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György Kurtág - Op. 20

Created at 31. Jan. 2020

2461 Ansichten
by DORFbrunnen

György Kurtág - József Attila Fragments, Op. 20
József Attila (1905–1937)

1.
Breiig wird der Schnee, festigt sich zu Eis,
und meine Sünden verdichten sich zum Tod.

2.
Es waren viele, die mich umringten -
in meinem Traum – und mich auslachten:
„Ha, ha! hat etwa der den Schatz,
den‘s gar nicht gibt?“

3
Für sieben, frag ich mich,
willst du mir sechse geben?
Ich spiele, und Spiel
ist schon Gewinn.

4.
Die Zeit
reift, sich windend wie die Bohne.

5.
Dichterliebe brennt wie Stroh,
ungeduldig und gefräßig.

6.
Ich staune,
daß ich vergehe.

7.
Sag, was soll ich tun, daß du mich liebst,
wenn ich weine, du nicht lachst?
Wie ein Motor, der, schon angesprungen,
keinen Weg hat und nicht fahren kann,
so bin ich, und wäre ich nur mutiger,
dann spräch‘ ich unsinnige Worte.

8.
Durch die Pappeln, silbern schäumend,
fließt ein süßer Hauch.
Darin badet mit gold‘nen Gliedern
der gewaltige Sommer.

9.
Mädchenknie belauern unser Jägerauge,
und im Zorne möcht‘ ich töten eine Fee.
Doch für dies löchrige Leben, den gefund‘nen Groschen,
zu morden, mein‘ ich, lohnt sich nicht.

10.
Seit fünfzehn Jahren schreib ich Verse,
und jetzt, da man mich Dichter nennt,
da steh‘ ich an der Ecke des Eisenwerks
und habb‘kein Wort für Mond und Himmel.

11.
Der Abend ist so sanft wie eine Traube,
er rollt mir weich durch die Erinnerung.
Ein blonder Abend. Doch ich kann mich nicht erinnern.

12.
Und ich staune,
daß ich vergehe.

13.
Helft mir, daß ich sie nicht töte,
daß ich sie nicht ausradiere
aus den Bildern dieser Welt.

14.
Ich hab‘ mit niemandem zu tun.
Mein Wort, ein schwebender Schimmelpilz.
Bin wie die Kälte,
hell und schwer.

15.
Zartes Fleisch wird es geben, auch junge Rüben.
Der Ochse wird fett, es wächst der Kohl.
Doch all das sprießt aus unsrem Staub.

16.
Nein, nein! sollt‘ ich schreien
und flüstere: Ja, ja,
damit das Schicksal ein Wiegen bringe
den Wassern im Meere des Weinens.

17.
Über dem Garten, ein unerhörtes Nichts beschwörend,
düstert Hitze. Ungeheuer.
Die Zweige halten Spinnweben in ihren runzeligen Händen.
Gelangweilt winkt das Laub.
Die Pfütze ist von feinem Staub bedeckt.

18.
Erbarmen, liebe Mutter, Mama, schau,
weh, auch dieser Vers ist zu Ende!

19.
Breiig wird der Schnee, festigt sich zu Eis,
und meine Sünden verdichten sich zum Tod.

20.
Lied, löse dich von meinen Lippen,
und du, Leid, erreiche mich erst morgen.
Tiefer muß ich mich noch beugen,
um, nichts mehr wissend, zu singen.

Deutsche Version: Wilfried Brennecke

György Kurtág, * 19.02.1926 Lugos/Rumänien
Der ungarische Komponist und Pianist György Kurtág feierte am 19. Februar
2016 seinen 90. Geburtstag. Geboren in Lugos, Rumänien, siedelte er 1946
nach Budapest über und studierte an der Franz-Liszt-Akademie Komposition
bei Sándor Veress und Ferenc Farkas, Klavier bei Pál Kadosa und Kammermusik
bei Leó Weiner. Von 1957 bis 1958 nahm er an Kompositionskursen bei
Darius Milhaud und Olivier Messiaen in Paris teil. Heute gilt György Kurtág
neben György Ligeti als der bedeutendste ungarische Komponist der Nachkriegsgeschichte.
Anders als Ligeti verließ er Ungarn nach dem Aufstand 1956
nicht, sondern blieb zunächst in Budapest, wo er von 1967 bis 1993 an der
dortigen Franz-Liszt-Musikakademie Klavier und Kammermusik unterrichtete.
Erst Mitte der 70er Jahre wurde seine Musik allmählich in Westeuropa bekannt.
So lud ihn 1993 das Wissenschaftskolleg zu Berlin für zwei Jahre als „Composer
in residence“ der Berliner Philharmoniker ein. Im Jahr 1998 erhielt er den
renommierten Preis der Ernst von Siemens Musikstiftung, 2001 den Friedrich-
Hölderlin-Preis der Universitätsstadt Tübingen und 2009 den Goldenen
Löwen der Biennale von Venedig für sein Lebenswerk im Rahmen des 53.
Internationalen Festivals für zeitgenössische Musik. 2001 wurde er in die
American Academy of Arts and Sciences gewählt.

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Das Werk wurde am 4.12.19 an der Anton Bruckner Privatuniversität im Rahmen des Festivals "Leicht über Linz 2019" von Neue Vocalsolisten Stuttgart, interpretiert.

Neue Vocalsolisten Stuttgart
Die sieben Konzert- und Opernsolisten, vom Koloratursopran über den Countertenor
bis zum schwarzen Bass, verstehen sich vor allem als Forscher und Entdecker. Um dem Neuen den Weg zu bereiten, arbeiten die Neuen Vocalsolisten regelmäßig mit arrivierten und jungen Komponist*innen zusammen in der Recherche nach neuen Klängen, Stimmtechniken und vokalen Ausdrucksformen.
So entstand im Laufe der letzten 20 Jahre ein reiches, hochvirtuoses und weltweit einzigartiges Repertoire vokaler Kammermusik. Dabei bewegen sich die Neuen Vocalsolisten insbesondere auf dem Terrain des gegenwärtigen Musiktheaters, das mehr denn je durch elektronische Medien, Video- und Konzeptkunst geprägt ist. Interdisziplinäre Diskurse gehören daher selbstverständlich zur Arbeit des Ensembles. Bildende Kunst, Literatur, Film und performative Formate sind darin ebenso einbezogen wie Bezüge zu traditioneller Musik. Vor diesem Hintergrund haben die Neuen Vocalsolisten das Genre des vokalen Kammer-Musik-Theaters geprägt, unter anderem mit Werken von Georges Aperghis, Carola Bauckholt, Luciano Berio, Luca Francesconi, Lucia Ronchetti, Oscar Strasnoy und Claude Vivier. Partner des Ensembles sind dabei stets hochkarätige Spezialistenensembles und Orchester, internationale Opernhäuser, die freie Theaterszene, elektronische Studios sowie zahlreiche Veranstalter von Festivals und Konzertreihen neuer Musik in aller Welt.

Johanna Vargas, Sopran
Susanne Leitz-Lorey, Sopran
Truike van der Poel, Mezzosopran
Martin Nagy, Tenor
Guillermo Anzorena, Bariton
Andreas Fischer, Bass

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Dem Musikschaffen der Gegenwart widmet sich heuer zum vierten Mal in Zusammenarbeit mit der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik Oberösterreich das Festival Leicht über Linz, das mit zahlreichen Konzerten, Vorträgen und Performances von Studierenden, Absolvent*innen, Professor*innen und internationalen Gästen die Bruckneruniversität bespielt. Zu Gast sind neben den Neuen Vocalsolisten Stuttgart unter anderem das Contemporary Pop Duo „Nimikry” sowie Manuela Kehrer, die als Composer in Residence gewonnen werden konnte.

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