Der Angriff der palästinensisch sunnitisch-islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel vom 07. Oktober 2023, verursachte eine Schockwelle. Seit dem sorgen die Grausamkeiten des dadurch entstandenen Krieges, für Schlagzeilen in den Medien. Dieses Thema findet genauso bei Martin Wassermair in seiner Sendereihe „der Stachel im Fleisch“ Einzug. Aber nicht, um über die Gräuel zu sprechen, sondern einen etwas breitgefächerten Blick auf Antisemitismus zu werfen.

Gäste in dieser Sendung, waren Charlotte Hermann, Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde in Linz und Doron Rabinovici, Schriftsteller und Historiker. Das Trauma der Shoah (= jüdisch für Holocaust) hat tiefe Narben hinterlassen und ist noch weit davon entfernt bewältigt zu sein, schon müssen Jüdinnen und Juden dieser Tage wieder eine massive Bedrohung erleben. Diese ist nicht auf die israelische Gesellschaft beschränkt, sondern nimmt auch besorgniserregende Ausmaße in Österreich an. Eine, nicht sehr erfreuliche Premiere, die in dieser Sendung daher stattgefunden hat, waren Sicherheitsvorkehrungen, die für den Besuch vorab getroffen werden mussten. Antisemitismus ist keine Modeerscheinung, sondern bereits mehr als 2000 Jahre alt und selbst an der Kunstuniversität Linz gab es kürzlich antisemitische Vorfälle.

Doron Rabinovici sprach über die Entstehung des Staates Israel, welcher gegründet wurde, um Jüdinnen und Juden weltweit einen Ort zu bieten, an denen sie nicht verfolgt werden: „Israel gibt es, weil es Antisemitismus gibt“. Rassismus kann ebenso simpel davon unterschieden werden, denn bei ihm geht es nicht primär um die Diskriminierung bestimmter Gruppen, sondern um das Auslöschen jüdischen Lebens. Jüdinnen und Juden fühlen sich weltweit in ihren Glauben durch Israel gestärkt, weil sie wissen, dass es ein Ort gibt, wo sie hin flüchten können. Charlotte Hermann lebt und ist in Österreich aufgewachsen, fühlt sich dennoch indirekt bedroht. Die israelische Kultusgemeinde benötigt seit Anfang Oktober noch mehr Bewachung als zuvor. In dieser politischen Debatte, werden Juden, Jüdinnen und Israel als Staat vermischt. Jüdinnen und Juden in Österreich treffen keine politischen Entscheidungen im Israel-Palästina-Konflikt, bekommen jedoch von Außenstehenden den Hass zu spüren. 

Ein nachvollziehbarer Ansatz, woher diese seit Jahrhunderten andauernden Wellen an Hass kommen, könnte nach Rabinovici sein :„ … das Gefühl, das uns begleitet, ist, dass uns die Welt entgleist. In einer Situation, in der wir nicht wissen, wieso und warum. Plötzlich greifen wieder die alten Muster, wer schuld ist. Und hier ist es eben wieder so, dass das Jüdische dafür steht, dass es der Andere und nicht der Fremde ist, der oft auch unsichtbar ist. Und das ist heimlich und unheimlich zugleich. Da greift der Antisemitismus hinein, um dagegen aufzutreten.“ Wenn dazu sozialstaatliche, liberale und friedenspolitische Werte missachtet werden, die demokratische Öffentlichkeit in Zusammenhang mit sozialen Medien zerstört wird, erleben Verschwörungsmythen ein Hoch. Und Antisemitismus sei die älteste Verschwörungstheorie. 

Das Jüdische ist für beide Gäste eine Herzens – und Traditionsgeschichte, welche auch so an junge Menschen weitergegeben wird. Jüdinnen und Juden fühlen sich zu Themen, die die Religion betreffen hingezogen, obwohl sie nicht unbedingt gläubig sind. So wie auch traditionell in österreichisch-katholischen Familien Ostereier gesucht werden, diese aber später nicht in die Kirche zum Gottesdienst gehen. Zudem ist nicht die Mehrheit der Gesellschaft antisemitisch, sondern der antisemitische Anteil der Gesellschaft ist leidenschaftlich und aktiv. Um dagegen anzukämpfen, muss also die Mehrheit der Gesellschaft, welche still bleibt, ihren Standpunkt vertreten und laut gegen Antisemitismus auftreten. Jüdinnen und Juden applaudieren außerdem nicht, wenn weitere Hamas-Kämpfer*innen getötet werden. 

Verfasst von Marie-Therese Jahn am 18.12.2023

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