Ja, dann möchte ich Sie alle sehr herzlich bei uns im Stifterhaus begrüßen. Herzlich willkommen, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Literaturinteressierte. Ich freue mich sehr, Sie zu einem Abend begrüßen zu dürfen, an dem zwei neue Romane im Mittelpunkt stehen, die 2025 bei Krehmeier und Scherio erschienen sind. Zunächst heiße ich Jürgen Pettinger herzlich willkommen, der zuletzt 2024 bei uns zu Gast war. Schön, dass es auch heute wieder geklappt hat. Herzlich willkommen, Jürgen Pettinger. Jürgen Pettinger wurde in Linz geboren, studierte Wirtschaft und Management und arbeitete als Redakteur und Moderator von Tirol Heute im ORF-Landestudio Tirol, bevor er 2012 ins ORF-Zentrum Wien wechselte. Dort ist er unter anderem in der ZIB 18, im ZIP Flash und in der ZIP Nacht zu sehen und gestaltet regelmäßig TV- und Radioreportagen. Zuletzt erschien von ihm 2023 Torodea, queere Heldin unterm Hakenkreuz. Heute liest er aus seinem im September erschienenen Roman Autochton. Unsere zweite Gästin ist heute Annika Suk, die das erste Mal im Stifterhaus liest und ihren Debütroman, was danach kommt, vorstellen wird. Herzlich willkommen. Annika Suk wurde in Wien geboren, wuchs in Niederösterreich auf und studierte Journalismus und Germanistik. Sie arbeitete als freie Journalistin, Texterin, Poetin und Veranstalterin. Moderiert wird der Abend von Andreas Jungwirth, den wir bislang als Autor auf unserer Bühne kennenlernen durften. Umso mehr freuen wir uns, dass er heute das Gespräch mit unseren GästInnen führen wird. Schön, dass du da bist, Andreas. Andreas Jungwirth wurde in Linz geboren, lebte lange in Berlin und kehrte nach Wien zurück, wo er Germanistik, Theaterwissenschaft und Schauspiel studierte. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit, insbesondere im Bereich Theater und Hörspiel, ist Jungwirth auch als Hörspielregisseur tätig und moderiert regelmäßig Publikumsveranstaltungen für Ö1, unter anderem für die Hörspielgala und die Radiophone Werkstatt. Seine Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet, zuletzt 2023 mit dem ORF Hörspielpreis. 2024 erschien in der Edition Atelier sein Roman Alle meine Namen, den er auch bei uns präsentiert hat. Und ein besonders herzlicher Gruß gilt heute auch allen TeilnehmerInnen unseres Literaturcafés, die Fragen vorbereitet haben und den Abend mit einer Publikumsrunde beschließen werden. Damit genug der Vorrede. Ich wünsche uns allen einen schönen Abend und übergebe nun das Wort an unsere Gästinnen. Danke, Sarah Püringer. Während ich mir hier Wasser eingieße, eine Frage an das Publikum. Wer hat denn von Annika Suck, was danach kommt, gelesen? Niemand? Sehr gut, Sie werden es anschließend lesen wollen. Und wer hat von Jürgen Pettinger Autochton gelesen? Das ist der Buchclub. Ich freue mich auf Ihre Fragen. Ich habe beide Bücher gelesen und ich werde Ihnen am Anfang ein bisschen sagen, was mir auf und dazu eingefallen ist. Dann werde ich die Autorin und den Autor zu mir bitten. Sie werden im O-Ton Texte lesen, ihre eigenen Romane und ich werde mit Ihnen ins Gespräch kommen. Jeder, jede, die einen Führerschein hat, ein Auto fährt, das behaupte ich jetzt mal, hat schon mal darüber nachgedacht, wie es sein würde, würde man ein Kind überfahren. In meiner Vorstellung verheddere ich mich in einem Gestrüpp aus Schuld und Rechtfertigung, sehe mich zwischen Erstarrung und Hyperaktivität. Ich lebe in Hoffnung und Verleugnung. Gleichzeitig weiß ich, sollte tatsächlich einmal mein Auto und sei es auch nur durch eine bloße Unachtsamkeit zu einer Tatwaffe werden, wird alles ganz anders sein, als ich es mir im Vorfeld auszudenken imstande bin. Und als Leser von Annika Sucks, was danach kommt, bin ich ohnehin auf der sicheren Seite. Ich bin ja nicht Täterin, wie die Richterin sagt, nicht Mörderin, wie die Mutter des toten Kindes sagt, nicht Verursacherin eines Unfalls, das Wording des Anwalts der Angeklagten. Ich bin Zuschauer in einem Gerichtsdrama. Die Angeklagte Carmen Anger, geboren 1997, im selben Jahr wie die Autorin, Kindergärtnerin. Carmen war an dem Tag spät dran, sie war vom Anruf ihrer Mutter abgelenkt, hat das Kind Alice nicht kommen sehen. Carmen fährt Alice an. Das Kind stirbt noch am Unfallort. Richterin, Gutachterin, Anwalt, die Presse, der Brot- und SpielePöbel untersuchen Carmens Fall und somit ihre Schuld. Das Gericht wird feststellen, ich zitiere, ob sie ein Leben genommen hat oder ob es ihr unter die Räder gefallen ist. Gefängnis oder Freiheit, das steht auf dem Spiel. Der Prozess zieht über Carmen hinweg, er zieht sich hin. So ein Prozess hat seine eigenen Regeln, die man Carmen aber nicht mitteilt. Sie selbst hat nicht viel zu vermelden. Irgendwann erscheint mir als Prozessbeobachter des Gerichts selbst nicht mehr wirklich zurechnungsfähig. Ein Spoiler, es wird ziemlich irre. Lebendig wird das Kind von all dem nicht, so weit, so vorhersehbar, so tragisch. Zwischendurch ist Carmen überzeugt, sie habe das Kind nicht nur aus Versehen angefahren, sie habe es mit Gleichgültigkeit getan. Sie sei nicht nur eine rücksichtslose Fahrerin, sie sei ein rücksichtsloser Mensch im Allgemeinen. Schon ihr ganzes Leben lang habe sie auf die Gefühle anderer geschissen, da ihre eigenen Bedürfnisse ihre ganze Aufmerksamkeit bräuchten. Soll ich als Leser wirklich einer Erklärung glauben, die sich die Angeklagte selbst und dazu noch zu ihrem eigenen Nachteil zusammengebastelt hat? Nein, das tue ich nicht. Darin ändern auch Erzählungen nichts, die belegen wollen, dass Carmen sehr wohl und sehr gut auf die Gefühle anderer scheißen kann. Beispielsweise, wenn sie zwischen zwei Prozesttagen ihre Telefonnummer in der Männertoilette einer Raststätte hinterlässt, Carmen gibt sich als ein Alex aus und tatsächlich wird sie von einem sexuell bedürftigen Konrad kontaktiert. Carmen, Alex verabredet sich mit Konrad in einem Park. Carmen belauert, wie seine Hoffnung auf eine Begegnung mit Alex nach und nach stirbt, wie Konrad schließlich seine Verzweiflung in seine Hände weint. Auch wenn die Autorin es nicht explizit ausspricht, mir scheint, Carmen genießt es, diesem Elend zuzuschauen. Und ich genieße es in diesem Moment mit ihr, weil ich darin eine so von mir noch nicht gelesene Variation des Spiels der Geschlechter in der Literatur begegne. Außerdem, warum sollte gerade Carmen die letzte Instanz für Schuldfragen sein? Schlägt sie doch nach zehn Jahren, nach einem vergleichsweise läppischen Vorfall in der Schule mit einer Schuld herum, die, wenn sie damals bemerkt worden wäre, längst vergeben und vergessen wäre. Sie ahnen es vielleicht bereits, ich stehe auf Karmens Seite. Ja, ich freue mich im Laufe der Lektüre über alle Informationen, die andere in die Pflicht nehmen und Carmen entlasten. Beispielsweise, als von Alice Vernachlässigung durch die eigene Mutter die Rede ist. als von Alice Vernachlässigung durch die eigene Mutter die Rede ist. Nichts kann mein Zu-ihr-Halten, mein Für-Karmen-Hoffen erschüttern und ich vertraue der Autorin, dass sie die Sache gut ausgehen lässt, bis Annika Sugg einen Retter in letzter Sekunde schickt. Mit diesem fügt Annika Sugg in was danach kommt meiner Fantasie darüber, was geschehen würde, würde ich ein Kind anfahren, etwas hinzu, das ich nicht auf dem Schirm hatte. Die Möglichkeit, dass mir im Rahmen eines Prozesses die Schuld entrissen wird. Aber anstatt von ihrem Winkeladvokaten gerettet zu werden, gerät Carmen, so scheint es mir, vom Fegefeuer, in dem sie sich seit jenem Vorfall in der Schule eingerichtet hat, in die Hölle. Aus dieser Hölle kommt Carmen nicht wieder raus, auch nicht, als sie aus der Beziehung mit Mina ausschert und nach Griechenland abhaut. Übrigens jener Mina, über die Carmens Mutter mit ihr am Telefon gesprochen hat, als das Unglück passierte. Herzlich willkommen, Annika Suck. Danke für die schöne Einleitung. Das ist eigentlich schon alles gesagt. Nein, ist noch nicht. Bevor du aus was danach kommt liest, hätte ich gerne einen Sprung davor gemacht, was davor war. Mich würde interessieren, hast du dich, bevor du zu schreiben begonnen hast, oder als du dieses Projekt in Angriff genommen hast, für eine Frau interessiert, der sowas passiert und dann musstest du dich auch mit dem Gericht auseinandersetzen und mit abstrakten oder in diesem Fall an dieser Figur konkret erzählten Fragen wie Schuld oder Kontrollverlust oder wolltest du dich mit Gericht beschäftigen und musstest einen Fall suchen oder wolltest du dich mit einem abstrakten Thema wie Schuld oder Kontrollverlust beschäftigen und hast dann die restlichen Elemente gesucht? ein Thema wie Schuld oder Kontrollverlust beschäftigt und hast dann die restlichen Elemente gesucht. Also zu dem Buch ist es so gekommen, ich meine, jeder von uns, wie du schon gesagt hast, denkt schon mal darüber nach, wie würde es mir gehen in so einem Fall. Also vielleicht kennt man sogar jemanden, dem etwas Ähnliches passiert ist oder der generell einfach schon mal einen Autounfall verursacht hat oder ein Teil davon war. Und ich habe mir dann tatsächlich gedacht, was wäre, wenn einer Person wie mir das zustoßen würde, dass sie jetzt im selben Jahr geboren ist wie ich. Das ist übrigens nur ein Zufall, weil ich ein bisschen rechnen musste mit der Ausbildung der Kindergärtnerin und wie macht das Sinn. Also sie war eigentlich im Original ein bisschen älter. Und zu dem Zeitpunkt habe ich gerade begonnen, Germanistik zu studieren und Kafka und gerade der Prozess waren sehr präsent. Also ich habe es dann auch nochmal neu gelesen und ich mag den Prozess sehr gern und ich habe mir dann gedacht, bei so einem Prozess, wo du vor ich hoffe, dass es mit dem Mikro geht, wo du vor Gericht stehst, wegen eigentlich einem Zufall, ist das nicht auch ein bisschen ein sinnloser Prozess, so wie bei Kafka? Da weiß er ja auch nicht, Carmen heißt doch nicht umsonst Carmen mit K. K weiß nicht, warum er angeklagt ist. Und deswegen wollte ich auch, dass der Prozess sich für sie gigantisch und unglaublich anfühlt, aber im Kern auch ein bisschen Sinnlosigkeit hat. Ich als Leser verzweifle ja an der Justiz, wenn sie so wäre, wie sie da ist. Und vielleicht ist sie ein Stück weit auch so. Ich glaube auch, dass sie 97 geboren ist und damit Ende 20, Mitte 20, ist für die Figur nicht unentscheidend, aber darüber kommen wir vielleicht dann zu sprechen. Lies doch mal ein Stück aus, was danach kommt vor. Gerne. Ich fange am Anfang an. Was wir noch nicht erwähnt haben, ist, es gibt im Text immer wieder, also die Medien spielen eine große Rolle und deswegen habe ich im Text immer wieder ausgedachte oder vielleicht auch echte Headlines, also Schlagzeilen eingebaut und auch jetzt auf der ersten Seite ist schon so eine Schlagzeile eingebaut und auch jetzt auf der ersten Seite ist schon so eine Schlagzeile, die einfach mitten im Text steht. Wir setzen ein ganz kurz nach dem Unfall. Erstvernehmung. Ich weiß ja nicht, aber die Beamten scheinen überfordert. Sie stehen beieinander wie Schüler, die ihre Gruppenarbeit verschissen haben. Jetzt müssen sie vielleicht die Klasse wiederholen. Einer von ihnen wischt sich immer wieder mit dem Ärmel über Augen und Nase. Hoffentlich sind sie nicht überfordert. Hoffentlich wissen sie ganz genau, was zu tun ist. Hoffentlich brauchen sie mich nur anzuschauen und das tun sie sehr eindringlich, wenn auch nie lang, um zu wissen, was passiert ist. Sie wissen, wer in den Krankenwagen gelegt wurde. Ich habe nichts gesehen. Ich würde Sie gerne fragen, wie mir geschieht. Für das, was nach dem Ruck passiert ist, fehlen Wörter im Satz. Ich weiß nicht, wo ich den Korrekturstift ansetzen soll. Ich erinnere mich daran, dass ich am Steuer saß. Ich war spät dran für die Arbeit, danach nichts. Jetzt kann ich ausgesprochen schlecht atmen. Unfassbares Unglück direkt vor Kindergarten passiert. Die Polizei, die Rettung und ich, um uns herum ein Absperrband. Ich habe gleichzeitig das Gefühl, dass man mich hier nicht haben will, dass man mich aber auch nicht gehen lassen kann. Auf gar keinen Fall sollte ich von hier weg oder bleiben. Man legt mir keine Handschellen an, aber man beißt mich in ein Polizeiauto ein wie in eine Anstalt. Ich bin jetzt das Problem von jemand anderem. Und jetzt lese ich noch den Unfallhergang, also wie es dazu gekommen ist. Im Flugzeug versucht die Crew, passt das mit dem Mikro? Ich habe das Gefühl, es gibt immer wieder so ein, okay, Björn, mehr Abstand, mehr Abstand, okay, gut. Im Flugzeug versucht die Crew, dich auf einen Ernstfall vorzubereiten, der vermutlich nie eintreten wird. Sie zeigen dir die Notausgänge, eine Fake-Schwimmweste, einen Mini-Sicherheitsgurt und rattern die Instruktionen herunter, die du schon unzählige Male gehört hast, an die du dich im Ernstfall aber vermutlich nicht erinnern würdest. Niemand erwartet, dass der Ernstfall eintritt. Niemand weiß genau, was im Ernstfall passiert. Wer rechnet schon damit? Die Wahrscheinlichkeit, in einen Verkehrsunfall verwickelt zu sein, ist unglaublich viel größer als die Wahrscheinlichkeit, dass das Flugzeug, in dem du dich gerade befindest, abstürzt. Niemand bereitet dich wirklich auf einen Unfall vor. Niemand bereitet dich darauf vor, dass wegen dir ein Mensch sterben wird. Handy, Schlüssel, Geldbörse, Chick, Feuer, Wasserflasche. Genervt nehme ich zwei Stufen auf einmal. Ein Griff in meine übergroße Handtasche hat mir gesagt, dass ich alles dabei habe, alles, bis auf meine Wasserflasche. Vor der Tür liegt jetzt ein grüner Müllsack. Nicht besonders groß, so wie für einen Papierkorb neben dem Schreibtisch. Er hat noch nicht hier gelegen, als vorhin die Tür hinter mir zugefallen war. Noch genervter von Gregors Unart, nicht aus dem Haus zu gehen, greife ich mir wieder den Müllsack, nachdem ich meine Wasserflasche aus der Küche geholt habe, und werfe ihn in die Tonne im Innenhof. Ich finde mein Auto eine Straße weiter, unter einer Kastanie. Der Boden ist voller weißer Blüten. Ich steige ein, schalte das Radio an. Scheiße, schon die Nachrichten, ich bin verdammt spät dran. Über den Gürtel ist um diese Zeit kein Durchkommen, doch was ist meine Alternative? Ein Umweg würde nur noch länger dauern. Manche Menschen werden in solchen Momenten ganz ruhig. Wenn sie im Stau stehen, denken sie einfach daran, was sie so am Wochenende vorhaben oder sie drehen das Radio lauter, singen mit, ob sie den Text kennen oder nicht. Wenn ich zu spät dran bin, verwandle ich mich in eine hypernervöse Fahrerin, wie diese winzigen Hunde, die ständig zittern. Ich halte nach allen noch so knappen Lücken in der unendlichen Autokette Ausschau, zwänge mich hinein und wenn jemand hupt, hupe ich zurück. Warum habe ich auch unbedingt meine Wasserflasche holen müssen? Warum konnte ich Gregors Mühlen nicht ein einziges Mal liegen lassen? Mein Telefon unterbricht die Morgensendung. Automatisch drücke ich auf den grünen Knopf am Lenkrad. Mein Kind, bist du schon wach? Hallo Mama, ich bin gerade auf dem Weg zur Arbeit. Ach so, störe ich dich eh nicht? Passt schon, was ist denn? Du kennst doch noch den Felix. Mama, natürlich kenne ich. Mit dem du früher gespielt hast? Ja Mama, was ist mit ihm? Und du weißt noch seine Schwester, die was im Dritten wohnt? Ja, weiß ich noch. Also die musste eine Mammografie machen und hat jetzt Krebs. Scheiße, ja. Also jedenfalls wollte ich dich fragen, ob du eh noch regelmäßig zur Frau Dr. Merz angehst. Endlich runter vom Gürtel, noch ein kurzes Stück. Dann Stau am Praterstern. Ich schalte unnötig brutal zwischen der ersten und dem Leerlauf hin und her. Leerlauf spart Sprit, hat man mir in der Fahrschule gesagt, und ich kann den Fuß vom Gas nehmen und, was noch viel wichtiger ist, wieder fest drauf treten. Mama, warum fragst du mich das jetzt? Nur weil die Schwester vom Felix was hat? Hör zu, was? Mama, ich kann jetzt nicht eigentlich. Ein letztes Mal abbiegen. Der Kindergarten ist ein gelblicher kleiner Kasten mit Graffiti unterhalb der Fenster. Ein Zaun geht rundherum mit einem niedrigen silbernen Tor gegenüber der Eingangstür. Alle guten Parkplätze sind weg. Agro-Fahrerin. Habe sie nicht gesehen. Schon nach halb acht. Ich treibe das Auto so nah wie möglich an die erlaubten 30 kmh und kreuze vor dem Kindergartengebäude die Straße. Genau zu dieser Stelle ist sie gelaufen, hat man nachher festgestellt. Aber ich hab dich doch gefragt, ob ich stör Kind. Mama, können wir ein andermal über den Brustkrebs von der Mina reden? Ich hab gerade keine Zeit. Hat mutmaßliche Kindergartenmörderin Krebs? Wenn du Krebs kriegst, Kind, oder ich, eine Chemotherapie ist kein Spaß. Und dann passiert's. Und dann passiert es. Können wir ein bisschen über die Figur sprechen? Sie ist, wie gesagt, 1997 geboren. Ich versuche, sie mal ein bisschen zu beschreiben. Sie lebt bei Georg, dem sie den Müll wegräumt. Das ist ein Haus, das nicht mehr im frischesten Zustand ist. Sie hat Beziehungen, die nicht länger als drei Stunden dauern. Das sagt auch mal die Gutachterin, die angesichts des Prozesses, man möchte fast sagen, auf sie angesetzt wird. Sie hat eine wackelige Beziehung zu ihrer Mutter. Ich glaube, sie hat keinen Vater oder der Vater spielt keine Rolle. Sie hat einen Job als Kindergärtnerin, den sie weder gerne noch gut macht. Das weiß sie auch, wird auch von außen so beschrieben. Das ist eine Figur, die, wenn man das, was hier passiert, betrachtet, sagen könnte, durch diesen Unfall bekommt sie endlich einen Fokus. Ja, könnte man so sagen, tatsächlich. Also was du sagst, stimmt alles. Sie hat keine so richtige Richtung im Ziel. Sie hat sich vorgestellt, ich mache die Ausbildung zur Kindergärtnerin. Kindergärtnerin braucht man immer, dann habe ich einen Job, dann ist das quasi erledigt und dann lebe ich halt als Kindergärtnerin und so weiter. sie sich eigentlich eine eigene Wohnung leisten könnte oder können sollte, wohnt sie quasi ein bisschen wie ein Parasit in seiner WG, wo er ein Zimmer untervermietet. Jetzt ist das Beschreibung, das ist die Beschreibung von Carmen, die man übrigens mit K und nicht mit C schreibt. Es ist immer gefährlich zu sagen, eine Autorin will mit so einer Figur eine Generation oder exemplarisch eine Figur aus ihrer Generation darstellen. Würde ich jetzt auch nicht sagen, aber kannst du, die du im selben Alter bist, etwas über deine Generation sagen? Wie würdest du deine Generation beschreiben? Ist da so etwas Orientierungsloses drinnen, was du in der Carmen abgebildet hast? Oder ist das wirklich eine Figur, die du vielleicht kennst oder dir wo abgeschaut hast? Oder eine Möglichkeit ist dieser Generation? Also ich kann mich oder Menschen in meinem Alter, die ich kenne, durchaus in ihr wiederfinden. Also die sind nicht alle so unsympathisch wie Carmen, die meisten sind sehr nett eigentlich. Aber ich glaube, orientierungslose Menschen gab es in jeder Generation. Also man sagt ja generell immer, die jungen Leute, die herumdaddeln und irgendwie sie nicht so richtig festlegen wollen, also das ist jetzt die Gen Z oder Millennials sind jetzt nicht die Ersten, aber ich kenne durchaus viele dieser Leute. Jetzt nicht unbedingt die Kindergärtnerinnen, muss ich auch sagen. Ich glaube, Carmen ist einfach wirklich im falschen Beruf. Also die, die orientierungslos sind oder auf mich so wirken, sind eher die, die halt ewig studieren, weil sie Angst haben vor der Realität und dass man dann nachher einen Job finden muss, der nicht nur in einer Bar stattfindet oder so, ging mir auch so. Aber das muss man sich ja auch leisten können. Ja, natürlich, das muss man sich leisten können. Warum kann sich deine Generation das leisten? Herumzutadeln? Ja. Meine Generation ist relativ arm, muss man auch sagen. Also finanziell, auch wenn ich jetzt schaue, ob ich mir irgendwann mal eine Wohnung von einem Haus ganz zu schweigen leisten können möchte, ist es quasi unmöglich heutzutage. Also die Wirtschaftslage ist eine Katastrophe. Und vielleicht kommt daher auch diese Angst, dass man nicht raus will aus der Uni oder aus diesen Strukturen, die man halt kennt. Was könnte helfen, außer ein tragisches Unglück wie dieses? Ich glaube nicht, dass das hilft. Nein, es hilft in diesem Fall nicht. Aber es gibt ja in ihrem Leben tatsächlich, explosionsartig heißt es mal in dem Text, eine andere Richtung, nämlich nicht etwas, was sich langsam entwickelt, sondern das ist plötzlich da und sie muss sich damit auseinandersetzen. Genau, aber sie kann sich auch gar nicht dagegen wehren. Es wird ihr quasi aufoktroyiert und sie ist ja dann wie so eine Theaterfigur, der das halt alles passiert und sie kann irgendwie gar nichts dagegen machen. Was du vorhin erzählt hast mit Konrad, die Episode, wo sie sich als ein Mann ausgibt und ihre Nummer auf die Herntoilette schreibt bei einer Raststation, das war für mich Kamens Versuch, ein bisschen Kontrolle in dieses Chaos zu bringen und so kaltherzig es auch ist, was sie macht. Also der Konrad ist ja auch nicht unbescholten. Die redet dann einen sehr jungen Mann an, der vorbeigeht, der auch noch 16 sein könnte. Das war so meine Idee, wie sie versucht, ein bisschen Kontrolle zu gewinnen und ein bisschen selbst etwas zu tun, wo sie eigentlich machtlos ist. Ich fand interessant, dass du vorhin gesagt hast, sie sei unsympathisch. Sie hast, sie sei unsympathisch. Sie war mir überhaupt nicht unsympathisch. Also selbst in diesem Moment, das ist ein Spiel, das kann man natürlich moralisch verurteilen, aber es ist auch ein interessantes Spiel. Ich glaube, viele können sich einfach in ihr wiedersehen. Also jeder von uns war schon mal orientierungslos, glaube ich. Und sie ist auch eine durchaus hedonistisch lebende Person. Und das kann man uns sympathisch finden. Mir war wichtig, dass sie moralisch sich immer in so einem Graubereich bewegt. Oder man kann sie auch durchaus sehr stark verurteilen, auch außerhalb von dem Unfall und ob das jetzt ihre Schuld war oder nicht. Weil ich wollte, dass es ein bisschen schwieriger wird und wir uns beim Lesen fragen müssen, glaube ich jetzt, sie ist schuldig, nur weil ich sie nicht mag. Weil das ja auch die Medien mit ihr machen. Diese Frage der Schuld oder nicht schuldig zu sein an einem Unfall, der ihr wirklich passiert. Es gibt diese Unachtsamkeit durch den Anruf der Mutter. Wie würdest du denn die Frage beantworten? Das muss jeder sich selbst entscheiden. Die viel spannendere Frage für mich ist ja, weil das ist ja die juristische Frage, ist sie schuld oder nicht, ja oder nein, schwarz oder weiß. Für mich ist eher die Frage, was machen wir dann mit dieser Schuld? Also wenn man fahrlässige Tötung, wenn man schuldig gesprochen wird, kriegt man so zwei, drei Jahre im Gefängnis. Das ist im Vergleich zu dem Leben von einem Kind, das hätte sein können, 70, 80, 100 Jahre, fast nichts. Und deswegen, aber sie lebt für immer mit dieser Schuld. Das ist ja das eigentliche Leid, ob jetzt das Gericht entscheidet, ob sie schuldig ist oder nicht. Aber was meinst du, was machen wir mit dieser Schuld, wir als Gesellschaft, ihr gegenüber oder sie mit ihrer Schuld? Im Endeffekt, das ist auch ein bisschen die Konklusio vom Buch, muss sie selber damit umgehen. Weil es gibt Menschen, das Ding ist, sie isoliert sich sehr stark dann im Laufe des Buches, weil immer mehr Menschen sie einfach als so eine Quelle an Skandalen und News und so behandeln und im Lauf, also gegen Ende vor allem mit Mina und auch mit ihrer Mutter wird sie dann wieder warm und sie merkt dann, dass sie andere Menschen braucht, um eigentlich zu trauern. Also eigentlich ist ja diese Schuld, auch wenn sie mit der Alice jetzt nicht wahnsinnig eng war, weil das war halt ein Kind in ihrer Kindergartengruppe, das sie genauso schlecht kannte wie alle anderen Kinder dort. Und sie trauert eigentlich um die und da muss sie eigentlich mehr oder weniger alleine durch, mit halt Unterstützung von ihrem sozialen Umfeld, so klein es auch sein mag. Obwohl es eine dramaturgisch sehr schöne Stelle gibt, nämlich in dem, ich glaube, es ist so ein Kinderhaus im Garten, wo sie ein Vogelnest hat und sie fragt, wann kommt die Mutter wieder und es ist unklar, meint Alice die eigene Mutter oder meint sie die Vogelmutter? Diese Begegnung, das war interessant für mich als Lesender, dass ich auf so eine Begegnung gewartet habe, mir nicht vorstellen konnte, wie du sie gestaltest, aber da fand ich einen sehr schönen Ausdruck gefunden hast, zumal wir ja die Antwort nicht bekommen, ist es die eigene Mutter oder ist es die Vogelmutter, die sie meint. eigene Mutter oder es ist die Vogelmutter, die sie meint. Nochmal kurz zum Gericht. Du hast schon den Bezug zu Kafka hergestellt. Das ist ja wirklich sehr satirisch überhöht, was du da an Personal zeigst. Zum Beispiel der Anwalt, dem man sich ja nicht anvertrauen würde, dem Gegenübermann, wenn man es liest, oder wenn man über die beiden liest, nämlich Carmen, wie sie ihrem Anwalt begegnet, denkt, ich muss sie doch davor beschützen, man aber auch versteht, dass sie dem natürlich ausgeliefert ist. Warum diese satirische Überhöhung dieser Figuren, die ja wirklich bis ins Absurde gehen? Also der Roman ist ja generell recht absurd. Also vieles, was vor Gericht passiert ist, ist auch unmöglich, würde nie passieren. Also ein Beispiel, das ich auch sehr gerne mag, der Anwalt schreit immer wieder Einspruch und dann sagt die Richterin, hören Sie auf, das macht man nur im Film. Und das war für mich ein bisschen, also wir sind den ganzen Roman über sehr nah ankamen. Wir sind immer in der Ich-Perspektive. Sie ist auch keine extrem verlässliche Erzählerin. Also sie hat dann auch eigentlich Rationen, sie bildet sich eine Person ein. Und ich habe mir gedacht, wenn mir sowas passieren würde, um wieder zu deiner ersten Frage zurückzukommen, wäre eben dieser Prozess so ein gigantisches Gebilde, wo ich gar nicht durchblicke und gar nicht weiß, was mache ich hier eigentlich. Und ich wollte dann, dass auch die Szenen im Gerichtssaal, auch die Medien sind eigentlich auch sehr überzeichnet. Das Widerspiegeln dieses Absurde. Und ich persönlich mag Bücher, bei denen man weinen und lachen kann und das wollte ich auch haben. Also es gibt durchaus auch lustige Szenen im Buch, so makaber das jetzt vielleicht auch klingt. Und nun gibt es, wir wollen es nicht verraten, aber tatsächlich diesen Retter in letzter Sekunde. Das fand ich auch interessant, weil ich habe mich während des Lesens gefragt, wie kommt sie da wieder raus? Also sowohl die Figur, das ist ja eine große Frage, der Anwalt sagt ja auch, wir bringen dich da raus oder das ist die Aufgabe, dich da rauszubringen, aber ich habe mich auch gefragt, wie kommt die Autorin da wieder raus? Also fällt sie ein Urteil? Damit habe ich nicht gerechnet und dann kommt eine völlig überraschende Wendung. War dir diese Wendung von Anfang an klar oder wusstest du selbst irgendwann nicht mehr, wie komme ich da raus und hast an einem späteren Zeitpunkt oder bei der Entwicklung des Romans diese Wendung erfunden? Dies ist so überraschend, dass das durchaus möglich ist, dachte ich. Ich wusste von Anfang an, ich wollte kein offensichtliches Ende schreiben. Also was sind die offensichtlichen Enden? Sie kommt entweder ins Gefängnis, drei Jahre, sie ist dann vielleicht am Ende ein bisschen geläutert oder nicht. Es endet offen, wir wissen nicht, wie es ausgeht. Oder noch was, was ich feig finde, sie bringt sich um oder so. Das ist ja leider auch oft am Ende von einem Roman. Das ist dann quasi, ja, wir haben keinen Ausweg gefunden. Ich wollte eben, dass dieser Prozess am Ende komplett sinnlos war. Und dass dann eigentlich, ich meine, das ist eigentlich ein großer Spoiler, aber jemand anderer quasi sie da rausholt. Also das wusste ich von Anfang an, wie genau ich das mache. Das war eigentlich recht schwierig, dass das dann Sinn gemacht hat am Ende. Aber sie bleibt eigentlich dadurch, so ging es mir, mit ihrer Schuld total alleine. Man hätte ihr fast gewünscht, sie hätte zwei oder drei Jahre ins Gefängnis gehen können. Das ist das Schlimmste, was ihr passieren könnte, konnte, das lässt du ihr zustoßen. Auch der Mutter von dem Kind, um die geht es ja gar nicht so viel im Buch, weil ich mir auch gedacht habe, das ist noch so ein Schmerz, der würde noch drei andere Bücher füllen und ich würde gerne bei Carmen bleiben. Für die ist es ja eigentlich noch schlimmer, weil sie, also ich glaube, ich schreibe dann am Ende so, sie braucht den Gerichtssaal und dieses Urteil, um zu trauern, um da quasi irgendwie durchzukommen. Also Carmen sagt auch immer, ich muss da nur irgendwie durchkommen. Und wo auch immer ich am Ende bin, das ist hoffentlich besser als vorher. Und ich glaube, das ist ja dann eigentlich fast die größere Strafe. Die Mutter hat mich lustig, weil überhaupt nicht interessiert. Also den Schmerz kann man sich vorstellen. Und sie macht ja etwas, also sie ist ja nicht ganz draußen, sie schreibt ja. Und da kommen wir vielleicht ein bisschen zur Struktur des Romans. Du hast es erwähnt, du hast immer wieder Schlagzeilen drinnen, die so sein können oder die sie sich selber so vorstellt. Also manchmal aus der Handlung heraus entwickelt sie selber eine Schlagzeile. Du hast Briefe drinnen, die nämlich die Mutter Carmen schreibt zu einem späteren Zeitpunkt, glaube ich. Oder sie schreibt sie währenddessen, aber am Ende erfahren wir, dass sie ihr quasi am Ende alle Briefe gesammelt schickt. Genau. Und du schaffst Gesprächsanlässe durch die Gutachterin, durch den Anwalt, durch die Richterin. Wie bist du auf diese Struktur gekommen? Richterin, wie bist du auf diese Struktur gekommen? Also ich habe das Buch über einen längeren Zeitraum sehr intuitiv geschrieben und hatte da eigentlich sehr wenig Struktur. Also vieles war dann eigentlich, wie es im Buch auch oft ist, so Theaterdialog-mäßig. Also man hat gar nicht sie sagte, er sagte, sondern es ist wirklich einfach nur Text, was gesagt wird, Dialog. Und das hat sich irgendwie so ergeben und manche Elemente habe ich dann auch, zum Beispiel die Briefe habe ich selber auch gebraucht, um diese Perspektive von der Mutter dann doch reinzuholen. Andere Sachen, da habe ich mich dann konkret überlegt, wie mache ich das und dazu entschieden. Es gibt auch zwei Obduktionsberichte drinnen. Wobei einer aktiv ist und einer real ist. Genau. Also es gibt einen über das Kind und einen über Carmen selbst. Hören wir noch ein Stück? Ich gebe dir etwa sieben Minuten. Okay. Sie kommen heute in den Genuss eines Bonus. Ich habe mich nämlich im Zug auf dem Weg hierher in der Westbahn nochmal ein bisschen reingelesen und ich hatte da noch eine Idee und die habe ich dann auch noch aufgeschrieben und die füge ich dann einfach zwischendurch ein. Weil man kann ja daran eigentlich nichts mehr ändern, das ist ja eigentlich schade. Also es sind ja keine lebendigen Texte. Erster Prozestag. Niemand zieht mich früh morgens aus dem Bett. Niemand isst mein Frühstück vor meinen Augen auf. Am Morgen des ersten Prozestages stehe ich aus eigener Kraft auf und putze mir die Zähne. Ich hatte die ganze Nacht wachgelegen, während die Zimmerdecke sich höhnisch lachend über mir drehte. hatte die ganze nacht wachgelegen während die zimmerdecke sich höhnisch lachend über mir drehte das gefühl kannte ich von ein paar zu vielen getrunkenen jägermeisterfläschchen ein relikt des parties aus der studienzeit doch anders als sonst fand ich den ausschaltknopf nicht das deckenkarussell drehte sich einfach weiter wenn ich die augen schloss spürte ich den ruck immer wieder der durch mich durchgegangen war in dem moment in dem ich wusste dass da etwas passiert ist das nicht wieder gut zu machen ist. Ich sah den Anwalt vor mir, der all diese Erwartungen daran hatte, wie der Prozess verlaufen könnte, sollte. Ich war nur ein Platzhalter für irgendeine Klientin, eine Person, der eine Rechnung ausstellt. Der Blick meiner Mutter war da, der Halt an mir suchte. Halt, den sie eigentlich mir geben wollte. Die die gewissheit dass das nur ein dummer fehler war leicht wieder zu beheben ein ausrutscher das einzige gesicht das ich nicht sehen kann ist das des kindes wenn meine gedanken in seine richtung wandern zog ich zurück wie an einer heißen herdplatte verbrannt so schwer liegt es auf meiner brust dass ich mir nicht sicher bin ob da noch mehr platz ist auf der für eine weitere Person, die leidet. Als der Wecker läutet, richte ich mich sofort im Bett auf. Mein Hirn plötzlich, Gespenst ist stumm. Nicht einmal ein Aber fällt mir ein. Es würde von meinen Lippen wie ein Kieselstein ins Wasser fallen. Wellen schlagen und dann zu den anderen Ungesehenen ins Flussbett sinken. Ich greife in die oberste Schublade meiner Kommode, hinter das Gewühl aus bunter Unterwäsche, suche nach einem kleinen, glatten Knäuel. Strumpfhosen sind wohl angemessen für so einen Tag. Ich rolle die Strumpfhose auf und streife sie nacheinander über meine Beine. Angemessen will man doch aussehen, unauffällig. Man will nicht, dass ein Radiomoderator später sagt, sie sah stylisch aus in ihrem schwarzen Slimfit-Hosenanzug, wen sie damit wohl beeindrucken wollte. Durch das Anziehen bekommt der vor mir liegende Tag eine neue Unausweichlichkeit. Ein Sakko. Ich streife mir die Ärmel des Anwalts über, stecke die Hände in die Taschen. Am Reverse glänzt meine Schuld. Ein Knopf, zwei Knöpfe, drei. Ich stecke die Hände in die Taschen. Am Reverse glänzt meine Schuld. Ein Knopf, zwei Knöpfe, drei. Ich stecke die Beine in den Rock, schließe den Reißverschluss und meinen Mund. Zupfe den Saum meiner Mutter gerade und wünschte, erreichte bis zu den Zehenspitzen. Die Schuhe sind zu eng. Ich habe nicht gedacht, dass ich sie noch einmal würde tragen müssen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Mein Kopf füllt sich zum Bersten. Nach dem Termin mit dem Anwalt hatte ich versucht, eine Liste anzulegen, mich zu ordnen. Das Stück Papier war leer geblieben. Es klingelt, das muss das Taxi sein. Ob ich Polizeischutz brauchen würde, hatte mich der Anwalt gefragt. Es kam mir zuerst komisch vor, aber die Drohungen, die ich schon jetzt online erhielt, die Kommentare, die nicht an mich gerichtet waren und doch über mich sprachen, setzten mir zu. Der Anwalt hat mich gefragt und ich habe gesagt, nein, nein, ich werde mir ein Taxi rufen. Dass das schon vor dem Prozess nötig ist, liegt daran, dass man Fotos von mir gefunden hat. Urlaubsfotos, Selfies, mein Name im Internet und die Annahme, dass ich wohl kaum Zeit und Nerven hätte, alle zu verklagen. Für das Recht auf mein eigenes Bild bin ich derzeit zu schwach. Bitte probieren Sie es zum späteren Zeitpunkt noch einmal. Nachdem mein Auto von der Polizei aus allen Winkeln fotografiert und dokumentiert worden war, hatten sie mir den Führerschein abgenommen. Standardprozedur, hatten sie gesagt. Ich musste meine Mutter bitten, das Auto vom Kindergarten abzuholen und vor meinem Haus zu parken. Sie erledigte die Aufgabe zügig und ohne mir das Gefühl geben zu wollen, sie damit zu traumatisieren. Ich schämte mich trotzdem in Grund und Boden. Das Gefühl mischte sich unter all die anderen, ein grausiger Cocktail. Die Taxifahrerin wechselt kein einziges überflüssiges Wort mit mir. Ihr Gesicht ist seltsam gerührt, als würde sie versuchen, bösartige Bemerkungen hinunterzuschlucken, weil es ja nichts angeht, warum sie mich zum Gericht bringt. Und doch sieht sie im Rückspiegel, wie ich immer wieder meine Finger knacken lasse, hört, wie ich immer wieder scharf einatme. Sie ist mir so nah in diesem weißen Hybrid wie sonst niemand. Als ich aussteige, steigt sie auch aus. Für einen kurzen Moment sehen wir uns über das Autodach hinweg in die Augen, doch sie schaut schnell wieder weg, zündet sich eine Zigarette an. Ich habe das Gefühl, dass sie reflexartig mit mir ausgestiegen ist, weil uns dieser Moment verbindet, eine seltsame Verletzlichkeit, hervorgerufen von der Nähe und meinem Gemütszustand. Der Moment hat sie aussteigen lassen, die Zigarette, die sie zwischen den Fingern hält, ist nur ein Vorwand. Als ich den Eingang des Gerichtsgebäudes erreiche, meine ich, ihren Blick im Rücken zu spüren. Zwei Reihen von Menschen mit Mikrofonen und Kameras säumen den Eingang des Gerichtsgebäudes. Ich komme nicht ungesehen an ihnen vorbei, egal wie fest ich den Blick am Boden halte. Das Tor, das ich aufdrücke, bleibt offen stehen. Hinter mir ist alles live. Der Lärm der Medien, die versuchen, sich gegenseitig zu übertönen, folgt mir bis zum Eingang des Gerichtssaals. Eine Frau mit stimmloser Miene am Empfangsschalter führt mich dorthin. Der Saal wird von zwei Polizisten flankiert in einer graueren Version der Uniform, die ich von Straßenecken und Kontrollen kenne. Sie starren geradeaus, während meine Begleiterin etwas zu vehement die Tür aufstößt, die schwerer aussieht, als sie ist. Vielleicht hat auch sie ein zentnerwiegendes Tor aus Gestein erwartet, statt eines aus diesem leichten Holz. Im Saal murren und rumoren zehn vollbesetzte Sitzbänke auf beiden Seiten. Die Geräusche erinnern mich gleichzeitig an eine Sommernacht irgendwo am Land, wo die Grillen unaufhaltsam laut sind und die Minuten, bevor der rote Vorhang hochgeht und das Orchester seine Instrumente stimmt. Vor dem Orchester sitzt die Richterin. Ich habe mir ihren Namen eingeprägt. Der Anwalt hatte mir vor der Anhörung mitgeteilt. Ekaterina, Ekaterina Zwetterg. Dürfen wir hier unterbrechen? Gerne. Weil ich noch Fragen hätte. Du hast beschrieben, wie da die Meute drinnen sitzt und auf den Prozess wartet. Neben verschiedenen anderen Orientierungslosigkeiten ist auch die sexuelle Orientierung von Carmen nicht eindeutig. Sie trifft sich sowohl mit Männern als auch am Schluss hat sie eine Beziehung mit Mina. Mich beschäftigt immer, wie queere Personen in Romanen oder in Filmen am Theater dargestellt werden und ich dachte mir, interessant, ich hätte vielleicht mit dieser Meute und der Presse etwas gebaut, dass sie ihr das irgendwann zum Vorwurf machen, tun sie aber in deinem buch nicht warum nicht also ich bin selber bisexuell und war kamen für mich auch also das sind meine dass meine charaktere tendieren dazu auch bisexuell zu sein weil mir das am natürlichsten vorkommt und weil weil man dann auch ein bisschen mit diesen geschlechtsrollen spielen kann und in auch bisexuell zu sein, weil mir das am natürlichsten vorkommt. Und weil man dann auch ein bisschen mit diesen Geschlechtsrollen spielen kann. Und in dieser Welt hat es jetzt tatsächlich keine Auswirkungen. Und das war mir einfach wichtig, dass das dann nicht zu noch einem Thema wird. Das fand ich interessant, dass man es so wie es ist akzeptiert und du schaffst zu sagen, da ist ein Romanis, ein Bild, in dem es funktioniert und ich glaube, das ist hilfreich. Also so kam es mir am Ende des Romans. Ihre Mutter interessiert sich ja auch überhaupt nicht dafür. Also es ist nie ein Thema. Es ist eher ein Thema, weil sie ja sehr viel Online-Dating betreibt und sich mit irgendwelchen Leuten trifft. Also sie ist ja fast schon obsessiv. Sie hat Listen mit ganz vielen Leuten, also über 100 und das ist eher das Thema, also dass sie quasi eine Schlampe ist, dass es ihr egal ist, mit wem sie schläft und mit wem sie trifft und sie hat auch gar keine emotionale Bindung zu den Leuten, das fand ich den viel interessanteren Aspekt, als ob das jetzt Männer oder Frauen sind oder weder noch. Zum Schluss will ich doch noch auf dem Debütroman herumreiten. Bist du denn eine der jungen Autorinnen, die das genau, ihre Karriere genau planen, genau wissen, was danach kommt, sich genau überlegt haben, welches Thema sie als erstes setzen, um sozusagen der Öffentlichkeit klarzumachen, das ist mein Thema, da habt ihr mich weiter zu beobachten oder schreibst du einfach? Mir ist schon sehr bewusst, wie ich wirke und wie das wirkt, was ich schreibe. Also meine Karriere plane ich nicht, auch weil ich denke einfach nicht so, ich schreibe das halt und wenn ich dann Lesungen habe und Bücher verkaufe, freue ich mich sehr. Mir ist es eher wichtig, dass das Werk dann mir entspricht, also insofern ja. Aber ich habe eher die Angst, dass mir irgendwann die Ideen ausgehen oder dass das meine beste Idee war. Aber eine sehr gute Freundin von mir, Autorin Lisa Wölfel, die ein halbes Jahr später auch bei Crema und Sherry ein Buch ausbringt übrigens, die hat gemeint, das ist nicht in deinen Top 10 Ideen. Also sie hat großes Vertrauen in mich, dass ich noch andere Bücher schreibe. Sehr gut, vielen Dank. Ich muss jetzt eine Überleitung zu dem Buch von Jürgen Bettinger bauen. Ich mache mir immer den Spaß, in Büchern, die ich moderiere, die Songs oder Lieder zu finden, die darin vorkommen. Und es gibt tatsächlich in beiden Büchern einen Song und ich habe mir einen kleinen Zusammenschnitt erlaubt. Es ist bei dir von Ezra Fuhrman, Can I Sleep in Your Brain? Du zitierst das auch in vier Zeilen. Kannst du kurz was zu dem Song sagen? Can I Sleep in Your Brain? Du zitierst das auch in vier Zeilen. Kannst du kurz was zu dem Song sagen? Can I Sleep in Your Brain? Da geht es darum, ich halte es in meinem Kopf nicht aus, kann ich in deinem schlafen? Ezra, sie singt dann auch, ich mache dir auch Kaffee in der Früh und kann nicht bloß nur bei dir übernachten, weil ich halte es in meinem Kopf nicht aus, dass es zu dunkel ist. Aber das war ein Song, der dir wichtig war und du ihn eingeb nicht gepasst finde ich zu zu kamen weil sie es eigentlich mit sich selber dann nicht mehr aushält und und versucht dann irgendwie wieder kontakt zu ihrer mutter zum beispiel herzustellen ja auch wenn das sehr schwer fällt in der szene dann wird auch da kurz rein Can I sleep in your brain tonight stranger? Can I rest my bones in your head I won't make too much noise While I stay here Vielen Dank, Annika Suk. Ich werde Sie nachher noch mal auf die Bühne bitten für Fragen, wenn Sie Fragen haben. Jetzt ganz was anderes. Da war ein Wirtshaus, aus dem das Licht noch auf den Gehsteig schien. Ich hatte Zeit und mir war kalt, drum trat ich ein. Da saßen Männer mit braunen Augen und mit schwarzem Haar. Und aus der Jukebox erklang Musik, die fremd und südlich war. Als man mich sah, stand einer auf und lud mich ein. Griechischer Wein ist so wie das Blut der Erde, komm, schenk dir ein. Und wenn ich dann traurig werde, lief es da. Griechischer Wein von Udo Jürgens erklingt auf Seite 61 von Jürgen Pettingers Roman Autochton. Im Bierfass einer Kneipe, die demnächst geschlossen werden wird, Personalmangel. Diese Klage über fehlende ausländische Arbeitskräfte kennen wir aus unserer Gegenwart. Auch vieles andere, über das wir in diesem Roman lesen. Auftretende Personen erinnern uns nicht zuletzt aufgrund satirisch überformter Namen rein zufällig an lebende Personen. aufgrund satirisch überformter Namen rein zufällig an lebende Personen. Es ist die Rede von den hässlichen Bildern, die sich nicht vermeiden lassen werden, der Ruf nach dem Schutz unserer Kinder vor sexueller Indoktrinierung durch queere Personen. Es wird der fast verzweifelte Ausruf Van der Bellens zitiert, so sind wir nicht. Vorweg, nach der Lektüre von Autochton muss ich unserem Bundespräsidenten leider mitteilen, manche von uns mögen so nicht sein, viele sind es sehr wohl und die große Masse verhält sich ohne Sinn situationselastisch. Ich lese einen Roman von vorgestern und übermorgen, so der Unterel. Und erkenne, in unserer Gegenwart steckt das Potenzial für das Realwerden dieser dystopischen Zukunftserzählung. Aber lassen Sie mich ein wenig ausholen. Vor etwas mehr als 100 Jahren erschien Hugo Bettauers Die Stadt ohne Juden, ein Roman von übermorgen, wie es dort im Untertitel heißt. Der Beschluss wird ausnahmslos umgesetzt, das Kulturleben und das Wirtschaftssystem bricht daraufhin zusammen. Eine kleine Widerstandsgruppe formiert sich, nutzt die zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung und gewinnt. Die Juden kehren zurück, Wiens Bürgermeister hält eine Rede am Rathausplatz. Der Roman endet mit dem Ausruf, mein lieber Jud, aus dem Mund eines, der noch vor kurzem die Juden hasste. Wir wissen, dass es bereits wenige Jahre nach Erscheinen von Die Stadt ohne Juden in Deutschland, Österreich, Europa nicht mehr nur um die Vertreibung der Juden, wie in Bettaurs fiktionalem Text ging, sondern um deren physische Vernichtung. Bettau ist übrigens 25 gestorben und hat die Übererfüllung seiner Prophetie nicht mehr erlebt. 100 Jahre später macht Jürgen Pettinger etwas gleichermaßen Originelles wie Ungeheuerliches. Er überschreibt die Stadt ohne Juden, er schreibt Autochton. Dramaturgisch orientiert er sich in vielerlei Hinsicht an Bettauers Romanhandlung, an Figurenkonstellationen bis hin zu Passagen, die er eins zu eins übernimmt. Aber er verankert die Handlung in unserer Zeit. Das Stichwort heißt nicht Judenvertreibung, sondern Remigration. Es sind nun die Ausländer, die ausnahmslos des Landes verwiesen werden. Die fehlenden Arbeitskräfte lassen das Wirtschaftssystem kollabieren. Auch in diesem Roman organisiert eine kleine Gruppe den Widerstand, allerdings mit anderen technischen Möglichkeiten als im Betthauers Roman. Soll man Hugo Betthauers Roman lesen, bevor man Pettingers Roman liest. Ich weiß nicht genau, ob ich dazu raten soll, aber ich habe es getan und kann davon berichten. Sobald ich das Prinzip von Pettingers Überschreibung verstanden habe, führte das zu immer weiterführenden Spekulationen, wie er jenen Handlungsstrang, jene Figurenkonstellation in das Heute übersetzt. Ich nehme als Leser eine ungewohnt aktive Rolle ein, auf gewisse Weise schreibe ich lesend Pettingers Roman mit. Das Ergebnis dieser literarischen Strategie ist mehr als unheimlich. Strategie ist mehr als unheimlich. Eine Zeit lang schafften es die alten Parteien noch, sich mit ihren Winkelzügen wie Dreifachkoalition und Ähnlichem an der Regierung zu halten. Ein Zitat. Dieser Satz katapultiert uns gleich zu Beginn des Romans in eine möglicherweise sehr nahe Zukunft. Und während der Lektüre von Autochton habe ich unentwegt die Frage im Kopf, wird das, was ich hier lese, in ein paar Jahren genauso gesellschaftliche Realität sein, wie gesellschaftliche Realität wurde, was Bettauers Leser vor 100 Jahren in seinem Roman lesen konnten. Nicht zuletzt deswegen, weil damals wie heute diejenigen, die diesen Gesellschaftsumbau wollten oder wollen, unter uns leben und immer mehr werden. Vor allem aber war es ein Gedanke, der mich während der Lektüre zunehmend geängstigt hat. Pettinger zeigt zwar einen Weg heraus, eine kleine Gruppe Aktivisten um den Sprayer Malik gelingt es, mithilfe sozialer Medien, geschickter Programmierer, Helferinnen im Ausland etc., die Geschichte anders weiterzuschreiben, als sie mit dem Erlass des Remigrationsgesetzes zu schreiben begonnen wurde. Aber diese Aktivistengruppe entwickelt ihre Schlagkraft erst als Widerstand gegen die neue gesellschaftliche Realität. Heißt das, es muss erst eine illiberale, eine inhumane Gesellschaft etabliert werden, die Rechte von Minderheiten müssen erst abgeschafft werden, um sie dann wieder einzuführen? werden, um sie dann wieder einzuführen? Müssen die Regierenden den Bogen erst überspannen und wie zum Beispiel in Autochton beschrieben, die eigene Bevölkerung systematisch zu töten beginnen, damit es gelingen kann, Geschichte neu zu machen? Ist eine Widerstandsgruppe wie die um Malik auf Menschen angewiesen, die begreifen, dass das Undenkbare tatsächlich geschehen kann. Aber können wir überhaupt begreifen, dass das Undenkbare möglich ist, bevor es eingetreten ist? Wenn ja, hieße das, die Errichtung einer solchen Gesellschaft können wir an dem Punkt, an dem wir uns derzeit befinden, nicht mehr stoppen. Und Franz Schuh hat recht, wenn er, Klammer auf, altersweise, Klammer zu, sagt, ich hoffe, ich zitiere ihn richtig, wir müssen da durch. Auf jeden Fall beschreibt dieser Satz auch meine Befürchtung, wir müssen da durch. Das und andere Fragen will ich jetzt mit Jürgen Pettinger besprechen. Herzlich willkommen. Die erste Frage, äquivalent zu der von Annika Suck, wie bist du? Und das ist ja auf andere Weise aufregend, auf die Idee gekommen, Hugo Petters Roman neu zu schreiben. Und ich muss ganz ehrlich sagen, als ich von dem Projekt erfahren habe, auch noch als ich zu lesen begonnen habe, es hat sich dann geändert, habe ich gesagt, darf man das? Ich glaube, man darf alles, gerade wenn es um Kunst geht. Ganz ehrlich, wie ich darauf gekommen bin, es war ein Blitzeinfall eigentlich. Ich habe gerade an einem anderen Roman geschrieben, der vertraglich schon abgesichert war und war schon mitten quasi in den ersten Kapiteln, der wird jetzt erst 2027 erscheinen, und da ist mir eingefallen, mein Gott, das könnten wir tun. Hintergrund war wohl doch, ich war mal so, ich bin ja schon Journalist im Hauptberuf und habe von einer riesen Demo, das war Jänner letzten Jahres, in Wien berichtet. Das war so eine Demo gegen rechts, direkt vor dem Parlament. Und da haben Identitäre, das ist so eine super rechte Aktivistengruppe quasi, so ein Banner entrollt, nämlich am Dach eines Ringstraßenpalais, nämlich am Dach eines Ringstraßenpalais, wo draufsteht, führe Migration. Mit allem Primborium, was so Ultrarechte eben tun. Und das hat mich irgendwie getriggert, dass dieser Ruf jetzt auch hier angekommen ist, hier so mitten in der Gesellschaft. Wenn ich mich recht erinnere, war das nach, der Begriff tauchte ja auf, glaube ich, nach Erfurt fand eine Sitzung unter Rechten, unter anderem österreichischen Rechten statt, wo das quasi ähnlich wie bei der Wannsee-Konferenz geschlossen wurde. Und dann tauchte, glaube ich, diese Demo. so ist es mir erschienen, immer mehr in die Mitte der Gesellschaft gelangt, bis dann plötzlich der Parteichef einer bestimmten Partei, die sich jeder ausdenken kann, selbst bei Wahlkampfveranstaltungen zur vergangenen Nationalratswahl, wo er ja die Mehrheit errungen hat, also seine Partei zur größten Partei in Österreich gemacht hat, bei Wahlkampfveranstaltungen mit diesem Begriff sozusagen auf Stimmenfang geht. Und das hat mich regelrecht schockiert. Hattest du denn den Roman von Hugo Bettauer auf dem Tisch liegen und konntest danach greifen und sagen, das mache ich jetzt? Ich kannte Hugo Bettauer, weil er mich als Journalist und Schriftsteller schon seit geraumer Zeit interessiert. Er selbst war auch Journalist und Schriftsteller. Er heißt dann auch nur ähnlich, Bettinger, Bettauer oder so. Jahren schon in seinen Zeitschriften, die er herausgegeben hat, wahnsinnig fortschrittliche Dinge geschrieben und gefordert, zum Beispiel für seine Zeit wirklich fortschrittlich die Aufhebung des Totalverbots für homosexuelle Männer oder auch die Gleichstellung von Frau und Mann. Er hat sich sehr stark gegen die damals regierende ultrakonservative Regierung ausgesprochen. Bundeskanzler war zu seiner Zeit ein katholischer Würdenträger, ein Prelat sozusagen, der natürlich ist ja dann auch gerichtlich sozusagen gegen ihn vorgegangen, aber er hat nicht aufgekürt. Und 1922 hat er eben dieses Buch geschrieben, ein Büchlein, wie er es selber nannte, Die Stadt ohne Juden, weil er auf einer öffentlichen Toilette eine Schmiererei gesehen hat, nämlich Juden raus. Und das hat ihn getriggert, das zu sehen. Und das hat ihn getriggert, das zu sehen. Und das ist wirklich ein, ich hatte so ein Leseerlebnis noch nie, dass ich ein Buch lese, von dem ich weiß, es hat sich dann quasi erfüllt und noch schlimmer. Das ist ja das Erreger. Und das parallel mit deinem Buch, vielleicht können wir kurz den Begriff Autochton übersetzen, bevor wir lesen. Das heißt sowas wie einheimisch, eingeboren. Heißt sowas wie einheimisch, eingeboren. Also das jetzt zu lesen mit der anderen Geschichte, das ist wirklich furchterregend. Naja, was ich schon auch sehe in den letzten Jahren ist, dass Dinge passiert sind, die ich niemals für möglich gehalten hätte. Nicht nur jetzt, was Corona betrifft, sondern auch schon davor, was die Politik in Österreich und vor allem auch innerhalb der Europäischen Union betrifft. Also wenn wir jetzt nach Ungarn schauen, dann würde ich ja fast sagen, dass dieses Buch, dort ist es Realität, mehr oder weniger. Aber ein Teil, das, was ich jetzt als furchterregend bezeichne, ist ja, dass wir wissen, bei Dauer hat das Buch geschrieben und es hat nichts daran geändert. Du meinst, es ist noch schlimmer gekommen, als ich es mir vorstellen konnte? Das ist ja das Irre. Es können Dinge passieren, die wir uns gar nicht vorstellen können. irre. Es können Dinge passieren, die wir uns gar nicht vorstellen können. Sie sind ja schon einmal passiert und deswegen können sie auch wieder passieren. Ja, und Bücher helfen nichts dagegen. Darauf wollte ich hinaus. Also Bücher, glaube ich, ja, Bücher helfen nicht unbedingt was dagegen, aber ich glaube schon, dass sich in manchen Köpfen Bücher auch festsetzen können. Wir wissen ja auch nicht, welche Widerstandskämpfer sich während des Naziregimes sozusagen, welche Widerstandskämpfer das Buch von Hugo Bettauer schon im Kopf hatten zum Beispiel. Also ich glaube schon, dass es sich irgendwo festsetzen kann und dann zumindest im Widerstand sein kann. Du hast vorhin schön gesagt, eigentlich sollte der Widerstand ja jetzt beginnen. Ja, aber mir fiel dann ein, bei Bettauer, hier wird sehr viel mit dem Internet bei dir gearbeitet, natürlich bei Bettauer wird mit Flugblättern gearbeitet, dann fiel mir natürlich die Gruppe um Sophie Scholl ein, was nichts genützt hat. Scholl ein, was nichts genützt hat. Also diese Geschichten fallen einem ein, sozusagen, dass es versucht wird, genauso wie einen Roman zu schreiben, aber was nützt es denn? Also wir sehen in der Geschichte und auch in der Gegenwart bei autoritären Regimen, es gibt einen Punkt, wo es einfach kein Zurück mehr wirklich gibt, sozusagen. Es werden anfangs immer rote Linien verlegt und verlegt. Die Gesellschaft gewöhnt sich daran. Die rote Linie wird noch einmal verlegt. Die Gesellschaft gewöhnt sich irgendwann wieder daran. Und irgendwann ist der Punkt erreicht, wo die Tür zu ist, nochmal einen Wandel herbeizuführen. Das ist meine Furcht oder die These, die ich zu formulieren versucht habe. Ich glaube, das ist auch eine politikwissenschaftlich belegte These. Lesen wir trotz. Sehr gerne. Funktioniert hier die Audioeinspielung oder so? Dann kriegen wir das nämlich gut hin. Ich würde nämlich so mitten im Text mal auch auf den Hugo Bettauer nochmal verweisen, also über 100 Jahre zurück in die Vergangenheit gehen. Eine pulsierende Präsenz an Menschen umringte das schöne und vornehme Parlamentsgebäude. Wie ein lebendiger Strom zog sich die Menge um das monumentale Bauwerk, schloss es ein, als wäre es das Herz eines gewaltigen, lebendigen Organismus. Farben gerieten in Bewegung, wirbelten zu einem atmenden Muster. Menschengruppen flossen wie Blut durch die pulsierenden Adern der Stadt, zwischen Asphalt und Beton, an Fassaden entlang durch Gassen, lärmend, lebendig. entlang durch Gassen, lärmend, lebendig. Unaufhaltsam schoben sie sich voran, strömten aufeinander zu, verhakten sich, verdichteten sich zu einer einzigen drängenden Masse und wurden eins. Die ganze Stadt schien sich an diesem Junitag um 10 Uhr vormittags versammelt zu haben, um dort zu sein, wo sich ein historisches Ereignis von unabsehbarer Tragweite abspielen sollte. Drohnen der staatlichen Rundfunkanstalt filmten die Menge für weltweite Live-Übertragungen. Stolz geschwenkte Fahnen und Wimpel in den Farben des neuen Landes, soweit die Kameras mit ihren Präzisionsobjektiven es einfangen konnten. Schwarz, Gold und Weiß dominierten das Panorama und symbolisierten Entschlossenheit, Ruhm und Reinheit. Überall erhoben sich Banner mit dem Emblem der Nationalen Freiheitspartei, kurz NFP, einem Phönix mit weit ausgebreiteten Flügeln, Sinnbild für die Wiederauferstehung des Volkes. Dazwischen Nahaufnahmen von lachenden und jubelnden Gesichtern, alt wie jung. Viele hatten sich die Farben der Bewegung auf die Stirn oder die Wangen gemalt. Andere trugen Armbänder, Kinder auf den Schultern ihrer Väter hielten kleine Flaggen, schwenkten sie mit ernster Entschlossenheit. Heranwachsende Burschen waren auf Laternenmasten und sogar die monumentale Statue der Göttin der Gerechtigkeit geklettert, die vor dem Hohen Haus thronte und an deren Waagschalen nun schwarz-weiß-goldene Bänder buschig im Wind wehten wie Pompons einer Cheerleaderin. Herausgeputzte Mädchen und Frauen in schlichten, eleganten Kleidern, Männer in ihren besten Outfits, einige mit den kantigen Parteiabzeichen an den Reverse. Jemand hatte sogar seinen Rollstuhl mit Blumen geschmückt. Alles quoll durcheinander, schwitzte, politisierte und schrie, wir sind das Volk, raus mit den Ausländern. Und jetzt gehen wir kurz über 100 Jahre zurück. Von der Universität bis zur Bellaria umlagerte das schöne, ruhige und vornehme Parlamentsgebäude eine einzige Menschenmauer. Ganz Wien schien sich an diesem Junitag um die zehnte Vormittagsstunde versammelt zu haben, um dort zu sein, wo sich ein historisches Ereignis von unabsehbarer Tragweite abspielen sollte. Und immer wieder fand sich ein Begeisterter, der plötzlich an den Kreis um ihn herum eine Und wir kommen zurück in die Gegenwart. Eine Gruppe politischer Aktivisten hatte sich Zugang zum Dach eines ehemaligen Adelspalais verschafft. zum Dach eines ehemaligen Adelspaläverschaft, ein prunkvolles Gebäude mit hohen Fenstern und verzierter Fassade, das inzwischen im Besitz eines wohlhabenden Händlers für Orienteppiche war. Von dort oben, für alle weithin sichtbar, entrollten sie ein knallgelbes Banner mit der Aufschrift Für Remigration. Die Buchstaben groß und schwarz, klar erkennbar, selbst von Weitem. Von unten lautes Gejohle, als das Banner sich entfaltete und im Wind zu flattern begann. Bengalische Feuer, die auf dem Dach gezündet wurden, warfen zuckende, rote und orangefarbene Lichtschimmer auf die Szenerie. Dichter Rauch stieg auf, umhüllte die Figuren und zog in Schwaden über die Straße, wo Menschen mit erhobenen Smartphones das Geschehen filmten. Einheit, Stärke, Zukunft, schallte es in Sprechchören, die sich wie eine Welle in alle Richtungen ausbreiteten. In der Vergangenheit war es bei ähnlichen Demonstrationen immer wieder zu Zwischenfällen gekommen. Menschen mit dunklerer Hautfarbe, schwarzem Haar oder Kopftuch waren nicht selten ins Visier genommen, angepöbelt oder gar verprügelt worden. Doch diesmal wirkte die Menge glattgezogen, einheitlich, wie gesiebt. Weit und breit kein flatternder Stoff, kein dunkelbärtiges Gesicht, keine Stimmen mit fremdem Akzent. Sogar die üblichen Kebab- und Nudelboxstände, die an normalen Tagen bis spät in die Nacht geöffnet hatten, waren geschlossen, regelrecht verbarrikadiert. Auch das Palais, das den luxuriösen Teppich-Flagship-Store beherbergte, war verriegelt. Die großen Schaufenster, ansonsten aufwendig beleuchtet und mit sündteuren Orient-Teppichen dekoriert, lagen im Dunkeln. Der Eingang war mit schweren Gittern gesichert, weshalb sich Beobachter fragten, wie die jungen Leute auf das Dach gelangt waren. Eine mögliche Erklärung bot der Blick auf die umliegenden Gebäude. Direkt hinter dem Palais schloss sich ein Anbau an, schlicht funktional ein Kontrast zu der historischen Fassade des Adelshauses. Dieses Gebäude stand unter der Verwaltung des Parlaments selbst, eine unauffällige Verbindung, die es den Aktivisten wohl erleichtert hatte, unbemerkt auf dieses Dach zu gelangen. unbemerkt auf dieses Dach zu gelangen. Plötzlich zerriss ein Aufbrüllen, aus der Mitte der Menge heraus die Luft. Unser Volkskanzler Humpel, hoch, hoch, der Befreier unseres Volkes. Ein offenes Auto fuhr langsam die Menschenmenge hindurch. Eine schwarze Oldtimer-Limousine vom Typ Steier, die ein Bundeskanzler zuletzt vor über 100 Jahren benutzt hatte und die nun extra aus dem Technischen Museum geholt wurde, um als Symbol für die neuerlich unmittelbar bevorstehende Zeitenwende zu fungieren. Hinten in dem Cabrio saß ein Mann von untersetzter Statur, bullig und unverkennbar vor Kraft und Selbstbewusstsein strotzend. Mit funkelnden Augen nickte er der Menge wohlwollend zu, verschränkte die Hände im Schoß, als müsse er seine eigenen Finger im Zaum halten. Nur wer ihn persönlich kannte, hätte bemerken können, dass er sich ein breites, triumphierendes Grinsen nur mühevoll versagen musste. Es war sein Tag. Heute würde er sein Vermächtnis in die Geschichtsbücher schreiben und die Zukunft des Landes für immer in neue Bahnen lenken. und die Zukunft des Landes für immer in neue Bahnen lenken. Ein Volkskanzler. Ich möchte noch mal, vielleicht nur kurz eine Anmerkung. Wir haben Karl Markowitsch gehört und kannst du uns sagen, woraus diese Aufnahme stammt? Das ist direkt genau der Anfang aus dem Buch Die Stadt ohne Juden von Hugo Betta aus dem Jahr 1922. Ja, aber wieso hast du diese Aufnahme mit Karl Markowitz? Weil ich sie anfertigen habe lassen und ihn gebeten habe, ob er mir das nicht aufsprechen könnte. Aber gab es nicht ein Feature über Bettauer? Tatsächlich bei Ö1 gibt es einen dreiteiligen Podcast über Hugo Bettauer, den auch Karl Markowitz gelesen hat, wo er die St Podcast über Hugo Bettauer, den auch Karl Markovitsch gelesen hat, wo er die Stimme von Hugo Bettauer spricht. Und ich weiß nicht, kennt jemand die Senderei Tonspuren? Genau, die auch hoffentlich demnächst mal wiederholt wird, die sich eben mit Hugo Bettauer beschäftigt, der ja im Jahr 1925, also heuer vor genau 100 Jahren, von einem frühen Anhänger der Nationalsozialisten, einem 21-jährigen Mann, in seiner Redaktion erschossen wurde. Hugo Betthauer hat deshalb natürlich nicht mehr miterleben können, vielleicht sogar dürfen, können, vielleicht sogar dürfen, dass seine Fantasie aus dem Buch Die Stadt ohne Juden noch um das zigfache an Brutalität und Grausamkeit übertroffen wurde. Ich möchte nochmal zu dem Punkt zurück, dass ich gesagt habe, darf man denn das? Und es fiel mir natürlich im nächsten Schritt ein, dass es natürlich ein gültiges literarisches Verfahren ist. Ich weiß nicht, ob Sie Simon Stone zum Beispiel kennen, der Tschechow überschrieben hat, Meteow überschrieben hat, mit der er überschrieben hat, also eigentlich genau an der Figurenkonstellation. Du reißt mich genau in der richtigen Ebene ein. Aber im Grunde genauso gearbeitet. Was mich interessieren würde, was waren die größten Herausforderungen, den Text in einer Zeit 100 Jahre weiter zu transformieren? Einerseits, andererseits, was wolltest du denn transformieren? Also was wolltest du in deinem Text noch erzählen, was vielleicht bei Bettauer nicht vorkommt? Also ich wollte Hugo Bettauer erstens mal schon ein kleines Denkmal setzen, auch in der heutigen Zeit, weil sein Buch wirklich prophetisch war und er sehr weit seiner Zeit voraus war. Und ich wollte mich deshalb auch recht klar an seine Struktur halten. Er arbeitet sehr viel mit Kapiteln, er hat eine Liebesgeschichte drin und all diese Dinge. eine Liebesgeschichte drin und all diese Dinge. Er schaut so rein, so fast wie durch Schlüsselloch in einzelne Gebiete, er schaut sogar in ein Bordell rein zum Beispiel, was mit den Sexarbeiterinnen dort passiert, wenn alle Juden weg sind. Und in seiner Fantasie sind die alle arbeitslos sozusagen, weil die reichen Juden weg sind. Und er schaut mit einem Politiker hinein, wie das dann zum Verhängnis wird. Ganz genau. Oder woraus sich sozusagen ein Erpressungsmotiv ist. Ich habe mir überlegt, ja genau, also viele Dinge, es ist natürlich ein Unterschied, ob ich alle Menschen mit Migrationshintergrund des Landes verweise oder Juden des Landes verweise. Sozusagen wir sind heute in einer völlig anderen Situation wirtschaftlich, auch mit dem Vorwissen, das wir heute ja haben, was nämlich während des NS-Regimes passiert ist. haben ja auch schon alleine eine unterschiedliche Dicke. Man muss heute einfach viel weiter ausholen. Wir haben heute nun mal Internet. Wir haben nun mal unglaublich viele Medien, Zeitungen, Fernsehen, Radios, Social Media. Wahnsinnig viele Informationen, die man selbst als Journalist ja kaum mehr verarbeiten und reflektieren kann. Aber es war natürlich eine Aufgabe, das in das Buch einzubauen und daraus eine glaubwürdige Widerstandsbewegung zu entwickeln. Es sollte glaubhaft bleiben, es sollte auch sozusagen politisch auch glaubhaft bleiben, wie sich das entwickeln kann und wie man auch politisch da wieder rauskommt. Und der Gedanke, das hat mich wirklich mitunter am längsten beschäftigt, wie kann heute Widerstand funktionieren und wann ist es Zeit für Widerstand und dann mit welchen Mitteln? Ich habe tatsächlich kürzlich auch mit einer Historikerin vom Institut für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck geredet, die sich dort übrigens an der Uni dieselbe Frage auch schon gestellt haben. übrigens an der Uni dieselbe Frage auch schon gestellt haben. Sozusagen, wann ist es adäquat, zum Beispiel jetzt im brutalsten aller Widerstandsfälle, einen politischen Führer zu erschießen, zum Beispiel? Was muss da davor passiert sein? Also zum jetzigen Zeitpunkt wäre es einfach nur ein grausamer und brutaler und nicht zu rechtfertigender Mord. Aber was ist, wenn Menschen vertrieben werden oder wenn Menschen in großer Masse getötet werden? Ist es dann gerechtfertigt? Und dieser Frage versuche ich in dem Buch nachzugehen. Meine Widerstandsgruppe ist im extrem friedlichen Widerstand. Ja, aber ich hatte den Eindruck, anders als bei Bettdauer, baust du etwas, was wirklich so schrecklich ist, dass sich sozusagen Widerstand regen muss oder eine Gesellschaft gibt sich völlig auf. Das fehlt bei Bettdauer. Du hast es eingebaut. Das, was so schrecklich dir vorkommt in diesem Buch, hat es auch schon mal gegeben. Also ich habe die Dinge nicht erfunden. Und auch schon während des Naziregimes hat man gesehen, als die Nazis plötzlich angefangen haben, Menschen mit Behinderung umzubringen, das war eine rote Linie, die sie verschoben haben, um zu schauen, wie reagiert die Gesellschaft. Um zu bringen. wieder eingestellt sozusagen. Und mit dem Wissen, das wir heute haben, habe ich eben ein Szenario entworfen, das, glaube ich, für eine nahe Zukunft oder möglicherweise realistisch ist oder möglicherweise in gewissen Ländern dieser Welt schon umgesetzt wird. Aber zu welchem Schluss seid oder bist du und die Innsbrucker Historikerin gekommen? Wann ist denn Widerstand nötig oder möglich? Meine These ist ja, es muss so schrecklich werden, dass, du beschreibst es auch so, dass die Menschen nicht fassen können, dass das wirklich eintritt und dann kommt erst etwas in Bewegung. Dazu muss es aber erst eintreten. Ich glaube, Widerstand, gerade so gewaltvoller Widerstand, der in meinem Buch ja gar nicht vorkommt, die schaffen es wirklich mit friedlichem Widerstand, ist auch möglich, also halte ich auch für realistisch. der bisherigen autoritären Politik, muss ihn leiden und muss selbst erkennen, dass das, was sie gewählt haben, so nicht eintritt und möglicherweise auch nie kommen wird. Denn Widerstand braucht immer auch ein gewisses Backup aus der Gesellschaft, sonst ist es einfach nur Mord, zum Beispiel im Extremfall. Und darum versucht meine kleine Widerstandsgruppe in diesem Buch, das Denken der Menschen in diesem Land zu verändern, indem sie die Gesellschaft eben darauf hinweisen, dass plötzlich ohne Menschen mit Migrationshintergrund vieles schiefläuft. Das Erstaunliche oder das Interessante bei der Lektüre ist ja auch, dass man erst denkt, naja, kann eine Regierung so blöd sein, nicht zu berechnen, wenn ich jetzt alle Migranten rausschicke, dass das Wirtschaftssystem aufrechterhalten bleibt. Dann denke ich, Moment, der nächste Gedanke ist, ich denke an Trump, der gerade sehr viele hunderttausend Menschen außer Landes bringen muss, wo er offenbar jetzt aber wieder eingeknickt ist, was ihm ein Problem mit seiner Basis verschafft. Hier wird das durchgezogen, nämlich ausnahmslos. Das ist auch von Bettau übernommen. Da gibt es auch so eine Stelle, wo keine Ausnahmen genehmigt werden. Also es kommen natürlich dann welche und sagst, du kannst doch nicht meinen Schwager oder so eine Ausnahme nennen. Es wird keine Ausnahme gemacht. Jetzt habe ich den Faden verloren. Genau, und das ist natürlich eine Überspitzung. Warum ist auch sehr viele Figuren, ich habe es gesagt, es sind schon durch die Namen, es sind sehr viele Figuren, sehr viele Situationen sind überzeichnet. Warum scheint dir das das richtige Mittel, über sowas zu sprechen? Weil es Hugo Betta auch getan hat, sozusagen. Und daran wollte ich mich so ein bisschen festhalten. Und ich wollte natürlich auch einen Bezug zur Gegenwart oder zu einer möglichen nahen Zukunft herstellen. Und ich glaube gar nicht, dass das so eine Überspitzung ist, wenn ein Regime etwas tut, von dem es ja wissen muss, dass es nicht gut endet. Denn ganz viele Regime tun ja genau das die ganze Zeit. Das sehen wir in der Geschichte der Menschheit und in der Geschichte der Welt, aber das sehen wir ja auch in der Gegenwart. Ja, und da hast du natürlich recht, selbst wenn man, also die Figuren erscheinen auch im ersten Augenblick viel überspitzt, aber wenn man sich dann mögliche Vorbilder anschaut, denkt man, nein, es sind eigentlich Karspallen. Ich habe tatsächlich versucht, wie ich das immer in meinen Büchern tue, möglichst auch an einer vorstellbaren Realität zu bleiben und ich habe durchaus mit Expertinnen und Experten gesprochen, mit Migrationsexpertinnen, mit Wirtschaftsforschern zum Beispiel. Das Interessante war am WIFO, dem Wirtschaftsforschungsinstitut, also eine nicht ganz unbekannte und unerkannte Forschungsstelle, da gibt es sogar Studien über den fiktiven Fall, dass es in Österreich keine Menschen mit Migrationshintergrund gibt. Also was da drin steht, ist tatsächlich mit Zahlen, Daten und Fakten aus dem Wirtschaftsforschungsinstitut und anderen Stellen belegt. Du hast gerade erwähnt, du hast zwei weitere Romane davor geschrieben. Du hast es heute mal, als wir im Zug gefahren sind, als Sachbücher bezeichnet. Ich habe da nicht widersprochen, weil eigentlich sind es schon romanhafte Erzählungen, die sich sehr stark mit einem oder beiden, warst du hier, Franz Doms, also zwei Biografien und mit Dorothee Hanef, der Schauspielerin, beschäftigt hast. Also bist du ja auch entlang deren Biografien gegangen, hast deine fiktionalen Texte da entwickelt. Was war der Unterschied zu diesem Text? Ich stelle mir so vor, du hast dir eine Wörterdatei beschafft mit dem Bettauer-Text, hast den am Computer gehabt und hast ihn tatsächlich zu überschreiben begonnen. Wie bist du damit davon? Das ist eine coole Vorstellung. Nein, es war ganz anders. Ich habe Hugo Bettauer, glaube ich, 50 Mal gelesen, bis ich ihn fast halbwegs, fast auswendig konnte schon, sozusagen, und habe einfach versucht, mein Buch nach seinem System aufzubauen. Und ich wusste ab einem gewissen Zeitpunkt, und das ist so ab dem ersten Drittel circa, werde ich dieses System verlassen müssen und dann mein eigenes System daraus entwickeln, weil die Zeit einfach eine komplett andere ist und unsere Gesellschaft heute ganz anders tickt. Und ich ja in diesem Buch auf etwas anderes auch hinaus will. Also die Menschenmasse, die hier ausgewiesen wird, ist ja allein schon von der Anzahl her heute viel größer sozusagen und es hätte andere Auswirkungen auf die Gesellschaft. Hugo Bettauer ist ja immer davon ausgegangen, das war ein sehr satirisches Buch ja auch, dass wenn die Juden ausgewiesen werden, dass nur Reiche ausgewiesen werden. Man muss dazu sagen, Hugo Bettauer war selbst auch jüdisch, ist dann aber zum Christentum irgendwann konvertiert, aber war dieser Religion immer noch sehr verbunden. Und ich wusste aber, bei mir ist es ja zu einem großen Teil genau das Gegenteil. Also Menschen mit sozial schwächeren Menschen würden ausgewiesen werden. Und wie geht die Regierung damit um? Also ich besonders interessant, weil es unmittelbare Auswirkungen hatte. Wenn ich mich recht erinnere, ein Südtiroler Mann, der mit einem Nicht-Europäer verpartnert ist, der in Österreich lebt. Die schwule Partnerschaft, die gleichgeschlechtliche Partnerschaft wurde abgeschafft. Und beide haben sozusagen den Aufenthaltsstatus verloren. Das sind tatsächlich zwei meiner besten Freunde. Also die gibt es wirklich, ich habe nur die Namen ausgetauscht. Die sind in Österreich verheiratet. Er ist Südtiroler, also Italiener. Der andere kommt aus dem Irak und hat einen Aufenthaltsstatus, einen rechtmäßigen natürlich in Österreich. Und ich habe mich gefragt, was passiert, wenn jetzt alle Menschen mit Migrationshintergrund ausgewiesen werden? Dann würden beide gehen müssen. Allerdings wurde die Ehe für alle ja schon aufgelöst durch so ein Regime. Das ist ja auch mitunter immer das Erste, was passiert, dass sehr fortschrittliche Gesetze für Minderheiten zurückgenommengenommen werden sehen wir auch in ungarn und in vielen anderen ländern derzeit und dann entsteht eben dieses grobe problem dass ein iraker sehr wahrscheinlich in italien das ja auch rechtsnational in meinem fantasie zumindest oder auch in der wirklichkeit wie man es nimmt dass der auch in italien nicht einreisen wird dürfen. Also die beiden würden sich trennen müssen und so finden sie eben den Weg, dass sie noch ein Land finden, das sie beide rechtzeitig aufnimmt. Und ich beschreibe dann aber auch schon auch in dem Buch, dass das vielen anderen Menschen dann nicht mehr gelingt, weil sie eben schon zu spät dran sind und auch die noch freien, nichtere Personen extremen Repressionen ausgesetzt sind. Und beides ist, glaube ich, auch heute gleichzeitig möglich. Absolut ist das gleichzeitig möglich. Und es passiert ja auch, sozusagen, da muss man jetzt gar nicht viel die Fantasie bemühen. Meine vorherigen Bücher über den jungen Mann, der 1944 hingerichtet wurde, weil er schwul war, oder die lesbische Schauspielerin Dorothea Neff, die ihre jüdische Freundin vier Jahre lang in ihrer eigenen Wohnung versteckt hat, dürften zum Beispiel in Ungarn nicht mehr verkauft werden. Beziehungsweise müssten sie per Gesetz verhüllt, verpackt werden und nur ganz oben am Bücherregal in der Buchhandlung stehen, damit Kinder darauf nicht zugreifen werden. Weil vor allem die Gleichzeitigkeit im Moment noch möglich ist und die Frage ist, wohin gibt es... Ja, das ist die große Frage. Ich fürchte, wenn rote Linien noch weiter verschoben werden und sich die Gesellschaft weiterhin an diese Verschiebung gewöhnt, wird es in eine Richtung kippen, die für Minderheiten und gerade jetzt auch für queere Menschen nicht gut ausgehen würde. Ich schaue mal kurz auf die Uhr, können wir noch fünf Minuten lesen? Ja, klar. Ich würde jetzt eh gleich einmal, also das Remigrationsgesetz wurde natürlich erlassen, mit großem Brimborium wurden alle Menschen außer Landes gebracht oder haben das Land freiwillig erlassen und natürlich ganz viele schreckliche Dinge sind schon passiert. Als nach einem endlosen heißen Sommer endlich tagelanger Starkregen einsetzte, brachte das zwar Abkühlung, aber auch Ungemach. Das städtische Kanalsystem und in Folge auch die Kläranlagen waren heillos überlastet. Straßen und Keller voll mit Abwasser und Unrat. Eine Rattenplage machte sich breit. Die Viecher waren überall und niemand wusste, wie man sie loswerden konnte. Alles schniefte und hustete. Bald wurde in den Foren und Messenger-Diensten über eine neue Epidemie spekuliert. Die Frage wurde laut, ob es sinnvoll sei, wieder Masken zu tragen, um Ansteckungen zu vermeiden, doch die Mehrheit entschied sich dagegen. Zu allem Übel tauchten über Nacht überall mysteriöse Schmierereien auf. An den Fassaden der leerstehenden Häuser, auf Garagentouren, Stromkästen und Bushaltestellen, sogar auf Schaufensterscheiben verwaister Geschäfte, unübersehbar in wenigen kräftigen Strichen aufgesprayt. An einer Hauswand prangte etwa die Silhouette eines Mannes mit leerem Einkaufswagen. Die Regale vor ihm waren verwaist, die Linien grob, aber so gesetzt, dass sie Schatten warfen, als wäre er in eine Sackgasse geraten. Über ihm stand in dicken Lettern, die Stadt verkommt. Ein paar Straßen weiter, auf dem heruntergelassenen Rolltor einer ehemaligen Bäckerei, war eine Hand zu sehen, ausgestreckt, bettelnd, aber niemand reichte ihr etwas. Die Finger waren langgezogen, wirkten ausgemergelt, fast krampfhaft. Wir wurden in die Irre geführt. Auf einem stillgelegten Kiosk zeichnete sich ein einfaches Motiv ab, ein Haus mit offenen Fenstern, dahinter nur Dunkelheit, ein schwarzes Quadrat. Die Worte darunter waren kantig gesprüht, als wären sie in letzter Sekunde noch hinzugefügt worden. Wir gehen zugrunde. Das größte Bild zog sich über eine lange Backsteinmauer in der Nähe des Rathauses. Ein Gesicht, schemenhaft, fast aufgelöst, in wenigen Linien, mit einem weit geöffneten Mund, als schrie es doch kein Lautrang heraus. Darunter stand in blutroter Schrift, wir müssen uns wehren. Obwohl es immer noch wie aus Kübeln schüttete, rotteten sich vor den besprühten Wänden schnell ganze Mobs zusammen, um die frechen Schmierereien zu begutachten. Sauerei, skandierte einer und erntete breite Zustimmung. Frechheit, ein anderer. Die Stadtverwaltung reagierte schnell. Trotz des Personalnotstands in der Magistratsabteilung für Instandhaltung standen vor Mittag bereits Reinigungstrupps mit Farbkübeln und Hochdruckreinigern bereit. Der Dringlichkeit geschuldet wurden auch aus anderen Abteilungen Mitarbeitende zusammengezogen, selbst aus der Stadtverwaltung, weshalb sich plötzlich Beamte und Vertragsbedienstete, die sonst in ihren Büros Formulare zu verwalten hatten, mit Blaumann und Gummistiefeln auf der Straße wiederfanden. Der Notdienst war eine patriotische Pflicht, aber viele dachten dabei sehnsüchtig an ihre trockenen Schreibtische. Am nächsten Morgen waren die Bilder wieder da, an denselben Orten, wo sie tags zuvor entfernt worden waren. Dieses Mal waren es überall dieselben Sujets, ein dampfender Haufen menschlicher Ausscheidung, stilisiert wie das in den Foren der eingeschworenen Parteianhänger besonders beliebte Pile-of-Poo-Emoji. Das Bild verschwindet, die Scheiße bleibt, stand darunter, passenderweise meist in unmittelbarer Nähe zum komplett übergelaufenen Gullis, wo sich penetrant riechende Pfützen gebildet hatten. Nachdem nun dieselben Stellen in zwei aufeinanderfolgenden Nächten beschmiert worden waren, wurde in der dritten Nacht Wachen aufgestellt und die zivilen Bürgerwehren in den betroffenen Bezirken in Alarmbereitschaft versetzt. Doch nichts geschah mehr, keine Spur von dem Übeltäter. Am nächsten Morgen allerdings tauchten an anderen Stellen der Stadt weitere Bilder auf. An einer zentralen Fußgängebrücke etwa prangte ein neues Motiv, eine große Sanduhr, fast leer, der Sand bereits größtenteils nach unten gefallen. Die Worte darunter waren knapp und unmissverständlich. Die Zeit läuft ab. Und so ging es nun Nacht für Nacht. An den Betonpfeilern der Hochstraße erschien eine Bauruine und die Frage und weiter. Auf den Versagen gleich mehrerer Einkaufszentren prangte in großen Buchstaben nichts zu kaufen. Morgen für Morgen versammelten sich immer größer werdende Menschenmengen an den Schauplätzen. Die anfängliche Empörung über die rätselhaften Bilder wich zunehmend der Neugier über den oder die noch rätselhafteren Urheber. Viel wurde spekuliert. Die einen verdächtigten ehemalige Klimaaktivistinnen oder Straßenkleber. Eine andere Vermutung, frustrierte Studierende, die ihre Studienplätze verloren hatten, nachdem der Wissenschaftsbetrieb reduziert und viele Studiengänge gestrichen werden mussten. Wieder andere glaubten fest an einen Einzeltäter, einen wütenden Geschäftsmann eventuell, der wie so viele hatte zusperren müssen. Sogar von jemandem aus dem innersten Kreis der Regierung war die Rede, denn man munkelte schon lange, dass es im Kabinett Humpel längst nicht mehr so friedvoll zuging, wie man den Leuten weiszumachen versuchte. Sicherlich der Höhepunkt war erreicht, als die berühmten Säulen der Nationaloper, der Stolz der Republik, eines schönen Morgens in Regenbogenfarben gestrichen war. Auf dem Bürgersteig davor stand auf einer Länge von sicherlich 30 Metern lieber lesbisch, schwul und lebensfroh als verklemmt und hetero. Gerade als es sich die ersten Menschen dort versammelten, um über neue Hinweise zu diskutieren, rollte die humpelsche Wagenkolonne vorbei. Der Kanzler, der stets auf Volksnähe und Hemdsärmlichkeit bedacht war, ließ anhalten, stieg aus und hielt vor den Schaulustigen eine spontane Rede. Darin sprach er über Sachbeschädigung, über die Zersetzung des Staates, Rede. Darin sprach er über Sachbeschädigung, über die Zersetzung des Staates, warnte vor Sittenverfall und Pornografie. Im Internet kursierten daraufhin hunderte Memes, die Humpel mit weit ausgebreiteten Armen zeigten, als wäre er der neue Prophet der queeren Community. Jemand hatte es sogar geschafft, einen Schnappschuss von einem oberen Stockwerk des gegenüberliegenden Hauses zu machen, während Humpel auf verklemmt stand. Das fanden sogar seine treuesten Anhänger witzig. Vielen Dank, Jürgen. Ich würde jetzt nochmal Annika Suck auf die Bühne bitten. Sie haben jetzt die Möglichkeit, Fragen zu stellen und ich weiß, dass der Buchclub Fragen vorbereitet hat. Sie können gerne anfangen. Sie kriegen ein Mikrofon, dann verstehen wir Sie alle. Die meisten Fragen wurden ja inzwischen ohnehin im Gespräch geklärt. Können Sie kurz uns sagen, Sie sind ein Buchclub hier im Haus und haben sich mit Jürgens Buch beschäftigt. So habe ich es, ja, nur damit die anderen wissen. Ganz kurz an Herrn Bettinger. Wie ist es Ihnen beim Schreiben ergangen? Und haben Sie das Buch für eine bestimmte Zielgruppe geschrieben? Also für eine bestimmte Zielgruppe eigentlich nicht. Sowas überlege ich mir gar nicht so genau. Ich schreibe, ich versuche immer das zu schreiben, was mich selbst interessiert oder wo ich mir denke, es macht mir Spaß, unter Anführungsstrichen. Und wie ist es mir beim Schreiben ergangen? Tatsächlich war das zum Teil recht seltsam, weil ich habe Dinge aus meiner Fantasie aufgeschrieben und die sind plötzlich passiert. Wie zum Beispiel, du hast es heute erwähnt, in meinem Buch werden irgendwann von Polizei und Armee Menschen regelrecht gejagt, um sie noch außer Landes zu bringen, weil sie sich irgendwo verstecken oder weil sie keine Möglichkeit haben, auszureichen. Und genau als ich diesen Teil geschrieben habe, ist es in Amerika Wirklichkeit geworden. Wir haben Bilder gesehen, wo Beamte in schwerer Rüstung, wie nennt man die ICE-Beamten oder so, ICE, regelrecht jagt auf Hispanics, jedenfalls auf Menschen mit dunklerer Hautfarbe zum Beispiel machen, in vielen Städten der USA. Und da habe ich mir dann schon gedacht, oh wow, wohin steuern wir da gerade und muss ich mir jetzt für mein Buch noch was Grauenhafteres einfallen lassen? Ich habe es dann dabei belassen und auch auf die Gefahr hin, dass die Realität mich während des Schreibprozesses überrollt. Eine abschließende Frage. Können einzelne Personen durch Widerstand ein Regime kippen oder eine Gesellschaft verändern? Ja, das glaube ich schon und zwar mit großer Überzeugung. Allerdings glaube ich, dass man nicht alleine bleiben darf. also dass einzelne Personen ist hier die Schwierigkeit. Ich weiß, die Sozialisten, heute war übrigens eine Demo, wie ich nach Linz gekommen bin und da hat der ganze Zug geschrien, internationale Solidarität sozusagen. sozusagen ein sehr sozialistischer Kampfruf der Arbeiterbewegung, aber das trifft total gut auf heutigen Widerstand zu, finde ich. Ich glaube nicht, dass es einzelnen Personen gelingen wird im Alleingang, aber ich glaube, dass es einem Zusammenschluss an Menschen gelingen kann. Nur der muss, weil wir heute Internet haben und in solchen Regimen wird Internet stark reglementiert und kontrolliert, die Medien sind sowieso auf Linie gebracht und so weiter, dass niemand wirklich was dagegen tut oder sagt, auch aus dem Ausland nicht. Ungarn ist Mitglied der Europäischen Union und auch aus Brüssel kommt irgendwie nichts, wenn dort ganz seltsame Gesetze erlassen werden, die überhaupt nichts mehr mit unseren westlichen europäischen Werten zu tun haben. Und da frage ich mich dann schon, ja, also dann wird Widerstand natürlich schwierig. Aber wenn sich der international organisiert, dann kann etwas geschehen. Darf ich an die Frage anschließen? Ich fand auch beim Lesen interessant, dass es eigentlich, ich glaube, in beiden Büchern eine recht kleine Gruppe ist, die den Widerstand organisiert. Und ich habe mich gefragt, ist es ein erzähler ökonomisches mittel weil ich nicht zu 27 leute beschreiben will oder sind solche widerstandsgruppen aufgrund ihrer natur klein auch weil sie sich dadurch in einem repressiven system leichter schützen lassen? Das, glaube ich, ist so ein bisschen der Grund. Es könnte ja mehrere Widerstandsgruppen geben. Ich schreibe hier über eine sozusagen. Das ginge schon. Aber ich glaube, diese Gruppen müssen heute irgendwie versuchen, unter dem Radar zu bleiben. Denn die Möglichkeiten, Menschen auszuforschen, sind heutzutage unglaublich gefinkelt. Hier werden ja sogar schon Drohnen eingesetzt für die Verkehrsüberwachung. Aber natürlich können die auch bei Fenstern reinschauen und eventuell mithören, was in Wohnungen passiert. Oder können Menschen regelrecht verfolgen, wenn sie irgendwo hingehen oder hinfahren und so weiter. Also wir haben ja GPS, jeder, also keine Ahnung, wer da dahinter steckt, aber die wissen, wo ich mich gerade befinde und wissen auch sehr wahrscheinlich, weil ich online ein Zugticket gekauft habe, wo ich hinfahren werde. Also man muss, glaube ich, einen Weg finden, um da irgendwie unter dem Radar zu bleiben und das ist recht schwierig. auch auf Graffiti, auf Schmierereien von Hauswänden zurück. Und auch das entspricht ja, ist ja nichts Neues, haben wir gesehen in Syrien. Dort wurde sozusagen Ersatz, ist ja nur so rigoros vorgegangen. Das hat angefangen mit Sprühereien, Ersatz-feindlichen Sprühereien auf Hauswänden sozusagen. So hat sich dann Widerstand formiert und den hat eben dann der Machthaber brutal niedergeschlagen, woraus ein jahrelanger Bürgerkrieg geworden ist, aber am Ende scheint es ja hoffentlich irgendwie wieder gut auszugehen. Das haben wir auch in Ägypten gesehen zum Beispiel und so Schmierereien können ein oder Graffitis können ein Regime ganz schön in Wallung bringen und das ist vielleicht ganz gut, weil auch die Gesellschaft redet darüber und denkt darüber nach. Gibt es noch Fragen an Jürgen oder Annika? Sonst hätte ich noch eine Abschlussfrage an jeden von euch. Danke. Ah, hat sich ja schon ergeben. Ja, super. Sonst gerne. Annika, was ist mit unserer Carmen in zehn Jahren? Also am Ende des Buchs hat sie sich ja quasi abgesetzt. Also sie hat zwischendurch nochmal studiert, sie hat versucht, sich ein neues Leben aufzubauen, aber es hat sie dann ihre Vergangenheit quasi wieder eingeholt. Und zehn Jahre später ist sie dann Ende 30 und ich weiß nicht, vielleicht ist sie dann schon alt und weise. Nicht so alt, aber weiser und kann vielleicht ein bisschen dann besser diese Schuld einordnen, wenn sie zurückblickt. Also ich wünsche es ihr zumindest, weil irgendwann muss man sowas natürlich auch zumindest ein bisschen loslassen. Jürgen, bitte um eine kurze Antwort, bis bei Ö1 heißt. Wo steht unsere Gesellschaft in zehn Jahren? Ja, ich hoffe nicht da. Aber es ist auch nicht unvorstellbar, dass sie dort steht. Man muss nur erkennen, wann Schluss ist, sozusagen. Vielen Dank euch beiden. Schluss ist sozusagen. Vielen Dank euch beiden. Zum Schluss noch, wenn ich beide Romane auf zwei Fragen reduzieren würde, würde ich zu Annika Sucks Roman sagen, kommt man da wieder raus? Und zu Jürgen Bettingers Roman, muss man durch sowas durch? Ich würde die eine Frage mit Ja, die andere mit Nein beantworten. Ich glaube, Sie wissen, welche ich die andere mit Nein beantworten. Ich glaube, Sie wissen, welche ich mit Ja und Nein beantworte. Damit Sie Ihre eigene Entscheidung treffen können, müssen Sie die Bücher lesen. Sie können sie hinten kaufen. Wenn, ich weiß nicht, ob das möglich ist, dein Ersatztext noch vorkommen soll, müssen Sie Annika um eine Kopie bitten. Dann wäre das Buch vollständig oder wird noch weiter geschrieben. Wie auch immer, vielen Dank für den schönen Abend, das schöne Gespräch. Danke, dass Sie da waren. Ja, auch ich möchte mich noch ganz kurz im Namen des Stifterhauses bei Annika Suk, Jürgen Pettinger und Andreas Jungwirth für die Lesungen sowie für die Moderation bedanken. Ein sehr gelungener Abend, wie ich finde. Der Büchertisch wurde auch schon kurz erwähnt. Er befindet sich wie immer hinten am Ausgang, betreut wieder von meinem Kollegen Lukas Kaiser und er kam in Zusammenarbeit mit Buchhandel Neugebauer zustande. Ich bin mir auch sicher, dass sie die Chance noch nutzen können und sich ihr Werk dann signieren lassen können von Annika Suk und Jürgen Pettinger. Besuchen Sie uns auch gerne diesen Donnerstag wieder und zwar im Rahmen der Reihe Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945. Um 19.30 Uhr liest Karl Markus Gauss aus Der verbrannte Dornbusch von Manisch-Berber. Das Referat hält Mirjana Stancic und anlässlich des 100. Grundbuches findet eine Podiumsdiskussion mit Regina Pinter, Kurt Neubahn und Klaus Kastberger statt. Die Moderation übernimmt unsere Institutschefin Petra Maria Dallinger. Ich hoffe, Sie haben den Abend genossen. Bis auf bald wieder hier im Stifterhaus. Auf Wiedersehen und vielen Dank.