Österreich befindet sich kurz vor einem Wahljahr. Nicht nur die EU-Wahlen Anfang Juni 2024, sondern auch die Nationalratswahlen (geplant im Herbst), stehen vor der Türe. Die österreichische Politik sorgte in den letzten Jahren (auch international) oft für Negativschlagzeilen, siehe Ibiza-Affaire der FPÖ und die ÖVP-Korruptionsaffäre.

Im Rampenlicht steht dabei, wie so oft, Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, der sich die Tage wegen Falschaussage vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu verantworten hatte. Darum geht es auch in einer weiteren Ausgabe von „Der Stachel im Fleisch“. Bei Martin Wassermair waren Regisseur des Films „Projekt Ballhausplatz“, Kurt Langbein und Herbert Lackner, langjähriger Chefredakteur von Profil, zu Gast im Studio.

Ein kurzer Rückblick: Die ÖVP-Korruptionsaffäre ist ein noch nicht vollständig aufgeklärter politischer Skandal, der damit angefangen habe, dass Sebastian Kurz als damaliger Außenminister im Jahr 2016, rechtswidrig Budgetmittel des österreichischen Finanzministeriums genutzt habe, um gefälschte Meinungsumfragen erstellen zu lassen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geht davon aus, dass Kurz anfangs seine eigenen Partei durch die Fälschungen geschwächt habe, um danach mit Unterstützung seiner engsten Vertrauten an die Parteispitze zu gelangen, also 2017 Bundeskanzler zu werden. Dazu wurden Strategien verwendet und niedergeschrieben, die unter anderem auch als „Projekt Ballhausplatz“ (benannt nach dem Platz vor dem österreichischen Bundeskanzleramt) bekannt sind.

Kurt Langbeins Intension mit dem Film war es, das perfide System-Kurz zu dokumentieren und auch für sich selbst zu verstehen, wie es einem Dutzend von jungen Männern gelang, in sehr kurzer Zeit, die Eroberung einer demokratischen Partei (ÖVP) und in weiterer Folge das Bundeskanzleramt bzw. die gesamte Regierung zu übernehmen.  

Der Ex-Bundeskanzler hat in der Zeit schlechter ÖVP-Umfragewerten, einfach die Ideologie der FPÖ übernommen bzw. „auf freundliche Weise gekapert“, was sich zuvor in der Politikgeschichte noch nie jemand getraut hat. Die ÖVP wurde damit zur FPÖ im neuen Antlitz. Eine Partei, die vorher in der „Mitte der Gesellschaft“ stand, wurde nach rechts verlagert, gab rechtspopulistische, manchmal rechtsradikale Slogans von sich und veränderte somit auch das Meinungsspektrum und die österreichische Politik nachhaltig.

Klassiche Rechtspopulist*innen spielen sich als Retter*innen vor allem Übel auf, schüren Angst, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung, was unter Kurz so weit ging, dass dieser die Grund – und Menschenrechte in Europa grundlegend in Frage stellen konnte. Aufgrund der Erpressung der Boulevardmedien (Österreich Zeitung, Kronen Zeitung, Heute), seiner Personifikation zum „Retter Österreichs“ und der Unterstützung von seinem engeren Kreis, wurde er in der Öffentlichkeit als guter Volksvertreter wahrgenommen – Propaganda in einer Zeit von Unsicherheit und Orientierungslosigkeit der Bevölkerung. Seine Politik hat, auf den Kern heruntergebrochen, allerdings Nichts erreicht, außer Brutalität und Unrecht zum System machen (siehe Balkanroute und Gewalt an den Außengrenzen).

Andere Beispielpolitiker, die aus der Jetzt-Zeit genannt wurden, sind Viktor Orbán (Ministerpräsident von Ungarn) oder Donald Trump (45. Präsident der Vereinigten Staaten), die ebenso derartige Führungsstrategien verfolgen. Herbert Lackner fügt noch hinzu, dass solche Muster bereits in der ersten und zweite Republik in Österreich erkennbar waren und unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß das Aus der Demokratie bedeutete.

Der Film „Projekt Ballhausplatz“, soll zusätzlich als Mahnung gelten „das System Kurz ist zwar krachend gescheitert, wenn man Demokratie als Maßstab nimmt, krachend gescheitert, wenn man ethische Grundsätze in der Politik als Maßstab nimmt, aber ich fürchte, es ist noch nicht gescheitert als Machtinstrument“ – so Langbein. 

Verfasst von Marie-Therese Jahn am 09.11.2023
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