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Welt-Bilder | 02 | Die Ilias von Homer: Der Befehlsraum der Götter | 16.10.2012

Created at 30. Mar. 2016

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by dorftv

Univ. Prof. Dr. Walter Ötsch
Vorlesung „Themen und Theorien der Kulturwissenschaften I“ an der Johannes Kepler Universität Linz im Wintersemester 2012

2. Stunde, 16.10.2012:
Die Welt der Ilias I (als Ausdruck eines mythischen Welt-Bildes): der Befehls-Raum der Götter

1. Die Götter der Ilias
Der historische Hintergrund der Ilias
Die 1. Szene der Ilias: Achilles kontra Agamemnon: das Eingreifen der Pallas Athene
Die befehlenden Götter
Götter als >reale< Wesen, Götter als Personifikationen von Kräften
Epiphanien, nur bei besonderen Anlässen
Eine zwingende Präsenz, machtvolle leibliche Erfahrungen.
Zwangsläufig erfahrene Zustände: in der Gewalt von Kräften, die man nicht kontrollieren kann.
Die Erlebnis-Momente werden mit Götternamen belegt.
Gott und Natur stehen in keinem Widerspruch. Es gibt keine göttlichen Wunder.
Merkmale der antiken „Religionen“

2. Götter-Hüllen
Götter sind „Individuen mit Allgemeinheitsbedeutung“: Namen für Individuen und zugleich Begriffe mit Allgemein-Bedeutung. sw.
Götter agieren als eigenständige Personen und sind zugleich an verschiedenen Orten, zu bestimmten Zeiten, wie Festtagen, in Personen und Dingen „verkörpert“. Sie sind in ihnen „enthalten“, allerdings nicht in einer erschöpfenden Weise, weil sie auch anderswo zu finden sind.

3. Mythische Objekte
Das Göttliche durchzieht alles: Objekte, Menschen, Tiere, Zeiten und Räume.
Überall wirken die göttlichen Kräfte, freilich in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität.
Alles ist, wie Karen Gloy für ein magisch-mythisches Welt-Bild schreibt, „durchwaltet und beherrscht gedacht von Kräften, Mächten, Tendenzen, Bestrebungen und Einflüssen, die sich wie in einem Stromsystem hierhin und dorthin ergießen.“
Das Gemeinsame aller Ströme ist ihre göttliche Natur, Kurt Hübner spricht von „mythischer Substanz.“
Die „mythische Substanz“, die den gesamten Raum durchzieht, hat sich im Objekt „kondensiert“.
Ein Ding ist „nur eine Hülle, ein Gefäß, in welches eine solche Substanz in größerer und geringerer Dichte eindringt, weswegen das Numinose darin stärker oder schwächer anwesend sein und verspürt werden kann.“

4. Mythische Personen
Auch Personen sind Gefäße für göttliche Energien.
Der Charakter eines Menschen ist von seiner mythische Substanz bestimmt.
Ihre ausgezeichnete Stellung begründet sich aus der Sippe, der sie entstammen.
Eine Sippe ist eine soziale Hülle gefüllt von „mythischer Substanz“, die einst von einem göttlichen Wesen direkt in einen Menschen eingeflossen ist und nun von Geschlecht zu Geschlecht weitergegeben wird.
Eine Sippe „transportiert“ göttliche Kräfte über Generationen.
Eine Sippe gibt ihre Energie nicht nur „persönlich“ (durch Kinder), sondern auch durch ihren Besitz, ihre Dinge weiter
Durch Gastgeschenke werden Energien ausgetauscht und miteinander verschmolzen.
Die Geschichte von Diomedes und Glaukos [6, 122ff.]

5. Mythische Zeiten
Arché: eine Ursprungsgeschichte, die sich wieder und wieder vollziehen muß. Irgendwann hat ein numinoses Wesen zum ersten mal eine bestimmte Handlung vollzogen, und seitdem wiederholt sich dieses Ereignis identisch immer wieder.
Alles Regelmäßige in der Natur, in der Psyche, in der Gesellschaft ist arché.
Mythische Substanzen sind demnach zeitloser Natur. Jedes „Jetzt“ enthält das Vergangene in sich und geht mit der Zukunft schwanger (so Cassirer mit Bezug auf Leibniz).

6. Mythische Räume
Wie Ereignisse sind auch Szenen, Orte und Räume nicht in einem Raum „angesiedelt“.
Der (physikalische) Raum ist nicht gleichartig, sondern überall nach göttlichen Atmosphären unterteilt.
Räume sind Orte, an denen sich Göttliches manifestiert.
Orte sind Götter, den Göttern sind Orte zugeordnet.
Das Erleben von Atmosphären an einem Ort ZEIGT die Präsenz göttlicher Wesen.
Von einem témenos zum anderen sind „Schwellen“ zu überschreiten, oft in Form von Ritualen, die den Menschen auf die neue, vielleicht bedrohende oder erhebende Atmosphäre „einstimmen“.
Jede Richtung führt zu einem anderen Sein.

Videoproduktion: Alexander Grömmer und JKU
Video auf youtube: http://bit.ly/1qhjp0N

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