann besuchen wir auch den Friedhof und da sieht man halt in diesen kleinen Ortschaften, die Hälfte aller Gräber waren die Popovic-Familie gewidmet. Und auf einmal sehen wir auch dieses, beschreibt er ja den Kreuz auf der Wiese, auf dem Feld. Das sehen die Gebrüder aus, das Letzte aus der Gemeinde. Das gibt es immer noch auch. Also das sind reale Welten, die beschreibt er aber stilistisch so, dass es große Literatur wird. Und das war seine Kunst. Wie geht das? Du warst ja auch immer wieder mit Martin Pollack unterwegs. Ist das der Blick, den er hat, oder ist das die Methode des Erzählens? Beides. Oder ist das das Archiv, das er sozusagen als... Auch das. Gut. Ich glaube, jeder, der mit Martin Pollack irgendwie enger verbunden war, hat gemerkt, er ist ein wahnsinnig guter Beobachter. Jetzt nicht nur, was die Natur betrifft, sondern auch, wie sich Menschen verhalten. Er hat immer, immer beobachtet. Wenn irgendwas Komisches war, oft hat er auch Notizen gemacht. Und sein Blick, die Grieche hat immer gesagt, du siehst von der Welt nichts, weil du immer nach unten schaust, weil er ständig was gefunden hat. Und ich war mit ihm, das war 2019, in Laschko, also Tüffer, wo sein letztes Buch dann über diese Tante Paulina spielt. Und da hat er mir dann auch gezeigt, das ist ein bisschen außerhalb, da gibt es ein aufgelassenes Bergwerk Kudayama, heute zugemauert, wo die Leichen von, ich glaube, vermutlich 2000 oder mehr ermordeten, die nach 1945, also das sind Deutsche oder Tomobranchi, die von Tito-Partisanen dort teilweise lebendig eingemauert wurden. Und das hat einmal gezeigt, und wir gehen dorthin, und ich schaue, ich bin eigentlich auch einer, der sehr gut meistens schaut, was liegt da vor einem, aber ich habe natürlich das Bergwerk im Blick gehabt, und was macht er neben mir? Ein Hirschkäfer. Und das ist wirklich ein schöner, kapitaler Hirschkäfer, der jetzt Teil seines Nachlasses ist und hoffentlich irgendwann einmal in einer Vitrine da zu sehen sein wird. Aber das waren so Dinge, die sind ihm einfach nicht entgangen. Und das hat er sich notiert, auch seine Notizbücher sind ein wichtiger Bestandteil des Nachlasses, weil man da wirklich sehen kann, wie das dann Eingang gefunden hat in seine Literatur. sehen kann, wie das dann Eingang gefunden hat in seine Literatur. Und natürlich, er hat eine eigene Methode dann entwickelt und ich glaube, da hat er in Polen sehr viel gelernt, in dieser polnischen Schule der Reportage. Und ganz wichtig war natürlich auch das Übersetzen, vor allem Kapuszczynski, der auch ein begnadeter Reporter war, also literarische Reportagen geschrieben hat. Was natürlich zu kurz kommt in der Rezeption, und da muss man wirklich einen großen Vorwurf der österreichischen, aber auch der deutschen Literaturkritik machen, dass diese Art von Literatur einfach nicht als Literatur rezipiert wird, sondern alles, was nicht fiktionale Literatur ist, das ist sofort in der Sachbuch-Kubrik und das ist es nicht. Und er hat immer gesagt, das, was ich schreibe, ist für mich Literatur. Und diesen Anspruch, der ist für mich eigentlich selbstverständlich. Und natürlich, weil du gesagt hast, auch noch das Archiv, ja, für ihn ganz wichtig. Ein großer Teil des Nachlasses sind ja Recherchematerialien, die schon zurückreichen auf seine Studienjahre in Polen, wo er schon eifrig gesammelt hat, immer in der Meinung, da kann er irgendwas einmal draus machen. wo er schon eifrig gesammelt hat, immer in der Meinung, da kann man irgendwas einmal draus machen. Und sein erstes Buch, mit dem er dann wirklich groß bekannt wurde, diese Halsmann-Geschichte, das war ursprünglich eine kleine Zeitungsnotiz in einer jüdischen Zeitung, ich glaube in der jüdischen Illustrierten. Die ist ihm aufgefallen, da hat er aber noch lange beim Spiegel gearbeitet und er hat sich so halt ausgeschnitten und aufgehoben. Und Jahre später hat er auf das zurückgegriffen und hat dann begonnen zu recherchieren. Und dann entsteht ein ganz großartiges Buch. Und natürlich wichtig für ihn bei den Archivmaterialien sind die Bilder, die historischen Fotos. Also ich weiß nicht, wann er da angefangen hat zu sammeln, aber ich nehme an, das wird auch schon in seiner Studienzeit in Polen gewesen sein. wie sehr auch die literarischen Reportagen in Polen auch auf historisches Bildmaterial Bezug nehmen. Das weiß ich nicht, da kann ich noch nichts dazu sagen, aber das wäre mein eigener Forschungsschwerpunkt, wo man vielleicht polnische Studentinnen und Studenten da gewinnen könnte. Mein Vorschlag, Schlusswort, das Buch, das Sie, Herr Worecki, das du, Gerhard, empfehlen würdest, für die, die noch einsteigen sollten, wollten oder die ihre Lektüren noch kompletieren wollten, welches sollte es dann sein? Also gerne als Einstieg auch die Essays, die kontaminierten Landschaften. Das ist ein relativ kurzes Buch in seinem Werk, aber tatsächlich eine sehr gute Ergänzung auch zu Tode im Bunker, weil einige Geschichten werden danach erzählt, weil diese Recherche, hat er auch immer wieder gesagt, hat kein Ende, weil man kann immer noch mehr entdecken. gesagt, hat kein Ende, weil man kann immer noch mehr entdecken. Also die Historiker, es öffnen sich immer wieder neue Archive, auch im Osten Europas. Und das heißt, da gibt es einige Ergänzungen zu der Geschichte von Gerhard Bast. Aber auch, weil sein essayistisches Werk ist auch Meisterwerk, weil er konnte in Essays, das war tatsächlich seine Form, weil er aus diesen Reportagentexten oft zu den größeren Kontexten und Zusammenhängen kam. Da hat er oft versucht, die Ideen dah da hinten uns zu vermitteln und da war er, glaube ich, wirklich einer, der die europäische gut interpretieren. Und das war schon eine Seltenheit, weil wir haben halt auch jetzt in den letzten dreieinhalb Jahren erfahren, wie viel Verwirrung, Unkenntnis, wie viel Oberflächlichkeit es gerade in Betrachtung des Osten Europas gibt, immer noch im Diskurs. Und da war er einer der, wirklich, da war er ein Querdenker. Er konnte diese sehr schwierigen Zusammenhänge oft sehr genau erklären. Und dafür bin ich ihm dankbar, weil diese Blinkrichtung Osten fehlte oft auch, um tatsächlich zu verstehen, warum ist Ukraine europäisch, warum ist polnische Literatur für den Westen so wichtig und so weiter und so fort. Kontaminierte Landschaften und der Tote im Bunker und du, Gerhard? Das ist jetzt insofern schwierig, weil alle Bücher von Martin wirklich wichtig und gut sind. Ich meine, es gibt Autoren, die schreiben sehr viel und dann weiß man, ja, das und das kann man vernachlässigen, das ist inhaltlich nicht so wichtig, ist auch vielleicht nicht so literarisch gelungen. Das gibt es bei ihm nicht. Das hat alles wirklich Top-Qualität. Wahrscheinlich, wenn wir jetzt so eine Umfrage machen, wenn du jetzt zehn Personen fragen würdest, würden wahrscheinlich acht oder neun sagen, der Tote im Bunker, weil das sein bekanntestes und wichtigstes Buch ist und da hat er sicher auch neue Maßstäbe gesetzt in der Aufarbeitung belasteter Vergangenheit und wirklich gezeigt, wie man Erinnerungsarbeit machen muss. Aber dieses Buch würde ich jetzt gar nicht sagen. Mein Favorit sind die kontaminierten Landschaften, weil die einfach literarisch so gut sind. Er setzt da Bilder ein, ganz sparsam. Und da geht es ja nicht nur um Osteuropa. Er spannt immer wieder den Bogen auch zu sich selber zurück, zu seiner eigenen Familiengeschichte. Und auch, du hast das am Anfang ja zitiert, er sitzt am Schreibtisch und blickt auf seine Streuobstwiesen hinaus und dann fragt er sich, wenn man da jetzt zu graben anfängt, was würde man da finden? Auch das Burgenland ist eine riesige, kontaminierte Landschaft. Vielen herzlichen Dank. Ich empfehle Ihnen das Rampeporträt Martin Pollack, das 2017 hier im Stifterhaus erschienen ist. Nicht nur, weil es ein sehr schönes Produkt ist, das Gerhard Seillinger mit Martin Pollack zusammen gemacht hat, das wir dann veröffentlichen durften, sondern auch, weil aufgrund des Schulbeginns der Buchhandlung es passiert ist, dass der Büchertisch heute nicht bestückt ist, außer mit einer Liste, wo Sie sich gerne eintragen können, um ein gewünschtes Buch, auch die Neuerscheinung Zeiten der Scham, zu erhalten. Darum verweisen wir Sie auf die Rampe, sollten Sie sie nicht eh bereits haben. Ein guter Einstieg mit auch Originalbeiträgen von Martin Pollack. Ich bedanke mich jetzt ganz herzlich bei den beiden Gästen und bei Ihnen für Interesse an den Zeiten der Scham. Ich empfehle Ihnen auch dieses Buch allerwärmstens. Schreiben Sie sich auf die Liste oder gehen Sie morgen in die Buchhandlung. Vielen herzlichen Dank. Vielen Dank, Herr Gackinger. Grazie.