. Großmutter sagt es mit Nachdruck. Die einfache Formel, die ihr alles aufgeht. Trost und Beruhigung, wenn sie es ausspricht. Gut bürgerlich. Ein Reißverschluss klemmt. Es ist heiß. Man müsste ein Fenster öffnen. Die verbrauchte Luft. Mutter zählt sich ins Kleid. Der Stoff hat sich im Reißverschluss verfangen. Immer dieser Fetzen, sagt Vater. Das ist kein Fetzen, sagt Großmutter. Das ist ein guter Stoff. Sie reiht den Saum zwischen den Fingern. Wieso immer, fragt Mutter. Sie hat dieses Kleid erst einmal getragen, bei Großvaters Begräbnis. Es ist elegant, sagt Großmutter. Vater wird ungeduldig. Seit einer Stunde ist er fertig. War gestern beim Friseur, um sich den Nacken ausrasieren zu lassen. Schwarzer Anzug, weißes Stecktuch, grauer Hut. Kann ich so gehen, fragt Großmutter. Ja, geh, nur geh. Wer sieht dich denn? Auf dich schaut doch keiner. Du bist alt. Natürlich, du bist alt, natürlich kannst du so gehen, außer die Mästen dir ohnehin nichts sagen, die Pelzmütze hast du wieder viel zu tief im Gesicht, schaust aus wie eine russische Bäuerin, ja du kannst ohne weiteres so gehen, sagt Vater. Mutters Reißverschluss ist endlich zu, sie tupft die kleinen Schweißperlen ab, die sich unter ihren Augen gebildet haben Dann malt sie die Lippen nach Auf diesen Mund kann sie heute noch stolz sein Schnell noch die Handtasche polieren, das Leder muss glänzen Vater möchte wissen, seit wann Mutter diese Tasche hat Seit Jahren, sagt sie, muss Mutter nicht Ich kenne diese Tasche hat. Seit Jahren, sagt sie. Großmutter nicht. Ich kenne diese Tasche nicht, behauptet Vater. Eine elegante Tasche, sagt Großmutter. Sie passt zu den Schuhen und das ist das Wichtigste. Mutter streicht den Handschuh glatt. Sie fragt, ob sie einen Handschuh auf der linken Hand und den rechten Hose in der rechten Hand tragen soll. Du wirst dir die Hand abfrieren, warnt Großmutter. Beeilt euch, sagt Vater. Und sie, was ist mit ihr? Warum liegst du auf dem Bett? Ist dir schlecht? Plötzlich alle drei Gesichter über mir. Du zerdrückst das Kleid, zieh die Schuhe ab, nimm den Mantel. Welchen Mantel? Deinen natürlich. Dieser schöne Mantel, sagt Großmutter. So ist es recht, so kann man sich sehen lassen. Ich mache noch ein bisschen warten, sagt Mutter. Es liegt so wieder um, lass mich aufräumen. Nein, Vater hat es eilig. Siehst du, jetzt ist dein schönes Kleid zerdrückt. Warum legst du dich auch aufs Bett? Lass dich anschauen, warum warst du nicht beim Friseur? Die Nervosität, sagt Großmutter, wenn ich zurückdenke. Denk nicht zurück, sagt Vater, knöpf lieber deine Jacke zu. Wenn ich zurückdenke, sagt Großmutter, mein Gott und Herr. Sie schaut heraus wie eine Leiche. Das Kind isst zu wenig und raucht zu viel. Jeden Tag einen schwarzen Kaffee auf nüchternen Wagen. Bitte nimm heute nicht ein Kölnischwasser, sagt Mutter und drückt Großmutter ein Fläschchen in die Hand. Sie werden ja nebeneinander sitzen und Mutter verträgt Großmutter 4711 nicht. Ich nehme immer mein Kölnisch Wasser. Großmutter sagt es, dass sie es so gewohnt ist. Außerdem muss sie sparen. Wer sagt, dass du sparen musst, bekommst ja jeden Monat genug, ruft Vater. Ich muss an die Zukunft denken, sagt Großmutter. Komm jetzt, sagt Vater, oder hast du es dir überlegt? Was ist, wenn ich es mir überlegt habe? Wenn wir anrufen und ausrichten lassen, dass wir nicht kommen, vielleicht irgendwann, später, aber nicht heute. Ich habe es mir überlegt, ich will nicht, weil ich das eigentlich nie wollte, weil ihr mich überlistet habt, weil ihr gesagt habt, nur eine Formalität. Und jetzt seid ihr aufgeregt, mir ist es ganz wichtig, seid alle gegen mich. Keine Angst, mein Kind, habt ihr gesagt, das ist nur Tradition. Vater läuft pfeifend die Stiegen hinunter. Mutter und Großmutter haben sich eingehängt und folgen langsam, weil die Alte nicht mehr so schnell kann, wegen der Knie. Sie steigt alle Stiegen seitlich hinauf und hinunter, seit sie sich eine Schleimhäutelentzündung geholt hat bei einem Ausflug auf den Sizilianischen Vulkan. Eine Schachtel Lavabösen hat sie reingebracht und die Knie. Sie haben Taschentücher eingesteckt, für alle Fälle. Auch ins Kino nehmen sie immer Taschentücher mit, weil sie nur in traurige Filme gehen, wo es sich austeilt. Aus dem Leben gegriffen, sagt die Großmutter. Neben unserem Fernsehapparat liegt immer ein Schachtel mit Zellstoff aus Vaters Ordination. Wenn ein Flugzeugabsturz gemeldet wird, muss Mutter weinen. Und bei Nachrichten aus der Sahelzone oder aus Indien besonders wenn Fotos gezeigt werden und bei alten Filmen mit Ovi Fischer und Ruth Läuberich und bei Wert geben. wie Fischer und Gut Läuberig und bei Wert geben. Seit es Papiertaschentücher gibt, kann man zu allen Gegenheiten aus ruhiger Weine. Alle vier Türen sind offen. Vater steht neben dem Auto. Warum dringt ihr alle da hinein? Es ist überall offen. Aber hör schon auf, sagt Mutter. Lasst uns doch einsteigen, wie wir wollen, sagt Großmutter. Sie soll vorne sitzen. Wer, du oder soll ich mich neben Vater setzen, fragt Mutter. Ruhe, bittet Vater, ich fahre jetzt. Langsam wird es mir zu dumm. Immer streiten, brummt Großmutter, das habe ich gern. Wirklich, es ist ein Verzweifel, für Verzweiflung, flüstert Mutter. Ruhe, sagt Vater, und du schnall dich an. Pass auf das Kleid auf, sagt Großmutter. Sie gibt nie acht, sie ist nur schickos. So sitzt keine Dame. Liebster Rolf, sagte ich, ich will nicht mehr. Er tat es mit einer Handbewegung ab. Das ist nur die Angst vorm kalten Wasser. Spring hinein. Ich sagte, dass ich plötzlich mutlos geworden sei. Da kam er mit anderen Rädern und baute eine fensterlose Mauer. Alles war schließlich vorbereitet, wir würden uns lächerlich machen. Ich sollte mehr Vertrauen zu ihm haben, das hätte ich noch bisher gehabt. Später würden wir gemeinsam darüber lachen. Du verstehst mich nicht, sagte ich. Wie willst du, dass man dich verstehen soll, wenn du dich selbst nicht verstehst? Wer wirklich frei ist, sagte er, wird sich durch äußere Formen nicht beendet fühlen. Wir sind keine Landstreicher, wir sind keine Zigeuner, sagte er. Ich kann es mir beruflich und gesellschaftlich nicht leisten, auf jede deiner Lauren einzugehen. Sag Nein, ich werde es akzeptieren. Ja oder Nein. Wenn du Nein sagst, werde ich die Konsequenzen ziehen. Aber du weißt, ich pflege bei dem zu bleiben, was ich mir vornehme. Ja, das weiß ich. Nach dem ersten Semester an der Technischen Hochschule merkte Rolf, dass Medizin eigentlich mir interessierte. Aber was einmal begonnen ist, muss durchgehalten werden. Wenn ich ihm gestand, dass ich schon wieder etwas Neues inskriptiert hatte, tröstete er mich mit Umarmungen. Ich war nichts, aber ihm galt ich viel. Ich taugte nichts, ihm taugte ich viel. Er sagte, du bist die einzige Frau, die mich nicht langweilt. Ich wusste nicht, was ich ohne Wolf getan hätte. Das brauchst du nicht zu wissen, sagte er, denn du hast ja mich. Wir lieben uns, ist das nichts? Was fing er mit einer Frau an, die keinen Ehrgeiz hat? Ich habe genug Ehrgeiz für uns beide. Das stimmte. An einem trüben Dienstag wurden im Festteil der Hochschule Rolfs Sponsoren und Promotion gefeiert. Er lud Freunde ein, sich das anzusehen. Ich tippte die Adresse nach dem Kurier. Wenigstens Maschinen schreiben hättest du lernen können, sagte Rolf. Ich fuhr damals allein, weil ich über all das und auch über das Maschinen schreiben nachdenken musste. Rolf fuhr voraus und bat mich, künftig zu sein. Heute will ich alles gut machen. Ab heute dachte ich an den Dienstag ohne Licht. Nur mit Ehrgeiz kommt man voran, schwor ich mir. Ich hatte die Mädchen auf der Uni immer bewundert, wegen ihrer vom Sitzen und Büffeln ausgebuchteten Röcke. Die Ungepflegten, die keine Zeit hatten für Firmenfahrt. Im Autobus, der zu Rolfs Ziel führte, blickten die Menschen sehr ernst, auch der Chauffeur. Eine alte Frau fragte ihn, ob das der richtige Bus sei. Der Chauffeur nickte. Er startete den Motor, mit dem Bewusstsein, dass es seine Pflicht war, alle Passagiere zur heutigen Sponsion und Promotion zu führen. Er hatte sich geopfert, hatte auf Matura und akademisches Studium verzichtet, um Leute zur Hochschule zu chauffieren. Er ließ mich mitfahren, weil ich eine Fahrkarte besaß. Aber etwas wie Vorwurf lag in seinen Augen. Sie hatten noch eine Chance und sie hatten nichts gemacht aus der Chance. Die alte Frau, die ihn gefragt hatte, ob das der Bus zur Hochschule sei, zog einen handgeschriebenen Brief aus der Tasche. Sie faltete ihn auseinander und las. Der Neffe teilte gewiss mit, dass er heute um elf promoviert würde. Oder vielleicht war es der Enkel oder nur ein Student, der in einem ihrer Lehrstühle im Zimmer gewohnt hatte und sich an die Zimmerfrau erinnert und sie eingeladen hatte. Neben der alten Frau saß eine junge Lehrerin. Das sah ich gleich, dass die blonde Lehrerin war. Die Frau fragte die Lehrerin, ob man beim Betreten des Westsaales der Hochschule die Einladung vorzeigen müsse. Die Lehrerin schüttelte lächelnd den Kopf. Die Frau vertiefte sich wieder in den Brief. Wahrscheinlich konnte sie es noch immer nicht fassen, dass der Junge es wirklich geschafft hatte und dass er sich an sie erinnerte. Sie fragte, wie viele Stationen es noch sei bis zur Hochschule. Noch zehn Minuten, sagte die Lehrerin. Oder war sie vielleicht Pharmazeutin? Jedenfalls wusste ich, dass sie irgendwas abgeschlossen hatte. Die Frau faltete endlich den Brief und steckte ihn zurück in die Tasche. Sie lächelte mich an. Ich lächelte zurück. Ob ich auch zur Promotion fuhr? Ja, sagte ich und wurde rot, weil ich spürte, dass mich die Vaterzweigin anschaute. Der Bruder? Nein, sagte ich, mein Bräutigam. Gratuliere, sagte die Frau und streckte mir in ihre knöchernen Fäden die Hand hin. Ich drückte zu. Ich fragte, ob ihr Sohn... Nein, mein Patenkind. Gratuliere, sagte ich. Und die Pharmazeutin schaute überlegen aus dem Fenster. Was haben denn Sie studiert, fragte die Frau. Ich? Nichts. Ist auch besser, sagte sie. Für eine Frau ist es besser. Was haben Sie denn für einen Beruf? Sekretärin, sagte ich schnell, weil mir einfiel, dass ich wenigstens Maschineschreiben hätte lernen können. Das ist ein schöner Beruf für eine Frau, sagte die Patin. Ich bin auch Sekretärin, sagte die Frau Zweitin. Ich fahre zur Promotion meiner Schwester. Und dort in dem Festsaal roch es nach zu vielen Menschen und es wurde Lateinisch gesprochen. Einige Männer hatten sich verkleidet und trugen seltsame Kopfbedeckungen und hinter hinter mir sagte einer, dass der Diplomingenieur nicht hinter den Doktor zurückstehe, weil es ein gleichwertiger akademischer Grade. Und ich dachte, dass Rolf nicht nur Diplomingenieur war, sondern auch Doktor der Technik. Dann wurde mir kalt. Und am Abend jenes Dienstags konnte ich nicht mehr mit ihm schlafen. Seine Unterhosen fielen mir auf. Ich musste mich wegdrehen. Gute Nacht, Zauber. Wohin geht die Liebe, wenn sie geht? In den Arsch? Sei nicht ordinär. Er war so stark, ich so schwach. Alles so schön und jetzt kann ich nicht mehr. Sei kein Kind, sagte Rolf, wie mager er sich an mich presste in jener Nacht. Geh zu einem Blinden und sag ihm, sei nicht blind. Also gut, sagte der Doktor Diplom-Ingenieur und drehte das letzte Licht aus. Vater sagt, Rolf ist ein anständiger und tüchtiger Bursche. Mutter sagt, auf Rolf kann ich stolz sein. Großmutter sagt, das Wichtigste ist eine gutbürgerliche Verbindung. Vater hat Rolf sein zweites Paar Gummistiefel geschenkt. Er wird jetzt einen Fischerkameraden haben und einen Jagdfreund. Es gibt kein Zurück mehr. Wer geht zuerst hinein? Sie schieben mich. Du. Mit wem? Natürlich dem Vater. Die Orgel spielt schon. Organisten tragen rolle Fingerwärmer. Das habe ich einmal im Kino gesehen. Sie sind immer arm und frieren, weil sie Künstler sind. Gib mir noch einen Kuss, bittet Mutter. Mir auch, sagt Vater. Mir soll sie auch noch einen Kuss geben, sagt Großmutter. Schau, dort steht eine zukünftige Schwiegermama. Großmutter zeigt mit dem Finger. Vater holt ihre Hand zurück. Red nicht so viel. Man wird doch noch reden dürfen, sagt Großmutter. Ich bin Mutter und wenn ihr nicht lehrt, lehrt ihr alle nicht. das Kleid. Das ist deine Hochzeit, die Braut bist du. Das ist kein langes, weißes Nachthemd, was du anhast, das ist ein Brautkleid. Und der, der so glas in dir sitzt, das ist noch immer Rolf, dein Mann ab jetzt. Nicht für dich, für die anderen. Du hast ja gesagt vor den Priester und Nein gedacht. Du hast also gelungen. Jetzt löffel die Suppe aus mit dem Silberlöffel. Kellner scharren sie herum. Kellner habe ich nie leiden können. Etwas Glitschiges ist an ihnen. Sie tragen zuerst mir auf, obwohl ich am weitesten von der Tür entfernt sitze. Da müssen sie einen Umweg machen. Links zwei, drei, bitte sehr. Dann kommt Rolf dran, bitte sehr, dann meine Mutter. Sie verliert nicht die Tochter, sie gewinnt einen Sohn. Dann Rolfs Mutter. Sie hat ein langes Haar auf der Oberlippe. Wenn sie lacht, sieht man krankes Zahnfleisch dort, wo die Goldaken sind. Seit Rolfs Vater am Gehirnschlag gestorben ist, lacht und redet sie viel. Eigentlich nur unterbrochen. Wir werden natürlich nicht bei ihr wohnen, Rolf denkt modern. Links zwei Bereiche wieder steht ein Kellner da. Ich bekomme eine Scheibe Ananas mit einer roten Kirsche. Nur ich? Nein, ich zuerst. die Reihenfolge ist wichtig. Wie kann man auf sowas Gedanken verschwenden? Wie kann man servieren auf so einer Hochzeit? Außerdem ist es kalt, aber keiner gibt es zu. Dieses Restaurant war früher der Speisesaal einer Ritterburg. An den Wänden hängen noch Malereien, die schmutzig lecken, weil ich kurzsichtig bin. Eine Braut mit Brille, das geht nicht. Hier ist es teuer und Vater hat alles bezahlt. Wie soll man dazu geben, dass schlecht geheizt ist? Rolf bemerkt mich gar nicht. Es ist sein Tag. Er weiß noch nicht welcher. Alles nach Plan gegangen. Wohnungskauf mit Anzahlung von Schwiegermutter und Vater. Das Objekt war günstig. Kapitalanlage. Eine schöne Wohnung ist ein ausbruchsicheres Gefängnis. Albert und Hilde sitzen zwischen Onkel Mandy und Tante Grete. Hilde wollte Fernsehsprecherin werden. Ihre Eltern haben es nicht erlaubt. Da hat sie Albert eingekauft, mit einer Wohnung. Albert könnte sich diesen Lebensstandard nicht leisten ohne Hilde, also quitt. Albert gefällt mir besser als Wolf. Der hat mir schon immer gefallen. Damit werde ich mich in Zukunft beschäftigen. Das Fleisch war verzüglich, sagte irgendjemand. Bitte, Herr Ober, vergessen Sie nicht die Zigarre. Die Braut soll lächeln. Warum? Du wirst fotografiert, sagt Mutter. Die Braut soll herüberschauen, dem Kopf ein bisschen leiden. Danke. der Onkel Mandy zur Hochzeit geschenkt hat. Er schlägte mir das Couvert der Sakristei zu. Dante Grete darf wahrscheinlich nicht wissen, dass er mir Geld gibt. Der Onkel Mandy ist extra aus Luns am See gekommen und hat mir, bitte gib das weg und hat mir also, gib sofort das Couvert weg. Der Onkel Mandy hat den weiten Weg von Luns am See hierher nicht geschreut und mir, wenn du das Cououvier nicht augenblicklich weggibst, kriegst du nachher eine Ohrfeige, sagt Rolf. Drei tausend Schienen. Tante Grete trägt einen Kräntenhut, das wäre eine Idee gewesen, warum hab' ich nicht mit Ruth geheiratet? Ich habe ein Mutgesicht. Außerdem darfst du mich nicht ohrfeigen, Rolf, weil ich die Braut bin. Und außerdem hat mich Karl schon geohrfeigt. Das weißt du doch ganz genau. Danke, Karl, dass du an mich gedacht hast, einen Tag vor der Hochzeit. Du hast mich nicht vergessen. Weißt du, Rolf, wie du mit den Karlen mich gerauft hast vor dem Gymnasium? Da war der Karl im Recht. Ich hatte dich belogen. Warum interessiert es dich nicht? Du solltest dich dafür interessieren, wen du geheiratet hast. Nein, sagt Wolf, es interessiert mich nicht. Alle Leute essen, alle Leute trinken Kaffee. Ich werde den Fotografen fotografieren. Aber Wolf ist dagegen. Der Ober hat die Zigarre gebracht. Auf jeder Zigarre ist eine Papierschleife, darauf sieht man den Großglockner. Ist das so üblich auf österreichischen Hochzeiten, dass der höchste Berg mit dabei sein muss? Alle Leute tun, als wären sie das gewohnt, auf Hochzeiten Wein trinken. als wären sie das gewohnt auf Hochzeiten Wein trinken. Die heutigen Gäste sind dieselben, die bei Großvaters Bekenntnis das letzte Mal mit uns aßen. So trifft man sich wieder. Der Fotograf fotografiert noch immer. Bei jedem Blitz verkrampft sich Vaters Magen. Er kriegt ja dann die Rechnung. Auch der Fotograf hat ein Gedeck bekommen, als ob er dazugehörte. Wahrscheinlich, damit er nicht tausendmal fotografiert. Vater ist schlau. Du bist betrunken, sagt Rolf. Schämst du dich nicht? Albert hat ein muttermalerm Kinn. Ich bin nicht betrunken genug, das zu übersehen. Karl hat einmal gesagt, unter allen Schulfreunden ist Albert der einzige, bei dem man sich nicht schämen musste, mit ihm in einer Klasse zu sitzen. Wie hat Karl das gemeint? In allen Glückwunsch-Telegrammen ist das Gleiche gestanden. So viele Menschen, die uns nicht mögen, haben uns Glück gewünscht. Niemand hat sich einen besonderen Spruch einfallen lassen, auch die nicht, die uns mögen. Rolf hat jedes Telegramm vorgelesen. Jetzt müssen wir glücklich werden. Es geht gar nicht anders. Das Zimmer liegt im dritten Stock. Man hört seinen eigenen Stift nicht auf diesen Täppchen. Ein Herr kommt uns entgegen. Er küsst meine Hand. Ich müsste dringend aufs Klo. Er sagt, dass seine Frau sich mit uns freut. Woher weiß er das? Der Herr schätzt Rolf und er zieht mir noch einmal die Hand weg hinauf zu seinem Mund. Endlich allein. Rolf lässt mir den Vortritt ins Zimmer. Es riecht neu. Wurde das Hotel für uns gebaut? Warum müssen wir überhaupt in ein Hotel? Rolf verschwimmt im Bad. Er schließt die Tür hinter sich. Die Hotelzimmer, die ich kenne, haben kein Bad. Nur winzige Waschbäckchen, abgewetzte Futeus, Ausbrücken, Hinterhöfe, Emigrantenstühle. Ich habe zu viele Romane gelesen. Außerdem bin ich hungrig. Hier gefällt es mir nicht. Ich möchte hinuntergehen und etwas essen. Wir haben aber gerade geheiratet, deshalb darf ich nicht allein hinunter. Im Speisesaal streichelt Wolf meine Hand. Ich streichle die Serviette. Er nimmt mir das Feuerzeug aus der Hand, weil er mir Feuer geben muss. Du rauchst vor dem Essen. Ich mache die Zigarette aus. Warum raucht man vor dem Essen? Rolf hat Recht, aber raucht doch, sagt er, du bist ja frei. Natürlich bin ich frei. Ich nehme das Feuerzeug und eine Zigarette. Rolf nimmt wieder das Feuerzeug aus der Hand. Verzögerung um sechs Sekunden. Warum greift er nicht nach dem Feuerzeug, bevor ich es in der Hand habe? Eigentlich wollte ich Lawrence und Olivia heiraten. Du bist ja wieder nichts. Von einem Nebentisch wird Essen zurückgeschickt. Der Kellner trinkt das Tablett an uns vorbei. Rolf nickt irgendwie solidarisch. Aber zu ihm hält er. So groß war die Nummer aber nicht, sagt er, als wir im Lift hinauffahren. Dann suchen wir das Zimmer. Weiß er noch, welche Nummer wir haben? Wenn wir das Zimmer nicht finden, wird er eine Meldung erstatten. Aber Rolf findet die Nummer ganz leicht, schickt mich durch die Tür, sperrt hinter mir ab, steht aber doch noch neben mir. Nein, er geht nicht weg, er zieht sich jetzt aus. Hinter dem Vorhang dort ist sicher ein Fenster. Ich habe schwarze Vögel gesehen, als wir aus dem Auto ausstiegen. Ob die frieren im Schnee? Warum mussten wir eigentlich im Winter heiraten? Es ist so kalt, dass ich baden muss. Rolf sagt, dass Baden mit vollem Magen ungesund ist. Aber ich habe ja so wenig gegessen. Wer ist in der Hochzeitsnacht an Nasenbluten gestorben? König Attila, das habe ich mir gemerkt aus dem Geschichtsunterricht, weil der Frechste aus der Klasse zum Professor sagte, der musste sich ja seine Nase überall hineinstecken. Der flog später aus dem Gymnasium, weil er zu oft ohne Aufforderung sprach. Vielleicht kommt Rolf einen Herzanfall, während ich bade. Ich ziehe mich langsam aus. Eine Bombe könnte explodieren im Hotel. Jetzt gibt es ja überall Bomben. Versöhnlicher Gedanke, dass schon jemand vor mir diese Handtücher benutzt hat und noch viele nach mir sie benutzen werden. Wenn man sich ganz langsam ins Badezimmer greifen lässt, kitzelt das angenehm an den trockenen Hauträndern. Ich bleibe liegen, bis das Wasser kalt ist. Ich schreibe um den Handtücher, bis die ganze Haut rot ist. Was kann ich noch tun, damit er inzwischen einschläft? Der Schlafrock, den ich schiebe runter, finde ich, denn dies hat lange Bänder. Man kann die B nur über den Bauch oder im Kreuz binden. Es steht einem frei. Da bist du endlich, sagt er und greift gleich nach dem Geschenk in Masche. Er lässt die Hand wandern, wickelt aus, fragt, ob er Licht machen darf, setzt spitze Küsse auf meiner Haut ab, die sich nicht ehren kann. Denn wenn eine Frau nicht will, dass man sie küsst, so muss sie es ausführlich begründen. Und wenn sie das getan hat, bekommt sie dafür einen Kuss, weil es rührend ist, wenn Frauen sich bemühen, etwas zu erklären, weil eine Frau eine Frau ist. Männer sagen einfach nein, wenn sie nicht wollen, dann können sie auch nicht. Ich sage nein. Das Spiel beginnt. Warum nicht? Weil ich unglücklich bin, Wolf. Er dreht das Licht auf, schaut mich an und findet, dass unglückliche Menschen anders aussehen. Ich drehe das Licht aus, er fährt es auf, küsst mich auf die Nase, weil sie aufgezogen ist. Und Stupsnasen streiten ja danach an, gestupst, um geküsst zu werden. Und was ich alles sage in dieser Nacht, würde mich nicht anlassen schlafen. Ich will nicht, ich würde viel lieber allein spazieren gehen, jetzt, ohne dich. Das alles gilt nicht, weil Wolf das Licht immer wieder aufregt und mich anschaut. Und Stupsnasen können sagen, was sie wollen. Sie sehen aus, wie sie aussehen. Vorher und nachher. Und seine Hand tastet weiter. Ich verscheuche sie. Er sagt, das hat er sich anders vorgestellt. Das Bett kracht. Jetzt darf ich nicht mehr Nein sagen. Schließlich ist er ein Mann und nicht aus aus Holz und ich schreie Nein. Dann liegt er wieder neben mir. Sein Herz klopft. Ich höre es. Ich fürchte, dass er weinen wird. Dann werde ich nass sein von seinen Tränen. Tränen. Ich habe eine große Schuld auf mich geladen, ich weiß es ja. Und vielleicht hilft es mir ab morgen, dass wir diese Schuld aufteilen und allmählich freier werden und wieder atmen können miteinander.