Wie mit feministischer Solidarität für eine geschlechtergerechte Gesellschaft gekämpft werden kann, diskutierten Journalistin Lea Susemichel, Soziologin Natasha A. Kelly und Künstlerin Ayan Rezaei mit Moderatorin Anne Brack bei der Podiumsdiskussion „Sisterhood neu denken“ am 29.01.2024.

Das Konzept der Sisterhood stammt historisch betrachtet aus der Bewegung des Schwarzen Feminismus, erklärt die Autorin des Buches „Schwarz. Deutsch. Weiblich“ Natasha A. Kelly. Zur Zeit der Kolonialisierung wurden Schwarze Menschen durch Versklavung ihren Familien entrissen und bildeten daraufhin gezwungenermaßen in Wahlfamilien neue Gemeinschaften. Deshalb beschreibt Sisterhood - Kelly zufolge - vielmehr eine Schwesternschaft im Geiste, als eine Form der Verwandtschaftsbeziehung. 

Mit Blick auf diese Entstehungsgeschichte fordert Kelly den Ansatz Sisterhood als ein Schwarzes Konzept anzuerkennen und wünscht sich, dass dieses nicht von der weißen Mehrheitsgesellschaft vereinnahmt werde. Es bestehe ansonsten die Gefahr, dass der Begriff seine Widerstandskraft verliere. 

Kelly argumentiert, dass unsere Gesellschaft durchzogen von einer Machtmatrix sei, in der jeder Mensch unterschiedliche Privilegien habe. Die Kategorie Frau sei genauso nicht als homogen zu begreifen und infolgedessen existiere auch innerhalb der Frauenbewegung Diskriminierung. In den vorherrschenden Gesellschaftsstrukturen würden Schwarze Frauen von einem anderen Ausgangspunkt starten, als das weiße Frauen tun. Fundamental für das Gelingen von Solidarität in feministischen Bündnissen sei es, diese Differenzen zu Sehen und zu Verstehen. Benachteiligung könne außerdem aufgrund von Klassenegoismus, Antisemitismus, Heteronormativität und Ableismus entstehen, ergänzt die leitende Redakteurin des feministischen Magazins „an.schläge“ Lea Susemichel. 

Für Susemichel steckt hinter dem Konzept Sisterhood primär die Idee der bedingungslosen Solidarität mit anderen Frauen. Gemeinsamkeiten wie beispielsweise geteilte Erfahrungen oder dieselbe ethnifizierende Zuschreibung bedürfe es bei der Umsetzung dieser bedingungslosen Solidarität jedoch nicht. Susemichel ist im Gegenteil davon überzeugt, dass besonders Frauen mit sehr unterschiedlichen Identitäten solidarisch miteinander sein müssen, ohne Anspruch auf positive Gefühle oder Harmonie untereinander. Die Wut über Ungerechtigkeiten unter Frauen und harte Kämpfe zwischen differenten Akteur*innen sind laut Susemichel sogar fruchtbar für das feministische Ziel. Beim gemeinsamen Kampf für mehr Gerechtigkeit sei insbesondere die Begegnung auf Augenhöhe entscheidend, denn Solidarität dürfe auf keinen Fall ein paternalistischer Akt von oben herab sein, mahnt Susemichel. Kelly führt zudem fort, dass Aktivismus stets mit Selbstreflexion und einer inneren Einstellung beginne. Aus diesem Weltbild heraus können sich Frauen füreinander einsetzten, ohne immer an vorderster Front stehen zu wollen.

Die Aktivistin für Menschenrechtsfragen im Iran Ayan Rezaei ist davon überzeugt, dass die Strategie der Solidarität Kontinuität benötige. Eine dauerhaft gemeinschaftliche Grundhaltung anderen Frauen gegenüber, erschaffe erst eine gemeinsame Identität, so Rezaei. Durch Verbundenheit entstehe wiederum Kreativität, die aktivistische Handlungsfähigkeit möglich mache. Damit Schwesternschaft langfristig gelingen könne, erfordere es einen Safe-Space, an dem Frauen zusammenzukommen und ihre Gefühle und Gedanken miteinander teilen können.

Verfasst von Claudia Hagenauer am 22.02.2024
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