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Welt-Bilder | 05 | Bewusstsein + Gewissen in Antike und frühem Christentum II - 13.11.2012

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by dorftv

Univ. Prof. Dr. Walter Ötsch
Vorlesung „Themen und Theorien der Kulturwissenschaften I“ an der Johannes Kepler Universität Linz im Wintersemester 2012

5. Stunde – Teil 1, 13.11.2012
Bewusstsein und Gewissen in der Antike und im frühen Christentum II

4. Plato (Fortsetzung) (427 – 347)

>Innen-Welt< und >Außen-Welt< bei Plato

Die Ordnung >innen< steht in Beziehung zu einer Ordnung >außen<: dort >existiert< eine harmonische Hierarchie von Ideen. >Innen< und >außen< sind jeweils ein einziges Feld. Sie sind aufeinander bezogen, aber getrennt. Es gibt eine Seele und einen Körper, eine >Innen-Welt< und eine >Außen-Welt<.

Das Höhlengleichnis bei Plato

Bewusstseinsprozesse sind bei Plato „Schattendeutungen“ von „Höhlenbewohnern“: Schatten von außen (dem Lichte höherer Kenntnis) auf der Wand in der Höhle.
Ein „höheres Bewusstsein“?
Eine erste Theorie des Unbewussten?

Dualität bei Plato

Jeder Mensch hat Körper und Seele. Beide Wesenheiten sind an verschiedenen Orten und können sogar voneinander räumlich getrennt existieren
Jede Seele ist unsterblich.
Sie ist ohne Anfang und Ende und kann immer wieder geboren werden. Durch die vielen Wiedergeburten erlangt sie Erfahrung.
Vor allem hat sie ein Wissen über die Tugend, an das sie sich immer wieder erinnern kann.
Die Seele ist dem Körper überlegen wie ein Rosselenker seinen Pferden. Metapher von Führer – Gespann – Ross. Diskussion von Wechselwirkungen von Geist und Körper
Die Seele wird im Körper gefangen gehalten. Nach ihrer Befreiung durch den Tod kann sie die absolute Wahrheit erkennen.
Die Seele besteht aus den drei Elementen Denken (Vernunft), Gefühl/Aktivität (auch als Belebtheit oder Energie gedacht) und Begierde/Triebe.
Das Denken ist im Kopf, Wille und Gefühle in der Brust, die Begierde im Unterleib.
Die Vernunft hat eine übergeordnete Rolle.

Die Rolle der Vernunft

Bei Plato ist der Kosmos als Ganzes mit Vernunft ausgestattet, daher postuliert er die Existenz einer Weltseele, die alles durchdringt.
Das Denken und die damit verbundene Vernunft sind die unsterbliche Bestandteile des Menschen Die unsterbliche Seele ist in ihrem Wesen der Weltseele gleichartig, sie hat weder Anfang noch Ende.
Die Erkenntnisse des Menschen sind Wiedererinnerungen an, die vor der Verkörperung geschauten Ideen.
Die Entfaltung der Vernunft ist Plato eine theoretische, gleichzeitig aber auch eine praktische Aufgabe.

(Das Seelenkonzept von Aristoteles, 384-322, kann aus Zeitgründen in dieser Vorlesung nicht behandelt werden.)

5. Philo von Alexandria (15/10 v. Chr.- 40 n. Chr. – 347)

Die Epoche des Hellenismus
Philo ist ein griechischer Jude. Er wollte die jüdische Schrifttradition (allegorisch interpretiert, – wie man damals die Ilias sah) mit der griechischen Philosophie vereinen.
Eine erste „Theorie“ des Bewusstseins
Eine sichtbare Welt und eine unsichtbare Welt
Seele – Leib – Dualismus, ohne Jenseits und ohne Himmel
Der Mensch hat von Gott ein Bewusstsein = Gewissen
Es fungiert als Ankläger, Zeuge, Richter
Das Gewissen rettet den Menschen im Diesseits.
Es erscheint hier als permanente Komponente der Seele.

[Frage zum Hellenismus]

6. Exkurs: Polytheismus und Monotheismus

Der eine Gott macht die Welt eindeutiger.
Ein „verinnerlichter“ Gott im Judentum: er verlangt ein persönliches Glaubensbekenntnis.
Von der jüdischen zur christlich-paulinischen Religion
(Literatur: Jan Assmann „Die Mosaische Unterscheidung“, 2003)
Merkmale „sekundärer“ Religionen (im Vergleich zu „primären“)

Kosmos, Mensch und Gesellschaft sind getrennt.
Die Natur ist von Gott erschaffen.
Statt dem „Prinzip der Übersetzbarkeit der Götter“ gibt es ein „Prinzip der Differenz“.
Von Kult- zu Buchreligionen

7. Paul, Paulus von Tarsus († um 65)

Das neue Christentum als universale Religion.
Das persönliche Bekenntnis
Syneidos und syneidesis als innere Einheit, nur für die Person selbst bewusst.
Als anthropolgischer Term: jeder hat das.

8. Augustinus (354-430)

(a) >Innen> und >Außen<-Konzept

Augustinus ist der erste Denker, der seine Lehre ausdrücklich in den Begriffen von >innen< und >außen< formuliert.
Das Äußere, so schreibt er in „De Trinitate“ ist das körperliche, das Innere die Seele. Bei Plato findet sich ein solcher Wortgebrauch nicht.
Augustinus ist damit der erste Theoretiker des >Innen-Raumes<.
Das >Außen< kristallisiert sich bei Augustinus um einen eindeutigen Kern, um den einen Gott.
Ihm steht ein >inneres< Feld (im Sinne von Plato) gegenüber. Ihr Kern ist die christliche Seele, eine personale Seele.
Von Plato zu Augustinus wird das personale Moment bei Gott und bei den Menschen verstärkt.
Gott ist reiner Geist, Gott ist Denken: „Aus den externen Ideen werden die internen Gedanken Gottes.“ (Gloy)
Mit diesem Konzept kann die Beziehung der geistigen Seele zum geistigen Gott neu entworfen werden.
Der >äußere< Gott kann nämlich auch im >Inneren< entdeckt werden.
Augustinus formuliert zum ersten mal das Programm des abendländischen Menschen, Wahrheit und Gewissheit im eigenen >Inneren< finden zu wollen. (Taylor)
Augustinus beschreibt die Seele als „tiefe“ Seele, in 7 Schritten
Der Weg nach >innen<. verläuft über sieben Stationen, sieben >Orte< im >inneren Raum<. (Weischedel)
Der 7. Raum ist das „innerste Innere“ (interior intimo meo). Es ist die Quelle, die jede Seele erleuchtet: es ist Gott.

(b) Gottes-Bilder und die christliche Seele

Der „jenseitige“ transzendente Gott – weit weg „da draußen“, hoch am Himmel
Der „diesseitige“ immanente Gott – ganz nah „da innen“, in der Tiefe jeder Seele.
Gott ist, wie Augustinus in seinen „Bekenntnissen“ schreibt, „innerlicher als mein Innerstes und höher als mein Höchstes.“

(c) Exkurs: Der immanente Gott in der Mystik

Kurzer Hinweis auf Meister Eckehart (um 1260 – 1328)

http://www.walteroetsch.at/videos-von-vorlesungen/videos-zur-vorlesung-…

Videoproduktion: Alexander Grömmer und JKU
Video auf youtube: http://bit.ly/1Yg3LxC

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