Am 2. Jun. 2023 | 18:00 Uhr
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Cissy Nalumansi zu Gast bei WASSERMAIR SUCHT DEN NOTAUSGANG

Created at 11. Apr. 2023

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by Martin Wassermair

Wassermair sucht den Notausgang - Gespräche zu Politik und Kultur in Krisenzeiten

Ausstrahlung am Freitag, 2. Juni 2023, 18.00 - 18.50 Uhr

In der dreiundvierzigsten Ausgabe der Sendereihe ist Cissy Nalumansi zu Gast.

Cissy Nalumansi lebt und arbeitet in Kampala (Uganda) und ist eine multidisziplinäre Storytellerin und Filmemacherin; ihre Liebe zum Erzählen in der Form von Drehbuchschreiben und Regie ist geprägt vom Verlangen, authentische und schön geformte afrikanische Geschichten aus einer afrikanischen Perspektive zu erzählen; sie ist im Herzen Kampalas geboren und aufgewachsen und hat in dieser Zeit Persönlichkeiten aus Community Medien und deren Interaktionen mit lokalen Menschen und Regierungen beobachtet und mit ihnen interagiert; aus dieser Position heraus hat sie ihre Fähigkeiten als Erzählerin innerhalb des Mediums Film dazu genutzt, mit dem  Publikum zu kommunizieren und Geschichten zu erzählen, die diesen Menschen auch etwas bedeuten.

 

Transkription in deutscher Sprache:

MW: Es ist großartig, Sie heute hier zu haben.

CN: Vielen herzlichen Dank, ich bin sehr glücklich, hier zu sein!

MW: Ich habe Sie vorgestellt als afrikanische Filmemacherin und Geschichtenerzählerin, aber Afrika ist sehr viel. Zugleich wird Afrika oft als nur ein Land angesehen, vielen Menschen ist es eine Terra incognita, aber wir alle wissen tatsächlich nichts darüber. Nun ist Filmemachen Ihr Beruf – wenn sie also auf die Welt blicken, dann sind Frauen in der Filmproduktion überall stark unterrepräsentiert. Was bedeutet es Ihnen also, eine weibliche Filmschaffende zu sein?

CN: Nochmals vielen Dank für die Einladung, ich bin zum ersten Mal in Österreich! Ich bin auch froh, dass Sie meine Sichtweise hören wollen, was das Filmschaffen für mich bedeutet. Filmschaffende haben zunächst die Möglichkeit, etwas zu kreieren, das macht sie in einer gewissen Weise zu einem Gott. Wir schenken den Charakteren Leben, wir können aber auch das Leben wieder nehmen, wir können entscheiden, dass die Charaktere auch wieder sterben sollen in einem Film. Die Möglichkeit, eine Geschichte zu erzählen, die bei den Menschen mitschwingt, bringt schon eine starke Fähigkeit mit sich, die Leute und ihre Sinne anzusprechen, sie zum Handel aufzufordern. Das ist schon stark – und ich bin froh, dass mir als Filmemacherin die Plattform dafür zur Verfügung steht. Als weibliche Filmschaffende habe ich noch einmal andere Möglichkeiten, ich kann weibliche Perspektiven darstellen, und die Welt hört dabei zu. Das ist für mich ganz wichtig!

MW: Filmemachen bedeutet auch Einfluss zu nehmen wie ein Influencer, ein in Sozialen Medien mittlerweile sehr häufiger Begriff. Wir kennen etwa Instagram, da sind Influencer sehr erfolgreich. Sie beeinflussen aber auch Menschen, die Ihre Filme sehen, finden den direkten Weg, in ihre Gedanken und Gefühle. Das bringt doch tatsächlich eine große Verantwortung mit sich? Wie gehen Sie damit um?

CN: Filmemachen ist eine Business der Gefühle, wir verkaufen Gefühle. Wer einen Film schaut, trifft auf Emotionen, sei es Traurigkeit, Glück, Freude oder Zorn. Wir zielen darauf ab, bei den Menschen Gefühle hervorzurufen. In dem Moment, wo wir im Umgang mit den Gefühlen erfolgreich sind, befinden wir uns schon im Business. Man will nicht, dass die Leute in eine falsche emotionale Richtung gelenkt werden, da sind wir sicher schon bei der Manipulation. Wir alle manipulieren, damit die Menschen unserer Botschaft folgen. Die Geschichte des Films ist es, Menschen dazu zu bringen, auf eine gewisse Weise zu denken. So auch während des Ersten Weltkriegs, da sollten sich die Leute zu Hause gut fühlen. Denn es gab viele Tote im Krieg, aber es galt zu vermitteln: Wir werden siegen! Hollywood versuchte, Stimmung zu machen: Unsere Männer, unsere Polizeioffiziere, unsere Sicherheits- und Militäroffiziere werden gewinnen – auch bei einem negativen Kriegsverlauf. Es geht immer darum, die Perspektiven und Gedanken der Menschen zu verändern. Wenn das gelingt, ist der Erfolg gewiss.

MW: Nähern wir uns Uganda, vielleicht aus der Perspektive der Filmemacherin. Wie können Sie die Produktionsbedingungen in Ihrem Land beschreiben, in einem ökonomischen, sozialen und kulturellen Sinne?

CN: Uganda befindet sich in Ostafrika – zur Information für jene, die vielleicht nicht genau Bescheid wissen. Wir beobachten eine aufstrebende Filmindustrie – und bewegen uns dabei auf den Spuren jener, die vor uns gekommen sind und wunderbare Geschichten hinterlassen haben, die uns wiederum inspirierten, diesen Weg zu nehmen. Wir stehen aber vor den Herausforderungen einer jungen Branche, so gibt es nur sehr begrenzte Finanzierungsmöglichkeiten. Wenn Sie also da draußen sind und versuchen, Ihre Geschichte zu erzählen, müssen Sie aggressiv genug sein, um zu wissen, wo Sie eine Finanzierungsmöglichkeit finden, denn es gibt nicht so viele. Aber dennoch, da die Geschichte König ist und man in gewisser Weise dazu berufen ist, diese Geschichte zu erzählen, findet man Wege. Es ist wie mit dem Wasser, man kann es nicht aufhalten zu fließen.  Es wird vielleicht durch die Wand brechen, aber es wird seinen Weg finden. Das ist diese Leidenschaft, die uns dazu gebracht hat, an dieser sehr jungen Branche festzuhalten, obwohl wir uns eigentlich den Branchen anschließen sollten, die es bereits geschafft haben. Ich persönlich bin sehr daran interessiert, Geschichten aus der afrikanischen Perspektive zu erzählen und zu versuchen, die Kultur Menschen zu vermitteln, die sie nicht kennen, an Menschen, die denken, Afrika sei ein Land. Wir sind ein Kontinent, kein Land. Es gibt eine Geschichte, die ich von einem Freund gehört habe, der nach Europa kam, um zu studieren, und die Leute fragten: "Aber wie bist du hierher gekommen?" Und sie dachten, er sagte: "Ja, ich bin wie ein Affe von einem Baum zum anderen gesprungen". Das war nur ein Scherz. Aber der Gedanke, dass die Menschen nicht glauben, dass wir in Afrika oder Uganda Flughäfen haben, wo man einfach ein Flugzeug nimmt und von einer Richtung in die andere fliegt, ist der Grund, warum wir unsere Kultur und unsere Lebensweise mehr exportieren müssen, damit die Menschen uns kennenlernen. Auf diese Weise werden sie nicht das Schlimmste von uns denken, nur weil sie uns nicht kennen. In sozialer Hinsicht ist es also aufregend, aber auch die Möglichkeit, Geschichten zu erzählen, ist eine weitere Möglichkeit für uns, die Vorstellungen zu entkräften, die während und nach der postkolonialen Herrschaft bestanden, als die Menschen uns in sozialer Hinsicht nicht kannten, so dass wir im Schatten des Kolonialismus standen. Die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen, bedeutet also, einen Weg zu finden, um das zu durchbrechen und uns von den Herrschaften zu lösen, die uns kolonisiert haben – und eine Hütte um uns herum geschaffen und die Art und Weise definiert haben, wie wir zu leben haben. Das ist es also, was es bedeutet.

MW: Wir kennen uns seit drei Tagen. Ich habe festgestellt, dass Sie viel in Ihrem Kopf haben – wie eine kreative Produktionsmaschine. Aber wie auch immer, Sie wählen Ideen aus, die den Slots entsprechen, die Sie sich für die Filme ausdenken. Und das bringt mich zu der Frage, wie wählen sie eigentlich die Themen aus? Was sind die wichtigsten Fragen, die Ihnen in den Sinn kommen?

CN: Ich würde das gerne anders formulieren. Nicht ich wähle meine Themen, sondern die Themen wählen mich.  Das ist gut. Und ich kann nicht davor weglaufen. Im Laufe der Zeit habe ich festgestellt, dass die meisten Geschichten, die ich erzähle, Geschichten über die Ermächtigung von Frauen sind. Ich wache nicht morgens auf und denke mir: Ich werde jetzt Geschichten über die Stärkung der Frauen erzählen. Ich fange einfach an zu schreiben und überlege dann, welche Geschichte ich erzählen will. Und oft finde ich mich an Orten wieder, an denen ich Geschichten zur Stärkung von Frauen erzähle. Das ist also eine Berufung für mich. Ich kann gar nichts anderes tun. Es ist also das Gleiche, wie wenn man einen Konflikt für seine Figur erschafft, wenn man eine Geschichte im Film erzählt. Und wenn die Figur diesem Konflikt aus dem Weg gehen kann, dann gibt es keine Geschichte. Aber wenn sie sich in einer Situation befindet, in der sie zwar versucht, vor dem Konflikt wegzulaufen, der Konflikt sie aber dort findet, wo sie ist, dann ist das eine gute Geschichte. Dann muss sie sich mit dem Konflikt auseinandersetzen, der vor ihren Augen ist. So ist es auch bei mir. Die Geschichten, die mich auswählen, sind wie ein Konflikt, vor dem ich nicht weglaufen kann. Und mir wurde klar, dass ich mich mehr zu Geschichten hingezogen fühle, in denen es um die Ermächtigung von Frauen geht, und zu Geschichten von Außenseiterinnen und Außenseitern, die versuchen, den Geist der Menschen, denen ich die Botschaft sende, zu erheben und ihnen zu sagen: Ihr könnt das schaffen! Du kannst die Barrieren durchbrechen. Ihr seid fähig. Ihr habt den Verstand. Ihr habt alles, was es braucht, um es zu schaffen. Und ihr braucht niemanden, der euch etwas anderes sagt. Das ist die Art von Geschichten, die ich erzählen möchte.

MW: Während der Konferenz haben wir auch über die Frage diskutiert, wie wir zu Erzählungen kommen können.  Wir brauchen Erzählungen, Geschichten, mit denen wir uns in unserem täglichen Leben organisieren können, um uns einen Rahmen zu geben, um unsere Ziele zu finden, wo wir hinwollen. Das ist sehr wichtig. Und ich erkenne, dass Sie in der Lage sind, in vielen Metaphern, in Bildern mit den Menschen zu sprechen. Und dass wir zurückkommen, ein paar europäische, weiße und auch österreichische Typen, und uns fragen: "Wo haben Sie das gelernt? Und wo und wie können wir diese Fähigkeiten erwerben? Was können Sie uns darüber sagen?" So erzählerisch zu sein, ist eine Fähigkeit des Geschichtenerzählen. Es ist eine Art kulturelle Medienkompetenz.

CN: Es ist einer dieser Momente, in denen man nicht weiß, dass man etwas kann, bis einem jemand sagt, dass man gut in diesem Bereich ist. Ich glaube, das ist die Erfahrung, die ich gerade mache. Ich wusste nicht, dass ich vor Menschen stehen und eine Botschaft vermitteln kann, aber letzten Endes ist es so, wie wenn wir eine Geschichte erzählen, wenn wir drehen oder ein Drehbuch schreiben. Man macht die Geschichte zum König. Sie machen die Botschaft zum König. Alles andere muss sich vor der Botschaft verbeugen. Was mich dazu gebracht hat, vor die Leute zu treten und zu sprechen, war meine Botschaft. Ich wollte, dass sie etwas lernen, was sie noch nicht wussten, und das ist die Berufung, die dich antreibt, die dich zu einem Gefäß macht. Ich bin ein Gefäß, ein Gefäß, das die Botschaft weitergibt, und so wählt eine Botschaft immer ein Gefäß. Wenn Sie also eine Botschaft haben, und diese Botschaft gehört werden muss, werden Sie als Gefäß ausgewählt, und Sie werden nicht wissen, wie leidenschaftlich Sie sind, bis Sie diese Botschaft haben, und es wird Sie auf Plattformen drängen, wo Sie es nötig haben, dass die Menschen diese Botschaft verstehen, und bis sie die Botschaft verstehen, können Sie nicht ruhen. Hier kommt also das Storytelling ins Spiel. Sie werden so formatiert, dass sie zu der Botschaft passen, die Sie weitergeben wollen, und so können die Menschen die Botschaft wahrnehmen.

MW: Ich nehme an, Sie sind zum ersten Mal in Europa. Lassen Sie uns an Ihren Erfahrungen teilhaben. Als Sie hier in Österreich, in Linz, angekommen sind, was waren Ihre ersten Eindrücke?

CN: Abgesehen vom Wetterunterschied, denn in Afrika, ich will nicht sagen in Afrika, aber in Uganda haben wir keine vier Jahreszeiten. Wir haben nur Regen und Sonne, und dann kam ich hierher, und der Winter hatte gerade aufgehört, und nun erleben wir eiskalte Momente, und ich habe Ihnen erzählt, dass Österreich ein sehr großer Kühlschrank ist, und wir arbeiten im Kühlschrank. Wir sind im Kühlschrank, und es ist super kalt, aber ich habe dieses Wetter auch zu schätzen gelernt. Ich war noch nie in einer solchen Kälte, aber es ist auf eine eigene Art schön. Aber was mir am meisten aufgefallen ist, ist, dass wir in Afrika sehr gesprächig sind. Ich treffe jemanden auf der Straße im Taxi. Unsere Taxis sind normalerweise groß, sie fassen etwa 14 Personen. Also setzt man sich zu der Person im Taxi und fängt an, sich aus dem Blauen heraus zu unterhalten. Man redet über Politik. Man unterhält sich über das soziale Leben und die Gesellschaft, und dann freundet man sich an, und die Person kommt zu deiner Hochzeit oder zur Party deines Kindes, und so knüpft die Gesellschaft Kontakte, aber ich kam hierher und setzte mich irgendwo in einen Park, um mich in der Stadt zu verlieren. Ich habe mich nur umgesehen, aber niemand hat mit mir gesprochen, das hat niemanden interessiert. Alle starrten auf ihr Telefon, waren mit ihren Zigaretten beschäftigt, telefonierten oder schauten so: "Bitte stören Sie mich nicht. Ich bin hier für mein Jahr!" Das war die Art von Energie, die ich empfing, und mir wurde klar, dass es ein bisschen traurig ist, dass ich in einem Land bin. Ich bin zum ersten Mal hier, aber die Leute wissen es nicht einmal. Sie machen sich keine Gedanken über ihre Nachbarn. Sie denken nur an ihr Leben und daran, was sie tun müssen. Und das ist der Unterschied, den ich hier im Vergleich zu Uganda festgestellt habe. Wenn sie dich sehen, sagen sie: "Hallo, wie geht es dir? Dein Kleid gefällt mir. Das gefällt mir." Und dann unterhalten sie sich in gewisser Weise, und es entsteht Freundschaft und wird Familie. Sie sind es, Gabi und die Leute, die mich hierher eingeladen und angelächelt haben. Anders sind die Leute, die mich nicht kennen, noch nie getroffen oder jemandem vorgestellt haben.

MW: Ich bin auf diese Frage gekommen, weil ich Ihnen eine andere Frage stellen möchte, und beide sind sehr eng mit dem verbunden, was wir interkulturelles Lernen nennen. Ich möchte über Ihre Perspektive als Künstlerin wissen: Was sollte die nördliche Welt, die Welt der weißen Nasen, ich nenne sie immer so, was sollten wir über die südliche Hemisphäre lernen?

CN: Das ist eine sehr gute Frage. Vielen Dank für diese Frage. Das Erste, was ich allen sagen möchte, und ich kann es nicht oft genug betonen, ich kann es nicht oft genug wiederholen, ist, dass Afrika nicht ein Land ist. Es gibt sehr viele Länder in Afrika. Wenn Sie mich in Europa antreffen, fragen Sie mich nicht: "Woher kommen Sie?" Und ich sage: "Ich komme aus Uganda." Und Sie sagen: "Oh, ich habe eine Freundin in Ghana. Kennen Sie sie?" Es ist verrückt, denn es sind verschiedene Länder, so wie Europa aus vielen, vielen Ländern besteht. Nehmen Sie sich die Zeit, andere Menschen außerhalb Ihres Bekanntenkreises kennenzulernen, und das wird Ihren Horizont in gewisser Weise erweitern. Was ich Ihnen über Afrika sagen möchte, ist, dass das, was Sie in den sozialen Medien oder bei Google sehen, nicht die ganze Wahrheit ist. Auch in Uganda gibt es reiche Menschen. Wir haben auch gebildete Menschen in Uganda. Die Fotos, die Sie in den sozialen Medien sehen, denn ich habe versucht, Uganda zu googeln, da habe ich nur Fotos von verarmten Kindern gesehen, die auf der Straße betteln, die leiden. Überall lagen Müllhaufen. Und dann bringen diese Organisationen diese Informationen auf die Titelseiten von Google. Alle, die sich auf die Suche nach Uganda begeben, sind schockiert von dem, was man sieht. Viele denken, dass wir uns in armen Verhältnissen befinden. Natürlich mangelt es uns in vielerlei Hinsicht, aber das ist nicht das, was wir sind. Wir haben auch eine andere Seite von uns, die glücklich ist. Die Menschen, die man in den Hütten im Norden Ugandas sieht und von denen man glaubt, dass sie ein erbärmliches Leben führen, sind zum Teil glücklich. Einige von ihnen haben so gelebt und haben ihr Leben so genossen. Wenn man den Ältesten in den Dörfern ein Haus in der Stadt baut und sie sich weigern, in dieses Haus zu ziehen, sagen sie: "Ich bin glücklich in meinem Dorf." Es ist also nicht so, dass alle nach oben schauen und ihr Maßstab für Erfolg die Modernisierung ist. Einige von ihnen sind also zufrieden damit, so zu sein, wie sie in ihrer Kultur sind, und schätzen dann auch die Unterschiede in unserer Kultur und unseren Perspektiven. Wir wollen Demokratie, aber selbst für uns könnte Demokratie anders definiert werden. Die Art und Weise, wie Sie Demokratie definieren, mag für uns ein wenig anders sein. Die Art und Weise, wie Sie Reichtum und Erfolg definieren, mag für uns ein wenig anders sein. Die Art und Weise, wie Sie die Ehe definieren, die Art und Weise, wie Sie alles andere definieren, könnte für uns anders sein. Wenn Sie uns Ihre Sichtweise mitteilen, werden wir sie respektieren, aber lernen Sie zuerst unsere Sichtweise kennen. Und dies ist eine Botschaft an Nichtregierungsorganisationen, die in Afrika gute Arbeit leisten wollen. Anstatt mit Ihren Vorstellungen von Afrika und dem, was Sie zu tun bereit sind, zu kommen, nehmen Sie sich etwas Zeit, kommen Sie und recherchieren Sie. Fragen Sie die Menschen, die Sie in Afrika treffen: "Ich bin hier, ich möchte mich freiwillig engagieren, ich möchte dieses und jenes für Sie tun, weil ich ein schönes Herz habe." Fragen Sie sie: "Was wollen Sie?"  So können sie Ihnen sagen, wie sie Hilfe brauchen. Kommen Sie nicht mit Säcken voller Reis, kommen Sie nicht mit Säcken voller Porzellan, kommen Sie nicht mit Säcken voller Bohnen und denken, das ist genau das, was wir brauchen. Finden Sie zunächst heraus, was wir brauchen. Finden Sie heraus, ob wir es wirklich brauchen, bevor Sie es irgendwie geben. Denn Sie verschwenden Ihre Zeit, wenn Sie sie an Menschen verschwenden, die den Dienst nicht brauchen, während Sie sie woanders geben sollten, vielleicht in Haiti oder woanders, wo sie wirklich gebraucht wird. Wir wissen die kulturellen Unterschiede zu schätzen, wir lieben Sie, aber wir möchten, dass Sie sich euch etwas Zeit nehmen, um uns kennenzulernen, bevor Sie sich ein Urteil darüber bilden, wer wir wirklich sind. Das ist die Botschaft.

MW: Wir sind oft stolz darauf, in einer so genannten globalisierten Welt zu leben, aber wenn wir uns die Realität näher ansehen, stoßen wir auf Widersprüche, auf Ambivalenzen. Wir haben auch auf der Konferenz darüber gesprochen, dass es unglaublich ist. Wir haben keine Probleme, über eine Entfernung von, ich weiß nicht, 5.000 oder 6.000 Kilometern miteinander zu sprechen, weil wir digitale, leicht zugängliche Kommunikationstechnologien nutzen. Aber es ist sehr kompliziert, Sie physisch nach Österreich, nach Europa zu bringen, weil wir sehr restriktive, repressive Einwanderungsgesetze haben. Und das ist etwas, das mich sehr zweifeln lässt, ob wir wirklich globalisiert sind. Was meinen Sie dazu? Was ist zu tun, um wirklich global zu werden?

CN: Jetzt, wo Sie über die Einwanderungsgesetze sprechen – und mehr als das, diese Ambivalenzen. Denn normalerweise erkennen wir viele Unterschiede an, kulturelle Unterschiede. Aber wenn man die Möglichkeit hat, wenn man die technologische Chance hat, eine Menge kultureller Kunstwerke und Ideen zu teilen, dann wird es eine Welt des Austauschs, was auch zur Folge hat, dass mehr als früher kulturelle Güter, kulturelle Errungenschaften gemeinsam werden. Wahrscheinlich haben wir durch diese internationalen, globalisierten Technologien heute mehr gemeinsam als Generationen zuvor. Aber es ist sehr schwierig, direkt mit afrikanischen Menschen in Kontakt zu kommen, weil es so restriktiv ist. Es wird so restriktiv gehandhabt. Ich bin also sehr dankbar für die Technologie, denn nur dank ihr bin ich jetzt hier. Sie haben mich gegoogelt und dann gefunden. Stellen Sie sich vor, es gäbe das Internet nicht. Ich mache mir Sorgen, dass wir so viele Grenzen zwischen uns gezogen haben, wegen unserer persönlichen oder landesspezifischen Vorteile, wobei es auch schwierig ist, ein Visum zu bekommen. Dass der Austausch nicht so stattfindet, wie er stattfinden sollte. Aber ohne den Austausch von Kultur werden wir uns nie wirklich tief kennenlernen. Es ist also sehr schön, und ich würde so oft wie möglich einen Kulturaustausch empfehlen, bei dem ein Team von Leuten nach Afrika kommt, um mit uns zusammenzuarbeiten und uns zu verstehen, und dann schicken wir auch ein paar Leute hierher, um zu verstehen, wer Sie sind, denn das gegenseitige Kennenlernen sollte nicht nur darauf beruhen, dass Sie wissen, was in Afrika ist, sondern auch darauf, dass wir wissen, wo Sie herkommen, und dadurch können wir verstehen, wie wir uns gegenseitig helfen können. Denn oft sind wir nicht die einzigen, die Hilfe brauchen, sondern wir können auch Ihnen irgendwie helfen. Ich weiß, dass es bei Ihnen vier Jahreszeiten gibt, und wenn Sie Winter nicht mögen, können wir vielleicht ein Austauschprogramm machen und sagen, kommen Sie im Winter nach Afrika, weil es dort schön ist, und im Sommer könnten wir dann vielleicht kommen und wir können zusammenarbeiten und sogar Entwicklungsprojekte wie Infrastruktur, Bildung und so weiter durchführen. Ich mache mir Sorgen, dass all diese Dinge aufgrund der Beschränkungen des Austauschprogramms nicht möglich sind, aber wir können jetzt damit anfangen, wir können Ideen entwickeln. In Afrika sind 70 Prozent der Bevölkerung Jugendliche und sie sind unter 35 Jahre alt. Das bedeutet, dass sie so viele Ideen in ihren Gehirnen haben, dass sie am besten denken und dass sie großartige Ideen haben können. Das müssen wir ausnutzen, wir müssen die Tatsache nutzen, dass es so viel gibt, was wir tun können, um unser Denken zu verbessern. Wie Sie schon sagten, war es vor Jahren schwieriger, zusammenzuarbeiten, und jetzt ist es möglich, aber wenn wir mehr Nachdruck darauf legen und es erzwingen, dann werden Sie erstaunt sein, wie weit wir bei der Schaffung dieses globalen Dorfes gehen können, so dass wir die Beschränkungen nicht mehr brauchen werden. Das ist sehr interessant, denn in den europäischen Gesellschaften werden die Menschen immer älter, und das kann zu einer gewissen Kluft führen, weil wir alle in die Zukunft blicken müssen, um über die Zukunft nachzudenken, und wir müssen auch darüber nachdenken, welche Art von Technologien, welche Art von Kommunikationsmitteln wir in, ich weiß nicht, 50 Jahren nutzen werden, und wahrscheinlich sind die europäischen Gesellschaften dann zu alt, um etwas zu erfinden, was ich nicht weiß, aber das ist ein großer Vorteil für die afrikanische Jugend von heute.

MW: Um zu einer anderen Frage zu kommen, denn vor einem Jahrzehnt habe ich selbst in Kamerun gelebt, und eine der ersten Erfahrungen war eine verrückte, aber sie hat mich wirklich ein wenig schockiert. Kamerun ist ein kleines afrikanisches Land, aber als solches ist es sehr groß und es gibt kein Kino.  Es gibt nicht einmal ein Kino, es gibt in ganz Kamerun kein einziges Kino. Ich frage nun nicht warum, aber ich würde gerne wissen, was Sie uns über die visuelle Kultur, die Medienkultur in afrikanischen Gesellschaften in Uganda oder sogar im Ausland erzählen können, denn ich habe bereits mit Ihnen darüber gesprochen, dass Sie so viele Metaphern verwenden, dass Sie in Bildern sprechen. Was können Sie uns über diese Art von Kultur erzählen?

CN: Mir wurde erzählt, dass es früher eine sehr starke Kinokultur in Afrika gab, wo die Menschen in Kinos und Theater gingen, um sich Theaterstücke und Filme anzusehen. Aber jetzt stirbt die Kinokultur in Afrika oder ist in einigen Ländern tot, so wie Sie es in Kamerun erlebt haben. Und niemand ist bereit, Kinosäle zu bauen, damit die Leute sich Filme ansehen können. Teil des Grundes für das Kinosterben ist die Technologie, die Einzug gehalten hat, denn jetzt bewegen wir uns in Richtung Video-Online-Streaming und auf Plattformen wie Netflix, Showmax und Video-on-Demand, so dass die Menschen nicht mehr das Bedürfnis haben, in Kinos zu gehen und Schlange zu stehen und sich nachts zu bewegen, um Inhalte zu sehen. Was sie tun können ist, eine App auf ihr Telefon herunterzuladen. Das ist also der Übergang, den wir gerade vollziehen, und wenn ich weiß, dass einige Länder ihn bereits vollzogen haben, dann liegt das daran, dass Afrika ein bisschen langsam ist, wenn es darum geht, sich an einen guten Internetzugang anzupassen. Wir bewegen uns langsamer, als wir sollten, aber das ist die Richtung, in die wir gehen. Sie kämpfen damit, relevant zu bleiben, denn die Leute gehen immer noch in die Kinos, um ihre Inhalte zu sehen, aber sie sind auch dabei, zum Online-Streaming überzugehen. Deshalb habe ich, nachdem ich angefangen hatte, Filme zu machen, eine Filmproduktionsfirma namens Django Rains gegründet. Die Idee war, Energien aus Uganda und Talente aus Uganda einzubringen, damit wir gemeinsam produzieren und zusammenarbeiten können, um einige der Dinge, die im Sterben liegen, relevant zu halten. Ich habe erkannt, dass die Inhalte, die wir machen, eine größere Reichweite haben, je mehr wir zusammenarbeiten. Wenn ich also einen Film mit einer österreichischen Firma mache, dann haben wir zwei Länder gleichzeitig im Visier. Uganda wird von diesem Film wissen und Österreich wird von diesem Film wissen, und ich denke, es ist einfacher für uns, zusammenzuarbeiten und ein Produkt zu vermarkten, das, obwohl die Kinokultur im Sterben liegt, einen Durchbruch haben wird, eine Kraft hat, mit der man rechnen kann, um sicherzustellen, dass die Leute von diesem Projekt erfahren. Letztendlich geht es also darum, wie sehr man bereit ist, sein Produkt zu pushen und gesehen zu werden, selbst in Situationen, in denen man das Gefühl hat, dass wir uns im Umbruch befinden und das Kino bereits im Sterben liegt und niemand mehr kommt, um sich den Film anzusehen.

MW: Während der Konferenz sprachen wir viel über die Dominanz dieser riesigen Mediengiganten wie Google, YouTube und viele mehr, und wahrscheinlich haben wir als DORFTV und Sie als Filmemacher in Uganda viel gemeinsam, denn wir müssen über Strategien nachdenken. Wie können wir damit umgehen und wie können wir Sichtbarkeit erlangen, wie können wir Macht erlangen, wie können wir Einfluss gewinnen, wie können wir unsere Informationsgesellschaft mitgestalten? Es gibt viele Herausforderungen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, und was können Sie uns sagen, wie Sie damit umgehen? Denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass der gesamte Kontinent, insbesondere wenn wir uns mit den Entwicklungen der Informationsgesellschaft in Afrika befassen, völlig abhängig ist von dem, was in den Vereinigten Staaten und China und TikTok – und was auch immer Sie als Apps und Kommunikationsmittel verwenden – geschaffen wurde.  Ist das in Uganda eine Diskussion innerhalb der kreativen Szene?

CN: Um die erste Frage zu beantworten, was man für die Sichtbarkeit tun kann, denke ich, dass dies eine Herausforderung ist, mit der wir überall auf der Welt konfrontiert sind, wenn man kein Budget hat. Wenn man ein Budget hat, ist es einfach, Kampagnen zu erstellen, die überall hinreichen. Aber der Vorteil, den wir in Uganda oder Afrika haben, ist jener, dass wir es mit einer Nische von Menschen zu tun haben, die an Inhalten interessiert ist. Wenn man jünger ist, ist die Aufmerksamkeit für visuelle Inhalte sehr groß.  Das ist viel mehr, als wenn man älter ist. Ich habe mit meiner Mutter zu kämpfen, wenn es darum geht, fernzusehen oder meine Filme zu sehen, weil sie sagt: Ja, ich will deinen Film sehen. Und dann, wenn ich den Film abspiele, sagt sie: "Oh, mein Gott, schön."  Und ich frage dann: "Mama, ja, was ist passiert? Was ist denn passiert?" Und sie hat geschlafen. Sie hatte nicht vor zu schlafen, aber aufgrund ihres Konzentrationsniveaus, wenn sie älter wird, beginnt sie in den Momenten deines Films zu dösen. Da wir also sehr viele Jugendliche im Land haben, ist es für uns einfach, eine visuelle Botschaft zu vermitteln, und wir erhalten die Reaktionen, die wir uns wünschen. Wenn Sie also auf der Suche nach Sichtbarkeit sind, und ich habe das oft bei Leuten gesehen, die von außerhalb Afrikas kommen und Afrika ins Visier nehmen, weil sie wissen, dass es dort so viel Potenzial für sie gibt, ihre Inhalte zu verkaufen, und wir kaufen es, und ich habe auch gesehen, wie Hollywood jetzt versucht, in afrikanische Geschichten einzugreifen, indem es unsere eigenen Geschichten erzählt. Sie haben Queen of Katwe in Uganda verfilmt, sie sind gekommen und haben eine ugandische Geschichte erzählt, zu der ich mich nicht äußern werde, aber stellen Sie sich all diese Geschichten vor, denn jetzt versuchen sie, diese sehr uneingeschränkte Kraft der Marketingstrategie anzuzapfen, die wir in Uganda nicht erforscht haben. Wir brauchen eigentlich nicht einmal Menschen außerhalb Ugandas, die unsere Inhalte sehen, damit sie sich verkaufen. Wir müssen nur Kampagnen entwickeln, die dafür sorgen, dass jeder Jugendliche, jeder Erwachsene in Uganda eine Kopie unseres Films bekommt, selbst wenn man ihn für 10 Dollar verkauft. Stellen Sie sich vor, Sie verkaufen Ihren Film für nur 10 Dollar an 1 Million Menschen. Man kopiert ihn auf DVDs.  Diese sind zwar auch am Aussterben, aber eine Person hat mich kürzlich zu einer Filmpremiere eingeladen, und er hat eine Kopie seines Films auf einer Flash-Disk verkauft. Seine Marketingstrategie bestand also darin, eine Flash-Disk mitzunehmen. Ich glaube, er hat sehr gut gerechnet und auch die Flash-Disk mit einkalkuliert. Er verkaufte also den Film auf der Flash-Disk, und man nahm die Kopie mit. Jeder kaufte eine Flash-Disk, also bekam er sein Geld zurück. Er hatte seinen Film für das Publikum freigegeben und verdiente sein Geld auf diese Weise, anstatt darauf zu warten, dass jemand kam und ihn zu einem geringeren Preis kaufte, denn die Industrie in Uganda steckt noch in den Kinderschuhen, es gibt also nicht viel Geld. Es geht also darum, aufzuwachen und zu überlegen, wie ich mit meinem Projekt Geld verdienen kann, damit ich Geld für ein anderes Projekt bekomme. Es sind also buchstäblich das Marketing und die Vertriebsstrategien, die dafür sorgen, dass man sichtbar und gesehen wird. Aber auch etwas anderes, das Sie erwähnten und das ich sehr interessant finde, ist die Tatsache, dass sehr viele in Uganda und Jugendliche zu den Hollywood-Filmen aufschauen, wenn es um Inhalte geht. Ja, das stimmt, aber ich denke, das ist eine neokoloniale Perspektive. In gewisser Weise wurden wir dazu erzogen, auf koloniale Weise zu denken.  Als wir kolonisiert wurden, sagte man uns, dass unsere Kolonialherren die Besten sind. Sie haben die besten Entwürfe, sie haben die besten Dinge zum Anschauen. Sie brachten uns dazu, uns selbst zu hassen. Und deshalb kämpfen Mädchen in Uganda jeden Tag damit, ihre Haut zu bleichen, damit sie so aussehen können wie die Kolonialherrschaft. Als die Kameras gebaut wurden, waren sie nicht für die Afrikanerinnen und Afrikaner gemacht. Man braucht zusätzliches Licht, um mehr Licht auf mich zu werfen, damit ich kameratauglich aussehe.  Wenn ich hingegen die Kamera vor Ihnen positioniere, brauche ich nicht viel Licht. Es gibt also so viele Dinge, bei denen wir im Nachteil sind. Und das gibt den Leuten das Gefühl, ja, weil die anderen bessere Menschen sind als wir. Deshalb fühle ich mich so, wie ich bin, nicht wohl. Ich muss ein bisschen bleichen, um vorzeigbarer auszusehen, um heller auszusehen, um schöner auszusehen, wissen Sie. Der Grund, warum wir immer zu Ihnen aufschauen, ist also diese postkoloniale Einstellung, die Sie in uns hinterlassen haben. Und ich sehe das auch im Bildungssystem, wo viele Menschen auf die Arbeitssuche vorbereitet werden, statt auf die Schaffung von Arbeitsplätzen. Und dann haben wir Fluten von Studierenden, die jedes Jahr ihren Abschluss machen, aber sie sind auf der Suche nach Arbeit. Dabei ist es bei dem Marktpotenzial, das in Uganda vorhanden ist, ein Leichtes, einen eigenen Arbeitsplatz zu schaffen und damit erfolgreich zu sein. Ich habe mich geweigert, angestellt zu werden. Ich habe mein Studium abgeschlossen und meiner Mutter gesagt: "Du wirst mich nicht auf der Suche nach einem Job sehen. Ich werde mich ein paar Jahre abrackern, dann werde ich den Durchbruch schaffen." Genau das ist passiert. Und ich führe meine eigenen Produktionen in meinem eigenen Tempo durch, ohne den alltäglichen Morgen. Man wacht auf und geht zur Arbeit. Es gibt also so viel Potenzial. Es gibt so viel, was wir tun können. Aber wir müssen die Mentalität unserer Kolonialherrschaft ablegen. Auf diese Weise werden wir in der Lage sein, diese Möglichkeiten anders zu bewerten oder zu nutzen.  Und wir werden unsere Geschichten betrachten und sie mehr lieben.

MW: Das ist interessant, und ich bin sehr dankbar, dass Sie jetzt diesen wichtigen postkolonialen Kontext hervorheben. Derzeit wird viel über die Frage diskutiert, ob wir Afrika zu sehr ausbeuten, was die Rohstoffe angeht. Und wie auch immer, selbst Kultur, kulturelle Informationen müssen als eine Art virtuelle oder andere Form von Rohstoffen in unseren Informationsgesellschaften betrachtet werden. Und Sie haben auch die Welt außerhalb Afrikas erwähnt, die all diese Inhalte aggressiv zu Ihnen und Ihrer Umgebung und Ihren Ländern und sogar Dörfern bringt, denke ich. Um ein bisschen konkreter zu werden, was können Strategien sein?  Denn ich möchte Sie jetzt auch einladen, sich unseren Diskussionen von DORFTV anzuschließen. Wir diskutieren fast die gleichen Fragen. Wie können wir unabhängiger werden, aber trotzdem effektiv, um das Publikum zu erreichen, um das Publikum zu maximieren? Was sind Ihre Strategien, um weiterzukommen?

CN: Ich denke, was zwischen uns Afrikanerinnen und Afrikanern und dem Ziel steht, das wir erreichen müssen, sind wir selbst. Wir stehen uns mit unserer Einstellung und Mentalität selbst im Weg. Wenn wir uns weiterentwickeln und unabhängig werden wollen, dann müssen wir unsere Einstellung ändern und unabhängig werden. Weg von dem, was uns die Kolonialherrschaft vor Jahren, vor vielen, vielen Jahren, als Ideen verkauft hat. Wir müssen aufhören, einen Minderwertigkeitskomplex zu haben, denn den haben wir sehr oft. Ich habe das in Filmen gesehen, als ich in Kenia war. Ich habe so viele weiße Filme über Afrika gesehen, und sie hatten diesen Überlegenheitskomplex.  Es gab einen, der hieß "Out of Africa". Ich glaube, sogar Meryl Streep spielte darin mit – und auch Robert Redford.  Also, sie kommt nach Afrika, die Figur Karen Blixen kommt nach Afrika. Und als sie nach Afrika kommt, kommt sie mit medizinischer Versorgung. Sie fängt an, den Leuten zu sagen, was sie tun sollen. Sie baute sie buchstäblich auf. Sie hat sie gefunden und sie waren verloren. Doch dank ihrer Existenz hat sich alles zum Guten gewendet. Ich danke Ihnen vielmals. Womit haben wir früher gelebt? Ich bin betroffen von der Tatsache, dass man mir erzählt, der Nil sei von einem Weißen entdeckt worden. Bitte, wir haben früher Wasser aus dem Nil geholt. Die Menschen haben sich dort geduscht. Bevor sie kamen, um den Nil zu entdecken, hatten wir ihn entdeckt, weil wir dort geboren wurden. Sie können mir nicht erzählen, dass wir nicht wussten, wo er ist, bis sie kamen und uns sagten, wo er ist. Dieser Überlegenheitskomplex, mit dem sie kommen, führt also dazu, dass sich viele in Afrika minderwertig fühlen. Wir haben das Gefühl, dass wir nichts wissen, weil jemand anderes kommt und uns sagt, was wir tun sollen, und uns zeigt: "Ja, wir können das besser." Und so dachten wir: "Überlassen wir es der Herrschaft, denn die weiß es besser. Sie kann das besser."  Und so ermächtigen wir uns selbst nicht zu denken, dass wir diese Situationen allein bewältigen können. Wenn wir also einen Durchbruch wollen, wenn wir dorthin gehen wollen, wohin wir gehen müssen, dann sollten wir uns von dem Gedanken verabschieden, dass wir nichts allein tun können, es sei denn, jemand, der uns vor Jahren kolonisiert hat, sagt das. Dann werden wir in der Lage sein, dorthin zu gehen, wohin wir wollen.

MW: Ich weiß es nicht, aber ist es möglich, dass die neue, die kommende Generation, die Jugend von morgen ihre Einstellung gegenüber der Kolonialherrschaft geändert hat?  Denn sie hat keine gemeinsame Zeit mit den europäischen Herrschaften und diesem kolonialen brutalen Regime erlebt. Wird es eine neue Sichtweise geben?  Denn die Menschen wachsen immer globaler auf, weil sie YouTube-Videos schauen, alles ist verfügbar. So können sie mit vielen Ideen in Berührung kommen, die wirklich weit weg von diesem kolonialen Denken sind.

CN: Ich glaube nicht, dass wir in Afrika genug tun. Selbst unsere afrikanischen Führungen tun nicht genug, um diese Vorstellungen zu widerlegen. In Kampala, der Hauptstadt Ugandas, haben wir zum Beispiel immer noch Straßen, die nach Kolonialherren benannt sind. Wir haben zum Beispiel John's Peak, wir haben Albert Cook Road, und Sie sagen jemandem: "Geh zur Albert Cook Road!" Warum sollte man sie nicht nach Cissy Nalumansi benennen? Warum nicht nach Menschen, nach den Präsidenten, die wir vor uns hatten?  Es gibt also winzige, kleine Dinge, die wir zunächst einmal …

MW: Aber das braucht Zeit. Wahrscheinlich kann es bald geändert werden.

CN: Aber wann? Ich meine, wenn diese Dinge bewirkt werden müssten, wenn wir aktiv daran beteiligt wären, diese Vorstellungen zu entlarven, dann hätten wir diese Dinge schon vor langer Zeit tun müssen. Diese Straßen gibt es immer noch. Wir haben den Viktoriasee in Uganda. Der See sollte nach uns benannt werden. Auf diese Weise fordern wir unsere Unabhängigkeit zurück, und damit auch unser unabhängiges Denken. Aber wir tun nichts. Wir erinnern uns immer noch. Ich habe kein Problem mit ihnen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie eine Rolle in unserer Geschichte gespielt haben, und davor können wir nicht weglaufen. Aber wieso verlassen wir uns immer noch auf sie? Wir verlassen uns auf ihre Geister. Selbst wenn sie nicht mehr da sind, folgen wir immer noch ihren Schatten, und das hält uns in ihrem Schatten. Wir können nicht wirklich glänzen, wenn wir in ihrem Schatten arbeiten. Wenn wir also handeln wollen, und ich rufe die Afrikanerinnen und Afrikaner auf, diese Denkweise zu beenden, müssen wir anfangen, selbst zu denken. Wir müssen anfangen, unseren Namen als Afrika zu beanspruchen, und nicht im Schatten dessen stehen, was die Kolonialherrschaft hinterlassen hat.

MW: Da stimme ich voll und ganz zu. Wir müssen also diese Art von Unabhängigkeitsbewegung reaktivieren, eine neue Form, eine neue Idee von Unabhängigkeit und Freiheit. Wenn wir diese Bewegung näher betrachten, wo ist dann der Platz von Cissy Nalumansi in dieser Bewegung?

CN: Ich bin eine Geschichtenerzählerin. Meine Stimme ist, wenn ich Geschichten erzähle. Ich werde meine Geschichten nutzen, um diese Veränderung zu beeinflussen. Wenn ich meine Geschichte erzähle, und eines der Projekte, die ich als nächstes machen möchte, ist eines, das die Vorstellung widerlegt, dass man intelligent ist, wenn man Englisch spricht. Wenn du Englisch sprichst und du sprichst gebrochenes Englisch, dann lachen die Leute über dich, denn wenn du kein Englisch kannst, kannst du auch nichts Intelligentes sagen. Aber wir haben unsere Ältesten in den Dörfern, unsere Großväter und Großmütter, die kein Englisch sprechen, aber sie sind superintelligent, und sie werden dir Lebenslektionen beibringen, die du in der Schule in der formalen Bildungseinrichtung nicht lernen kannst. Fangen wir also mit dem an, was wir können, mit unseren Fähigkeiten.  Meine Fähigkeit als Filmemacherin werde ich nutzen, um die Vorstellungen zu widerlegen, und ich erwarte von der Person, die sich mit der Technologie oder der Entwicklung von Kameras beschäftigt, dass sie die Vorstellungen widerlegt, indem sie Kameras herstellt, die gut mit mir zusammenarbeiten, sodass ich vor der Kamera nicht unangenehm aussehe, weil ich nicht hellhäutig bin. Alle, die in ihrem Bereich, in ihrer Abteilung tätig sind, sind in der Lage, zu dem von uns angestrebten Wandel beizutragen. Warum sollten wir unsere eigenen Leute abziehen, nur damit wir die Bewegung der Kolonialherrschaft weiterführen können?  Das ist also meine Idee, dass wir alle in der Lage sind, etwas zu tun in Bezug auf - ich liebe diesen Ohrring, weil er Afrika sagt.  Jeder Mensch, der meinen Ohrring sieht, wird daran erinnert, dass wir ihn als Statement verstehen. Ja, es ist ein Statement, und ich habe einen, ich habe zwei, aber ich habe mich entschieden, einen zu tragen, weil es ein Afrika ist. Es sind also einfache, simple Aussagen, die etwas bewirken und den Patriotismus zurückbringen, den die Menschen brauchen.

MW: Eine letzte Frage, denn das Ende der Sendezeit ist nahe. Ich möchte Sie einladen, einfach zu träumen, zu phantasieren, was auch immer. Wenn Sie in die Zukunft blicken, was würden Sie eines Tages gerne zurücklassen? Was würden Sie gerne im Sinne des Erbes von Cissy Nalumansi zurücklassen?

CN: Entschuldigung, ich möchte das kurzsichtige Denken hinter mir lassen, dass ich nicht in der Lage bin, etwas zu tun. Ich würde gerne das koloniale Bildungssystem, mit dem wir arbeiten, hinter mir lassen.  Ich habe einen Bachelor-Abschluss in IT. Ich wurde zu 90 % in Theorie und nicht in Praxis unterrichtet. Und ich weiß, dass es vielen Menschen so geht. Man bringt uns nicht die Fähigkeiten bei, die wir für unser tägliches Leben brauchen, sondern paukt Dinge, die man nicht einmal anwenden kann. Mir wurde etwas über die kanadischen Prärien beigebracht, die ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen habe. Sie lehren mich über Kanada, aber Sie können mir kein Visum geben, um Kanada zu sehen. Es ist also die Ideologie, dass Sie mich über die Staudämme in Amerika belehren, aber ich kann nicht einmal die Dämme sehen, über die Sie mich belehren.  Wir haben ein System, das uns Dinge beibringt, die wir in unserem täglichen Leben nicht wirklich brauchen. Und dennoch werden die praktischen Fähigkeiten, die wir brauchen, nicht gelehrt. Deshalb würde ich gerne das Bildungssystem zurückgeben. Ich möchte das System, das Mädchen sagt, dass sie nicht hübsch genug sind, weil sie nicht hellhäutig sind, abschaffen. Viele unserer Mädchen werden in 20 Jahren an Krebs sterben, Gott bewahre, aber weil sie sich bleichen. Sie bleichen, um vor der Kamera gut auszusehen, um präsentabler zu sein.  Ich habe in den sozialen Medien Videos gesehen, in denen sich Mädchen über einen Produzenten geoutet haben. Da war ein Typ, der zu einem jungen Mädchen sagte, er könne ihnen keine Chancen geben, weil sie dunklerhäutig seien, er sagte, du siehst auf dem Bildschirm nicht vorzeigbar aus, weil du nicht hellhäutig bist. Wenn Sie das einem jungen Mädchen sagen, dessen Traum es ist, im Fernsehen aufzutreten, dann sagen Sie ihr, sie soll sich bleichen und wie eine hellhäutige Person aussehen. Auf diese Weise wirst du Chancen im Fernsehen haben. Ansonsten haben Sie keine Zukunft. Ich möchte dieses Denken in der Vergangenheit lassen.  Dass wir nichts für uns selbst tun können. Wir haben Ressourcen. Wir haben gutes Wetter. Wir haben gute Böden. Wir haben so viel. Erstaunliche Gewässer, erstaunliches Klima, erstaunliche Tierwelt. Wenn wir uns von dem Gedanken verabschieden, dass wir nicht in der Lage sind, mit den Ressourcen, die wir haben, etwas anzufangen, dann wird es uns gut gehen.

MW: Vielen Dank, Cissy Nalumansi.  Es war ein großartiges Gespräch. Ich weiß wirklich zu schätzen, was Sie in diesen 2-3 Tagen getan haben. Denn Sie hatten wirklich einen intensiven Zeitplan.  Vielen Dank und ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Zukunft. Für die nahe Zukunft, für die ferne Zukunft.

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