In der ersten Ausgabe der neuen Sendereihe SICHT:BAR, die von Sicht:wechsel initiiert wurde, spricht Moderator Alfred Rauch mit Rollstuhltänzerin Ulli Ullmann und Regisseurin und Choreografin Ilona Roth über zeitgenössischen Tanz, Ullmanns bisherige Projekte und ihren Werdegang sowie Pläne für zukünftige Aktionen.

Moderator Rauch beginnt mit Ullmanns Eckdaten. Sie ist seit einem Autounfall im Jahr 1982 querschnittsgelähmt, damals war sie 16 Jahre alt. Die Zeit nach dem Unfall war schwierig, doch Ullmann erfuhr in ihrem sozialen Umfeld viel Unterstützung und Hilfsbereitschaft. Das Tanzen hat sie immer geliebt: „Ich bin im Krankenhaus gelegen und ich habe nicht gesagt, ‚Wann kann ich wieder gehen‘, sondern ‚Wann kann ich wieder tanzen‘.“

Auf die Bühne geriet Ullmann jedoch eher durch Zufall: Sie reagierte auf eine Ausschreibung des Landestheaters Linz, welches damals nach verschiedenen Menschen mit unterschiedlicher Herkunft suchte. Dort wurde sie direkt gecastet und tanzte dann 2009 bei der AIDS-Gala des Landestheater Linz erstmals auf einer Bühne. Danach verfolgte sie diesen Weg weiter und bildete sich ständig fort. Moderator Rauch führt durch viele Projekte, bei denen Ullmann bisher beteiligt war, und unterstützt die Präsentation mit beeindruckenden Fotos und Videomaterial.

Auch Ilona Roth ist als Überraschungsgast mit dabei. Sie und Ullmann kennen sich seit ihrer gemeinsam Arbeit am Projekt 10+10 Brücken im Jahr 2016 und haben seitdem häufig zusammengearbeitet. Roth berichtet von ihrer Arbeit mit Ullmann und betont, dass immer alle Beteiligten von inklusiven Projekten profitieren. Gerade Ullmann habe eine beeindruckende Arbeitsweise, da sie sich und ihren Körper sehr gut kenne und dies auch hervorragend kommunizieren könne. Im Grunde habe also Ullmann dem Rest des Ensembles beigebracht, mit ihr zu arbeiten. Ullmann selbst berichtet auch von Feedback anderer Performender; eine Tänzerin habe ihr gesagt, es sei „unglaublich“, was sie von Ullmann und ihrem Körper auch für sich selbst und den Umgang mit dem eigenen Körper lernen könne.

Dies ist vermutlich vor allem zurückzuführen auf Ullmanns Grundeinstellung zur Arbeit. Ihre Maxime lautet „Scheinbare Grenzen verschieben“. Ullmann sagt selbst: „Natürlich gibt es Grenzen, für dich, für mich - und vielleicht sind meine anders als deine. Nur ich lebe so, dass ich die Grenzen oft nicht sehe. Ich überspringe sie, ich mache Sachen, wo man sich denkt, das ist gar nicht möglich als Rollstuhlfahrer, das ist nicht machbar und ich mache sie trotzdem. Manche Dinge mache ich ein bisschen anders, aber ich mache sie“.

Und wenn sie doch mal auf unüberwindbare Grenzen stößt, dann wird nicht aufgegeben, sondern adaptiert, sodass sich doch eine Umsetzungsmöglichkeit finden lässt.

So hat Ullmann schon im Rahmen des Linzer Klangwolke 2018 in 80 Metern Höhe über der Donau gemeinsam mit anderen Tänzer*innen an einem Seil geschwebt sowie ihr eigenes Projekt namens Ulli Ullmann kreiert, das von Sexualität, Erotik und der Sehnsucht des Begehrtwerdens handelt.

 

Und an Ideen für zukünftige Projekte mangelt es Ullmann zufolge überhaupt nicht. Ein großer Wunsch von ihr ist zum Beispiel die Gründung einer eigenen Kompanie von Profi-Tänzer*innen mit einer Beeinträchtigung. In der Umsetzung stünde ihr gerade hauptsächlich die Bürokratie im Wege.

Außerdem plant sie, gemeinsam mit Doris Jungbacher ein professionelles Ausbildungsprogramm für Menschen im Rollstuhl zu entwickeln, da es für behinderte Menschen keine Möglichkeit gäbe, professionell Tanz zu studieren.

Hier findet ihr das vollständige Gespräch.

Verfasst von Vivian Grabowski am 29.09.2023