In der aktuellen Folge von Walter Ötschs Sendung Denken Hilft ist die Ökonomin und Wirtschaftspublizistin Friederike Spiecker zu Gast. Sie erläutert ihre Perspektive auf den Markt innerhalb der EU mit besonderem Fokus auf Polen und argumentiert für die Verantwortung der Europäischen Zentralbank (EZB), welche ihrer Auffassung nach die Möglichkeit hätte, osteuropäischen Schwellenländern zum wirtschaftlichen Aufschwung zu verhelfen. 

Normalerweise werden wirtschaftliche Themen bei Walter Ötsch politisch diskutiert, diesmal ist es umgekehrt: Ein Thema, das üblicherweise politisch viel diskutiert wird, soll aus einer wirtschaftlichen Perspektive betrachtet werden. 
Die Grundannahme der Ökonomin ist dabei, dass die marktwirtschaftliche Konkurrenzbeziehung zwischen Ländern nicht mit der zwischen Unternehmen zu vergleichen ist. Wenn ein Unternehmen pleite geht, könnten die entlassenen Arbeitskräfte schließlich zu erfolgreichen Unternehmen überwechseln, ohne dass ein allzu großer Schaden entstehe. Wenn jedoch ein Land permanent unterlegen ist und im internationalen Wettbewerb scheitert, könnten die Bürger*innen nicht einfach in ein anderes, erfolgreiches Land migrieren, allein aus sprachlichen und kulturellen Gründen nicht. Spiecker sagt daher: "Jedes Land muss leben können". 
Es sei allerdings sehr schwierig, diese Sichtweise an politische, meist neoliberale Akteur*innen zu vermitteln. Dies liege daran, dass Spieckers Perspektive dem dominanten Marktverständnis widerspreche. Kaum jemand hält es für sinnvoll, sich die wirtschaftliche Konkurrenz „an den Hals zu züchten“, doch eigentlich sei dies elementar. 
Spiecker kritisiert hier das deutsche Mantra der Wettbewerbsfähigkeit: Man könne schließlich nicht alle konjunkturellen Probleme lösen, indem man nur exportiert, denn sobald andere Länder, die internationalen Handelspartner, es sich nicht mehr leisten können, deutsche Produkte zu kaufen, würden die Exporte allein schließlich auch nichts mehr bringen. Daher solle man keine Angst vor weiteren wettbewerbsfähigen Ländern haben, da sich so lediglich der Absatzmarkt vergrößere.
Doch auch aus politischer Sicht sei die Stärkung der osteuropäischen Wirtschaften ratsam. Sie betont die Relevanz des europäischen Zusammenhalts in Zeiten der Krise und hebt hervor, dass nur ein geeintes Europa in der Lage ist, sich dem größten Problem unserer Zeit zu stellen: der Klimakatastrophe. 
Die Ökonomin möchte verhindern, dass sich Osteuropa komplett abgehängt fühlt- schließlich würden schon jetzt die meisten Osteuropäer*innen nach Westen migrieren, wo die Chancen auf Arbeit und die Löhne besser sind. Osteuropas wirtschaftliche Probleme kann man natürlich nicht über Nacht lösen, so Spiecker, doch es sei wichtig, den Osteuropäer*innen eine Perspektive und Hoffnung für die Zukunft ihres Landes zu geben. So könnte man sie motivieren, zu bleiben und ihr Land neu aufzubauen. 
Außerdem dürfe nicht unerwähnt bleiben, dass es den osteuropäischen Ländern wegen des abrupten Übergangs von einer Plan- zu einer Marktwirtschaft so schlecht geht - der Westen trägt also aus historischen Gründen einen Teil der Verantwortung. 

Spieckers konkreter Vorschlag zur wirtschaftlichen Unterstützung Osteuropas ist zu komplex und bedarf zu viel Erklärung, als dass er hier adäquat wiedergegeben werden könnte. Er involviert die EZB sowie den Devisenmarkt und die Spekulation am Devisenmarkt.

Hier findet ihr das vollständige Gespräch, indem Spiecker ihre Position ausführlich erläutert. 

Verfasst von Vivian Grabowski am 06.12.2023.