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Zwischen Arm und Reich

Created at 28. Mar. 2024

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by schober rudolf

Meinrad Ziegler präsentierte eingangs einige Fakten zu Armut und Reichtum.

Manifeste Armut besteht darin, wesentliche Grundbedürfnisse nicht befriedigen zu können (Miete, Auto, Kleidung, Internet, usw.). Dies betrifft im Jahr 2021 vier Prozent der österreichischen Bevölkerung (386.000 Personen). Armutsgefährdet sind 17 % der Bevölkerung, d.h. eine Person hat nicht mehr als € 1.371 im Monat zur Verfügung bzw. eine 4-köpfige Familie nicht mehr als € 2.880.- pro Monat.

„Vermögen“ besteht aus Finanzvermögen (Geldanlagen) und Sachvermögen (Immobilien, Unternehmen, Grundstücke), das entweder durch Arbeit oder Erbschaft erworben wird. „Vermögen“ bedeutet für Arme: Ersparnisse für Notfälle, Ankauf längerfristiger Konsumgüter – wobei 2/3 der Ausgaben fließen in das Wohnen, Energie und Ernährung. Etwa ein Drittel der Haushalte in Österreich können kaum etwas sparen. „Vermögen“ bedeutet für Reiche: Unternehmensbeteiligungen oder Aktien u.ä. sowie Einkommen in Form von Mieterträgen, Dividenden, Zinsen. Unter „Überreichtum“ versteht man ein Vermögen, das Einfluss und Macht in der Gesellschaft ermöglicht; das oberste Prozent der Vermögensverteilung (etwa 40 Haushalte in Österreich) besitzt rund 40 Prozent des Gesamtvermögens. Der Anteil am Nettovermögen der unteren 50% der Bevölkerung beträgt 2,5%. Die vermögensbezogenen Steuern betragen in Österreich nur 1,3%, der OECD-Durchschnitt wird mit 5,7% angegeben, wohingegen in Großbritannien Vermögen mit 13% versteuert wird.

Zu den beiden Repräsentantinnen von Armut und Reichtum, Daniela Brodesser und Marlene Engelhorn, erläutert Meinrad Ziegler, dass beide Aktivistinnen zu zwei unterschiedlichen Fragen der gesellschaftlichen Vermögensverteilung seien.

Brodesser beschäftigt sich intensiv mit Armut. Sie klärt auf, was es bedeutet, in Armut zu leben, und was materiell und sozial zu tun wäre, damit Betroffene aus der Sackgasse herausfinden. Engelhorn ist Aktivistin für die Besteuerung der Reichen. Sie klärt darüber auf, wie sich mit Reichtum lebt, welche Vorstellungen von gesellschaftlicher Verantwortlichkeit in einem solchen Leben vorherrschen, welche Ängste lebendig werden, wenn Ideen in der Gesellschaft auftauchen, den Reichtum zu besteuern.

Beide Frauen sind nicht nur Aktivistinnen in Fragen von Armut und Reichtum. Sie haben auch persönliche Lebenserfahrungen damit, wie es ist, in Armut bzw. mit Reichtum zu leben. Im Zentrum standen einerseits diese Erfahrungen, andererseits die kritische Reflexion auf diese Erfahrungen. Dabei berichtete Daniela Brodesser über das vorherrschende Gefühl der „Beschämung“ und das Schwinden der Perspektiven, verbunden mit der allgemeinen Ansicht „selbst schuld zu sein“. Diese  Sichtweise wird häufig auch von den Betroffenen übernommen. Socialmedia waren für Brodesser der Schlüssel, um die Armutssituation überwinden zu können. Sie verweist darauf, dass 50% der Menschen in Österreich unter der Armutsgrenze leben würden, wenn es keinen Sozialstaat gäbe und es seien strukturelle Gründe, wenn man arm ist.

Marlene Engelhorn erzählt vom Reichtum, den man in frühen Jahren nicht mitbekommen würde. Man lebe in einer Blase und schottet sich ab. Es bestünde eine Blindheit  gegenüber den restlichen 99 % der Bevölkerung. Wobei die Vermögenden auch Ängste haben, dass es nicht reichen würde oder das Vermögen verloren gehen könnte, zumal diese Werte nicht wirklich greifbar sind. Diese Ängste erscheinen absurd, zumal die Lebenshaltungskosten, wie Miete udgl., überhaupt keine Rolle spielten. Ihre eigene Politisierung beschreibt Marlene Engelhorn als Prozess des Austausches in der Lebenswirklichkeit, im Gegensatz zu anderen Reichen, die sich nur mit dem eigenen Geld und Vermögen auseinander setzen würden.

Die Überwindung von Armut und Überreichtum stellen beide als ihr zentrales Ziel des gesellschaftlichen Wirkens dar.

Ein beeindruckender gekonnt moderierter Abend, mit zwei bemerkenswerten Frauen!

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