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Strukturen globaler Ungleichheit: wer profitiert, wer verliert?

Created at 11. Mar. 2024

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by schober rudolf

von Dr.in Karin Fischer (Leiterin des Arbeitsbereichs Globale Soziologie und Entwicklungsforschung am Institut für Soziologie der JKU Linz) am 29.2.2024 im Gemeindesaal Ottensheim, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Zwischen ARM und REICH – Verteilungsfragen von lokal bis global“.

Karin Fischer legt eingangs dar, dass in den Jahren von 1990 bis 2015 ein beträchtlicher Rückgang der Armut im globalen Maßstab zu verzeichnen war, wobei die Armutsgrenze weltweit bei 1,9 Dollar pro Tag bemessen wird. Von etwa 2 Milliarden so definierten Armen, ging die Zahl innerhalb von 25 Jahren auf ca. 800 Millionen zurück.

Im Wesentlichen ist dieser Rückgang der Armut auf die Entwicklung in den asiatischen Ländern
zurückzuführen. Die Wachstumsprozesse – besonders in China – führten zu einer Abnahme der globalen Ungleichheit. Beispielsweise in Indien lag die mittlere Lebenserwartung 1950 noch bei 35,7 Jahren und beträgt heute rund 75 Jahren.

Trotzdem gibt es eine große Kluft zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden. Wir profitieren noch immer von den historischen Ausbeutungsstrukturen, die mit dem Kolonialismus etabliert wurden. Karin Fischer weist auch ausdrücklich darauf hin, dass die s.g. „Industrielle Revolution“ keine singuläre europäische Leistung, sondern ein globales Ereignis war, dass den ungleichen Warentausch, die Ausbeutung der humanen und natürlichen Ressourcen und die Ausrichtung der Ökonomien des globalen Südens auf die Anforderungen des globalen Nordens mit einschließt. Und das hat durchaus Kontinuität.

Das wird auch deutlich an den Einkommensunterschieden. Während noch 1820 die internationale Einkommensungleichheit 1:3 betrug, hat sich das Verhältnis bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1992 auf 72:1 und bis zur Finanzkrise 2007 auf 92:1 verändert.

Der Neoliberalismus als besondere Ausformung kapitalistischen Handelns, hat die Ungleichheitsverhältnisse global und national – auch in den sich entwickelnden Ländern – verstärkt.

Das wird an der s.g. „Elefantenkurve“ deutlich. In den aufstrebenden asiatischen Ländern profitiert ein großer Teil der Bevölkerung von einem – wie auch immer bescheidenem – Wohlstand, während in den reichen Staaten die Einkommenssituation der Mittelschichten stagniert und eine soziale Abstiegsangst herrscht. In den USA – so die Vortragende – sind das die Wählerschichten, die Donald Trump für sich mobilisiert.

Wobei die weltweiten Vermögen – so diese überhaupt erfasst werden können – sich viel stärker konzentrieren und exorbitant wachsen als die Einkommen. Eine Ursache dafür sind die Privatisierungen, die in der fatalen Ideologie von „mehr privat, weniger Staat“ ihren Ausdruck fanden. Karin Fischer fasst das kurz mit „die „oben“ eilen davon“ zusammen. Und „oben“ sind vor allem US-AmerikanerInnen und EuropäerInnen, die ihr privates Vermögen enorm steigern konnten, während öffentliches Vermögen stagniert oder sogar zurückgeht.

Einen weiteren Punkt, den die Vortragende hier anspricht, ist die sozial-ökologische Ungleichheit. Die reichsten 10% der Weltbevölkerung sind für 50% der Emissionen verantwortlich, während die ärmsten 50% der Menschheit für 8% der Emissionen sorgt. Besonders eklatant wird das bei Afrika: bei einem Bevölkerungsanteil von 17% ist der Schadstoffausstoß weniger als 4%.

Und abschließend weist Karin Fischer darauf hin, dass für Österreich der „Erdüberlastungstag“ (an dem die anteiligen „zustehenden“ Ressourcen aufgebraucht wurden) für den 6. April terminisiert ist. Die Schaffung von nachhaltigen Strukturen hat daher oberste Priorität und hängt unmittelbar mit dem Rückgang globaler Ungleichheit zusammen.

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