In der aktuellen Folge von Klima und Du waren Manfred Doppler, der Obmann vom Anti Atom Komitee und der Aerosolphysiker Aron Vrtala bei Moderator Maris Newerkla im Studio zu Gast, um über das Potential von Atomenergie als ethische, klimafreundliche Energiequelle zu diskutieren. Thematisiert wurden unter anderem die Katastrohen in Tschernobyl und Fukushima, das Problem der Endlagerung von Atommüll, die Konsequenzen der Urangewinnung und die Auswirkung von Strahlung auf den menschlichen Körper. 

Zunächst erklärt Vrtala, was Strahlung ist und wie ein Atomkraftwerk funktioniert. Als Verständnisgrundlage wird hier die Kurzform wiedergegeben. Um einen Reaktor zu bauen, benötigt man eine spezielle Form von Uran. Zur Urangewinnung folgt später im Text mehr. Dieses Uran ist dann in den sogenannten Atombrennstäben vorhanden. Um Energie zu gewinnen, muss das Uran destabilisiert werden. Dazu beschießt man es mit einem Neutron (einem neutralen, nicht geladenen Kernteilchen), sodass das Uran das Neutron auffängt. Dies führt zu einer Spaltung des Urankerns in zwei sogenannte Spaltprodukte. Bei der Spaltung wird eine Menge Energie in Form von Hitze frei. Diese Hitze benutzt man, um zum Beispiel Wasser zu erhitzen und eine Turbine anzutreiben, sodass Strom generiert wird. 
Das Problem liegt darin, dass man AKWs nicht einfach abschalten kann wie einen gewöhnlichen Stromkreislauf. Aufgrund der enormen Hitzeenergie ist die Kühlung des Reaktors essentiell, um die Sicherheit des Prozesses zu gewährleisten. 
In Fukushima beispielsweise sei es zur Katastrophe gekommen, da der Tsunami die Notstromaggregate außer Betrieb gesetzt hatte, sodass die Kühlung ausfiel und es zu Knallgas-Explosionen im Reaktor kam. Trotzdem hat man in Fukushima eigentlich noch Glück gehabt, sagt Doppler. Nach der Zerstörung des Reaktorgebäudes war der Weg frei für große Mengen an Radioaktivität, die mit der heißen Luft nach oben stiegen. Der Wind verstreute diese radioaktiven Teilchen dann. Glücklicherweise wehte der Wind Richtung Pazifik, sodass ein Großteil der Teilchen dort abgelagert wurde. Wäre der Wind von Westen gekommen, wären die Teilchen in Richtung Tokio geweht worden – dort leben 12 Millionen Menschen. 
Die Gefahr bestehe im Grunde also immer in unvorhergesehenen Situationen, wie eben im Fall eines Tsunami. Natürlich könne man versuchen, sich dagegen zu schützen, doch auch Risikoforscher wie Wolfgang Krump würden argumentieren, dass man die Gefahr schlichtweg nicht einschätzen könne. Sobald etwas Unvorhergesehenes passiert, so Doppler, ist der Mensch den Folgen gegenüber machtlos. 

Doch das menschliche Leid ist nur eines von vielen Gegenargumenten, welches die beiden Gäste anführen.
Sie argumentieren, dass die nukleare Energiegewinnung absolut nicht CO2-frei und klimafreundlich sei, wie häufig behauptet würde. Besonders die Uran-Beschaffung müsse man kritisch sehen. Beim Uran-Abbau stoße man zum Beispiel häufig auch auf Blei. In großen Uran-Abbaugebieten wie Aserbaidschan werde dieses Nebenprodukt, das Blei, häufig unkontrolliert in der Umwelt entsorgt. Außerdem sei der Urangehalt des Uranerzes in den letzten 20 Jahren massiv gesunken, sodass man mittlerweile zehnmal so viel Masse umwälzen muss, um die gleiche Menge an spaltbarem Uran zu gewinnen wie früher. Außerdem ist nicht jedes Uran spaltbar und somit geeignet. 
Sowohl Doppler als auch Vrtala halten Atomenergie nicht mal als Brückentechnologie, auf dem Weg zu den erneuerbaren Energien, für sinnvoll. Atomenergie blockiere die Entwicklung von erneuerbaren Energieträgern seit mittlerweile 60 Jahren. Sie fordern, das Geld und die Ressourcen, welches für Atomenergie benötigt wird, lieber in nachhaltige Energien zu investieren. Vor allem, da Atomenergie in Wahrheit nur einen kleinen Anteil zur allgemeinen Stromversorgung beitrage. Dies sei das Risiko und den Aufwand schlichtweg nicht wert.

Doch Vrtala hält auch dazu an, Klimawandel nur als Teilgebiet von Umweltschutz zu betrachten; Atomkraft sei genauso ein Teilgebiet. Er rät dazu, nicht alle anderen Aspekte von Umweltschutz zu vergessen, um das Klima zu retten. Denn man liefe Gefahr, beim Einsatz von Atomenergie eine Menge an Umweltproblemen zu schaffen, die dann vielleicht gar nicht mehr im Verhältnis zu dem stehen, was wir zu retten versuchen. 
Damit spielt er auf das Entsorgungsproblem an: Bis heute, so Doppler, ist das Problem der Lagerung von Abfall-Produkten ungelöst. Endlager, wie sie beispielsweise in Finnland existieren, seien auf einige hundert Jahre ausgelegt, dabei benötige man eigentlich Lagermöglichkeiten für 800.000 bis eine Millionen Jahre. 
Es handele sich hier auch um ein ethisches Problem: Will man diese Bürde tatsächlich der nächsten Generation überlassen? Einfach darauf zu hoffen, dass die Forschung der Zukunft schon eine Lösung finden wird, sei fahrlässig, weil man sich darauf schlichtweg nicht verlassen könne. 

Und auch das Risiko von Terrorattacken auf AKWs sei nicht zu unterschätzen. Es müsse sich gar nicht um ein Flugzeug handeln, das in ein AKW hineinfliegt, ein eingeschleppter Trojaner im Bedienungsprogramm wäre auch ausreichend, so Vrtala. Und auch in Kriegssituationen gehe eine enorme Gefahr von dieser gebündelten Menge von Energie aus – in der Ukraine befindet sich beispielsweise Europas größtes AKW. 

Außerdem weißen Doppler und Vrtala auf oftmals irreführende Opferzahlen im Zusammenhang mit Atomkraft-Katastrophen hin. Im Fall von Tschernobyl seien nur die direkten Opfer gezählt worden, dabei hätte man auch fragen müssen, was aus den Menschen wurde, die aufräumten oder in anderen Teilen Europas mit den Strahlen in Kontakt kamen. Diese Daten habe aber schlichtweg niemand erhoben. 
Auch müsse erwähnt werden, dass bestimmte Arten von Strahlung teils erst nach zehn bis 20 Jahren zur Krankheit führen. Doch nach 20 Jahren festzustellen, ob der Lungenkrebs die Konsequenz eines AKW-Unfalls ist oder nicht, ist leider unmöglich. Daher könne man die eigentlichen Opferzahlen nur schätzen. Bei Tschernobyl würden die vermuteten Zahlen momentan jedoch meist bei 100.000 anfangen und bei 150.000 aufhören.

Hier findet ihr die vollständige Diskussion.

Verfasst von Vivian Grabowski am 02. 02.2024.